Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2346 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 916 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/2111 Syrische Geflüchtete im Land Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 916 vom 22.07.2015: Nach aktuellen Erhebungen des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) hat die Zahl der Menschen, die vor dem Konflikt in Syrien in die Nachbarländer geflohen sind, die Vier-Millionen-Marke überschritten. Damit sei der Konflikt in Syrien Ursache der größten Flüchtlingskrise unter UNHCR-Mandat seit einem Vierteljahrhundert . Zudem sind innerhalb Syriens mindestens 7,6 Millionen Menschen auf der Flucht. Viele von ihnen leben unter schwierigen Bedingungen und in Regionen, die schwer zu erreichen sind. Europa steht damit ein weiterer Anstieg des Flüchtlingszustroms aus Syrien bevor. Für syrische Geflüchtete wurden auf Bundes – und Landesebene besondere Aufnahmeprogramme erlassen. Der Bund hat seit Mai 2013 drei humanitäre Aufnahmeprogramme für zwei Mal 5.000 und einmal 10.000 besonders schutzbedürftige syrische Geflüchtete aufgelegt. Das Land Brandenburg hat im September 2013 ein Landesaufnahmeprogramm für syrische Geflüchtete erlassen. Hiernach erhalten Geflüchtete aus Syrien eine Aufenthaltserlaubnis, sofern sie über enge verwandtschaftliche Beziehungen zu im Land Brandenburg aufenthaltsberechtigten Personen verfügen, welche den Lebensunterhalt der Geflüchteten im Wege einer Verpflichtungserklärung sichern. Die Anordnung wurde zuletzt bis zum 30.09.2015 verlängert. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit sind derzeit im Land Brandenburg gemeldet? 2. Wie viele Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit sind derzeit im Land Brandenburg gemeldet und befinden sich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung? 3. Wie vielen Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit wurde im Land Brandenburg infolge der humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 2, 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt? 4. Wie vielen Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit wurde im Land Brandenburg eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 AufenthG aufgrund des oben beschriebenen Landesaufnahmeprogramms erteilt? Wie lange dauert durchschnittlich das Verfahren im Landesaufnahmeprogramm von der Stellung des Visumantrages bei der deutschen Auslandsvertretung bis zur tatsächlichen Einreise in das Land Brandenburg? 5. Wie vielen Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit wurde seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien 2011 eine sonstige Aufenthaltserlaubnis erteilt (z.B. Aufenthalt aus humanitären Gründen gemäß § 25 AufenthG oder aus familiären Gründen gemäß §§ 27ff. AufenthG)? Wie viele von diesen waren zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 oder 2 AufenthG? 6. In einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern und des Auswärtigen Amtes vom 4. Mai 2015 an die Länder werden Verfahrensvereinfachungen zur Beschleunigung des Familiennachzugverfahrens angeregt. Werden die vorgeschlagenen Maßnahmen (Globalzustimmung der Länder bei einem Nachzug zu einem syrischen anerkannten Flüchtling, Vorabzustimmung durch die zuständigen Ausländerbehörden) im Land Brandenburg umgesetzt? Wenn nein, warum nicht? 7. Plant die Landesregierung, das Landesaufnahmeprogramm über den 30.09.2015 hinaus erneut zu verlängern? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, bleibt es bei der Stichtagsregelung nach Ziffer I.1.2.2. des Erlasses vom 20.09.2013, wonach sich nachzugsberechtigte syrische Staatsangehörige bereits seit dem 01.01.2013 im Bundesgebiet aufhalten müssen oder wird diese Regelung angepasst (z.B. auf den 01.01.2015) bzw. flexibler ausgestaltet (z.B. mindestens ein Jahr Voraufenthalt im Bundesgebiet)? Wenn nein, warum nicht? 8. Werden im Landesaufnahmeprogramm auch Verpflichtungserklärungen von anderen als den syrischen Verwandten direkt anerkannt oder ist dies im Rahmen einer eventuellen Verlängerung des Landesaufnahmeprogramms geplant? Wenn nein, warum nicht? Werden auch VerpflichtungserklärungsgeberInnen aus anderen Bundesländern anerkannt oder ist dies geplant? Wenn nein, warum nicht? 9. Das Sozialgericht Detmold hat mit Beschluss vom 02.04.2015 (Akz. S 2 SO 102/15 ER) entschieden, dass, wer eine Verpflichtungserklärung zugunsten eines Geflüchteten abgibt, für diesen nicht mehr aufkommen muss, sobald der Antrag auf Asyl positiv beschieden wurde. Entspricht dies auch der Auffassung und Praxis der Landesregierung? Wenn nein, warum nicht? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die in den folgenden Antworten angeführten Zahlen sind dem Ausländerzentralregister (AZR) zum Stichtag 30. Juni 2015 entnommen. Frage 1: Wie viele Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit sind derzeit im Land Brandenburg gemeldet? zu Frage 1: Laut AZR waren zum Stichtag 30. Juni 2015 insgesamt 2.941 Syrer im Land Brandenburg gemeldet. Frage 2: Wie viele Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit sind derzeit im Land Brandenburg gemeldet und befinden sich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung? zu Frage 2: Von den in Frage 1 genannten syrischen Staatsangehörigen waren 969 im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Frage 3: Wie vielen Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit wurde im Land Brandenburg infolge der humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 2, 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt? zu Frage 3: Zum 30. Juni 2015 waren 408 syrische Staatsangehörige mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 2 Satz 3 AufenthG in Brandenburg im AZR registriert . Frage 4: Wie vielen Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit wurde im Land Brandenburg eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 AufenthG aufgrund des oben beschriebenen Landesaufnahmeprogramms erteilt? Wie lange dauert durchschnittlich das Verfahren im Landesaufnahmeprogramm von der Stellung des Visumantrages bei der deutschen Auslandsvertretung bis zur tatsächlichen Einreise in das Land Brandenburg? zu Frage 4: 54 Syrer waren zum 30. Juni 2015 Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Die Dauer von der Antragstellung bis zur Einreise des Betroffenen in das Bundesgebiet ist sehr unterschiedlich. Die Zeiten differieren zwischen zwei Monaten und über einem halben Jahr. Frage 5: Wie vielen Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit wurde seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien 2011 eine sonstige Aufenthaltserlaubnis erteilt (z.B. Aufenthalt aus humanitären Gründen gemäß § 25 AufenthG oder aus familiären Gründen gemäß §§ 27ff. AufenthG)? Wie viele von diesen waren zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 oder 2 AufenthG? zu Frage 5: Zur Beantwortung dieser Frage ist nur eine Gegenüberstellung der Auswertungen aus dem AZR zu den Stichtagen 31. Dezember 2011 und 30. Juni 2015 möglich (siehe nachfolgende Tabelle). Hieraus ist ersichtlich, wie viele syrische Staatsangehörige sich zum jeweiligen Stichtag mit welchem Aufenthaltstitel in Brandenburg aufgehalten haben. Inwieweit diese Personen vormals Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder 2 AufenthG waren, lässt sich dem AZR nicht entnehmen. Aufenthaltstitel Niederlassungserlaubnisse insgesamt (einschl. Daueraufenthalt EG) nach § 18b AufenthG (Niederlassungserlaubnis für Absolventen deutscher Hochschulen) nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG (Hochqualifizierter Wissenschaftler) nach § 19a Abs. 6 Satz 3 AufenthG (Inhaber Blaue Karte EU nach frühestens 21 Monaten) nach § 26 Abs. 3 AufenthG (Asyl/GfK nach 3 Jahren) nach § 26 Abs. 4 AufenthG (aus humanitären Gründen nach 7 Jahren) nach § 28 Abs. 2 AufenthG (Familienangehörige von Deutschen) nach § 9 AufenthG (allgemein) Ausbildung/Erwerbstätigkeit insgesamt nach § 16 Abs. 4 AufenthG (Arbeitsplatzsuche nach Studium) nach § 16 Abs. 5 AufenthG (Sprachkurse, Schulbesuch) nach § 16 Abs.1 AufenthG (Studium) nach § 17 AufenthG (sonstige Ausbildungszwecke) nach § 18 Abs. 4 Satz 1 AufenthG (qualifizierte Beschäftigung nach Rechtsverordnung) nach § 19a AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a) BeschV (Blaue Karte EU, Regelberufe) nach § 19a AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Bst. b) oder § 2 Abs. 2 BeschV (Blaue Karte EU, Mangelberufe) nach § 20 Abs. 1 AufenthG (Forscher) völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe insgesamt nach § 22 Satz 2 AufenthG (Aufnahme durch BMI) nach § 23 Abs. 1 AufenthG (Aufnahme durch Land) nach § 23 Abs. 2 AufenthG (besondere Fälle) nach § 25 Abs. 1 AufenthG (Asylberechtigter) nach § 25 Abs. 2 AufenthG (Flüchtlingseigenschaft zuerkannt) nach § 25 Abs. 2 AufenthG (subsidiärer Schutz) gewährt nach § 25 Abs. 3 AufenthG (Abschiebungshindernisse) nach § 25 Abs. 5 AufenthG (rechtliche oder tatsächliche Gründe) nach § 25a Abs. 1 AufenthG (Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden ) familiäre Gründe insgesamt nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (Ehegattennachzug zu Deutschen) nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (Familiennachzug zu Deutschen: sorgeberechtigter Elternteil) nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3g AufenthG (Ehegattennachzug zu einem Inhaber einer Blauen Karte EU) nach § 30 AufenthG (Ehegattennachzug) ohne § 30 Abs. 1 S. 1 Nr 3g AufenthG nach § 32 Abs. 1 AufenthG (Kindesnachzug zu einem Inhaber einer AERL, NE oder Erlaubnis z. Daueraufenth.-EU) nach § 32 Abs. 1 AufenthG (Kindesnachzug zu einem Inhaber einer Blauen Karte EU) nach § 32 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG (Kindesnachzug über 16 Jahre zu einem Inh. einer AERL, NE o. Erlaubnis z. Daueraufenth.-EU) nach § 32 Abs. 3 AufenthG (Kindesnachzug unter 16 Jahren) nach § 33 AufenthG (Geburt im Bundesgebiet) nach § 36 Abs. 2 AufenthG (Nachzug sonstiger Familienangehörige) Besondere Aufenthaltsrechte insgesamt nach § 34 Abs. 2 AufenthG (eigenständiges Aufenthaltsrecht für Kinder) nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (sonstige begründete Fälle) Sonstiges / Befreiungen Antrag auf einen Aufenthaltstitel gestellt (ab 01.07.2014) Antrag auf einen Aufenthaltstitel gestellt (Altfall bis 30.06.2014) Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gestellt Bescheinigung über die Wirkung der Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) ausgestellt EU-Aufenthaltsrechte nach dem FreizügG/EU insgesamt Aufenthaltskarte (Angehörige von EU-/EWR-Bürgern) Daueraufenthaltskarte (Angehörige von EU-/EWR-Bürgern) Ausländer mit Aufenthaltsgestattung insgesamt Aufenthaltsgestattung Aussetzung der Abschiebung (Duldungen) Duldung nach § 60a Abs. 1 AufenthG Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus sonstigen Gründen Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (fam. Bindungen zu Duldungsinh. n. Nr. 1) Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reisedokumente nach Ausländergesetz insgesamt Aufenthaltserlaubnis unbefristet ohne Aufenthaltsrecht Aufenthaltstitel erloschen kein Aufenthaltsrecht Frage 6: In einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern und des Auswärtigen Amtes vom 4. Mai 2015 an die Länder werden Verfahrensvereinfachungen zur Beschleunigung des Familiennachzugverfahrens angeregt. Werden die vorgeschlagenen Maßnahmen (Globalzustimmung der Länder bei einem Nachzug zu einem syrischen anerkannten Flüchtling, Vorabzustimmung durch die zuständigen Ausländerbehörden) im Land Brandenburg umgesetzt? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 6: Das Ministerium des Innern und für Kommunales hat mit Schreiben vom 24. Juli 2015 zum Zweck des Familiennachzugs zu syrischen Flüchtlingen eine Globalzustimmung für die Visaerteilung an Ehegatten und minderjährige ledige Kinder des in § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG beschriebenen Personenkreises erteilt. Darüber hinaus wurde den Ausländerbehörden empfohlen, auch von dem Instrument der Vorabzustimmung Gebrauch zu machen. Frage 7: Plant die Landesregierung, das Landesaufnahmeprogramm über den 30.09.2015 hinaus erneut zu verlängern? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, bleibt es bei der Stichtagsregelung nach Ziffer I.1.2.2. des Erlasses vom 20.09.2013, wonach sich nachzugsberechtigte syrische Staatsangehörige bereits seit dem 01.01.2013 im Bundesgebiet aufhalten müssen oder wird diese Regelung angepasst (z.B. auf den 01.01.2015) bzw. flexibler ausgestaltet (z.B. mindestens ein Jahr Voraufenthalt im Bundesgebiet)? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 7: Zur Frage der Verlängerung des Landesaufnahmeprogramms sowie zur Stichtagsregelung und zu weiteren Details findet gegenwärtig noch eine Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts der Landesregierung statt. Frage 8: Werden im Landesaufnahmeprogramm auch Verpflichtungserklärungen von anderen als den syrischen Verwandten direkt anerkannt oder ist dies im Rahmen einer eventuellen Verlängerung des Landesaufnahmeprogramms geplant? Wenn nein, warum nicht? Werden auch VerpflichtungserklärungsgeberInnen aus anderen Bundesländern anerkannt oder ist dies geplant? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 8: Zur Sicherung des Lebensunterhalts der aufzunehmenden syrischen Flüchtlinge ist hier die Abgabe einer Verpflichtungserklärung durch die in Brandenburg lebenden Verwandten erforderlich. Sollte der hier lebende Verwandte nicht in der Lage sein, den Lebensunterhalt vollumfänglich zu finanzieren, ist die Abgabe einer weiteren Verpflichtungserklärung – auch von Dritten – möglich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Frage 9: Das Sozialgericht Detmold hat mit Beschluss vom 02.04.2015 (Akz. S 2 SO 102/15 ER) entschieden, dass, wer eine Verpflichtungserklärung zugunsten eines Geflüchteten abgibt, für diesen nicht mehr aufkommen muss, sobald der Antrag auf Asyl positiv beschieden wurde. Entspricht dies auch der Auffassung und Praxis der Landesregierung? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 9: Das Ministerium des Innern und für Kommunales vertritt die Auffassung, dass die Verpflichtungserklärungen, die im Rahmen der Landesaufnahmeanordnung für die syrischen Flüchtlinge abgegeben wurden bzw. werden, weiterhin fortbestehen , auch wenn ein späteres Asylverfahren erfolgreich durchgeführt wird. Die Ausländerbehörden wurden entsprechend informiert. Damit folgt das MIK der Auffassung des Bundes, dass mit der Stellung eines Asylantrages kein Zweckwechsel verbunden ist, da sich der Aufenthaltszweck – Schutz vor den Folgen des syrischen Bürgerkriegs – nicht geändert hat.