Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2356 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 929 der Abgeordneten Danny Eichelbaum und Dieter Dombrowski CDU-Fraktion Drucksache 6/2143 Opferrenten und Betreuung der SED-Opfer Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 929 vom 24. Juli 2015: Von 1945 bis 1989 wurden zahlreiche Bürger in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) aus politischen Gründen verfolgt und inhaftiert. Während der Haftzeit mussten sie häufig körperliche wie psychische Misshandlungen über sich ergehen lassen. Die Inhaftierten erlitten dabei in vielen Fällen Schäden, die auch nach Ende der Haftzeit und zum Teil bis zum heutigen Tag fortwirken. Durch das Dritte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR von 2007 erhalten Opfer politischer Verfolgung monatliche finanzielle Zuwendungen. Wir fragen die Landesregierung: 1. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Menschen jeweils in den Jahren 1945 bis 1989 auf dem Gebiet des heutigen Brandenburgs aus politischen Gründen inhaftiert wurden? 2. Wie viele von diesen Personen starben infolge der ihnen während der Inhaftierung zugefügten Misshandlungen oder anderer Haftumstände? 3. Wie viele der Geschädigten in Brandenburg wurden seit dem Ende der Existenz der DDR bislang rehabilitiert? (bitte nach strafrechtlicher, verwaltungsrechtlicher und beruflicher Rehabilitierung jahrweise auflisten) 4. Wie viele Anträge auf die SED-Opferrente wurden bislang in Brandenburg gestellt ? a) Wie viele dieser Anträge wurden bislang bewilligt? b) Wie viele antragsberechtigte Bürger leben schätzungsweise in Brandenburg? c) Auf welche Höhe haben sich jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 die finanziellen Aufwendungen für die SED-Opferrente in Brandenburg bemessen? Wie viel Geld war jeweils in diesen Jahren in den einschlägigen Brandenburger Haushaltsplänen eingestellt? Wie viel Geld wurde jeweils in diesen Jahren an wie viele Opfer ausgezahlt? Wie hoch war in den jeweiligen Jahren die durchschnittliche Opferrente? 5. In welchem quantitativen Verhältnis stehen die Renten an Opfer der DDR-Diktatur zu den Altersbezügen (exklusive privater Vorsorge) der offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit? (bitte jeweils nach Durchschnitt und Median aufschlüsseln ) 6. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele der rehabilitierten Personen in Brandenburg zurzeit soziale und psychologische Unterstützung benötigen, die im Zusammenhang mit der Inhaftierung steht? 7. Welche Einrichtungen des Landes Brandenburg unterstützen die unter Frage 6 benannten Personen bei der sozialen und psychologischen Verarbeitung? (bitte aufführen nach Einrichtung, Zahl der derzeit dort beschäftigten Therapeuten und den jährlichen Zuweisungen der Jahre 2010 bis 2015) 8. Welche zivilgesellschaftlichen Vereinigungen arbeiten ebenfalls an der sozialen und psychologischen Betreuung der Opfer des DDR-Regimes? Welche dieser Vereinigungen unterstützt das Land Brandenburg in welcher Höhe finanziell? 9. In welchem Umfang und auf welche Weise arbeitet das Land Brandenburg mit den in den anderen neuen Bundesländern hinsichtlich der existierenden Rehabilitierungs - und Beratungsinstitutionen zusammen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Menschen jeweils in den Jahren 1945 bis 1989 auf dem Gebiet des heutigen Brandenburgs aus politischen Gründen inhaftiert wurden? Frage 2: Wie viele von diesen Personen starben infolge der ihnen während der Inhaftierung zugefügten Misshandlungen oder anderer Haftumstände? zu Fragen 1 und 2: Der Landesregierung liegen keine Statistiken über die von 1945 bis 1989 auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR aus politischen Gründen Inhaftierten vor. Auch gibt es keine statistische Erhebung über Todesfälle aufgrund von zugefügten Misshandlungen während der Inhaftierung oder aufgrund anderer Haftumstände. Frage 3: Wie viele der Geschädigten in Brandenburg wurden seit dem Ende der Existenz der DDR bislang rehabilitiert? zu Frage 3: Bei den strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren liegt für den Zeitraum vor 1994 keine statistische Erfassung vor. Die nachfolgende Tabelle bildet die Anzahl der Anerkennungen und Teilanerkennungen der 1. Instanz1 mit Stand vom 30. Juni 2015 ab: Jahr begründet teilweise begründet 1994 2.006 167 1995 1.170 165 1996 753 185 1997 328 109 1998 558 160 1999 191 91 2000 368 84 2001 400 139 Für die jahrweisen Anerkennungen und Teilanerkennungen der 2. Instanz liegt keine statistische Gesamtübersicht vor; im laufenden Jahr ergingen mit Stand vom 30. Juni 2015 in der 2. Instanz 23 Anerkennungen und eine Teilanerkennung. 2002 330 120 2003 201 76 2004 132 51 2005 94 31 2006 116 37 2007 142 51 2008 193 57 2009 215 67 2010 153 45 2011 98 33 2012 80 26 2013 77 8 2014 69 3 2015 21 4 Insgesamt 7695 1709 Für den Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen und des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes kann lediglich die jährliche Gesamtzahl der Rehabilitierten mitgeteilt werden, da eine systematische statistische Erfassung nach den einzelnen Verfolgungstatbeständen nicht vorgenommen wird: Da das Verwaltungsrechtliche und das Berufliche Rehabilitierungsgesetz am 1. Juli 1994 in Kraft getreten sind, kann mit Stand vom 30. Juni 2015 folgende Entwicklung der Rehabilitierungen nach Jahren mitgeteilt werden: Jahr VwRehaG BerRehaG 1994 1 19 1995 26 341 1996 67 800 1997 127 978 1998 117 1027 1999 59 786 2000 38 595 2001 21 579 2002 17 739 2003 18 469 2004 12 345 2005 18 346 2006 12 205 2007 7 191 2008 6 192 2009 3 185 2010 3 95 2011 5 115 2012 4 172 2013 3 122 2014 8 124 2015 5 69 Insgesamt 577 8.494 Frage 4: Wie viele Anträge auf die SED-Opferrente wurden bislang in Brandenburg gestellt? a) Wie viele dieser Anträge wurden bislang bewilligt? b) Wie viele antragsberechtigte Bürger leben schätzungsweise in Brandenburg? c) Auf welche Höhe haben sich jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 die finanziellen Aufwendungen für die SED-Opferrente in Brandenburg bemessen? Wie viel Geld war jeweils in diesen Jahren in den einschlägigen Brandenburger Haushaltsplänen eingestellt? Wie viel Geld wurde jeweils in diesen Jahren an wie viele Opfer ausgezahlt ? Wie hoch war in den jeweiligen Jahren die durchschnittliche Opferrente? zu Fragen 4 und 4a: Im Land Brandenburg wurden bislang 8.513 Anträge auf Gewährung der besonderen Zuwendung nach § 17a des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG) gestellt. Davon wurden 7.152 Anträge bewilligt. zu Frage 4b: Hierzu werden keine Statistiken geführt. Im Übrigen hätte die Angabe eines Schätzungswertes einen rein spekulativen Charakter. Das Rehabiliterungsverfahren führt dasjenige Landgericht durch, in dessen heutigem Bezirk das erstinstanzliche Straf- oder Ermittlungsverfahren seinerzeit durchgeführt worden ist. Der Wohnort hat für die Antragsberechtigung keinerlei Aussagekraft. Es fehlen somit objektive Anknüpfungspunkte, um die Antragsberechtigten im Sinne der Fragestellung zuverlässig zu schätzen. zu Frage 4c: Die Haushaltsplanansätze, die jährlichen Ausgaben für Zuwendungen nach § 17a StrRehaG sowie die Anzahl der Begünstigten ergeben sich für die Geschäftsbereiche des MdJEV und des MASGF aus der nachfolgenden Tabelle: Jahr Haushaltsplanansatz Ist-Ausgaben für Opferpensionen nach § 17a StrRehaG (Titel 68162 im Kapitel 04 040) Anzahl der Begünstigten von Opferpension 2010 22.000.000,00 Euro 17.690.609,10 Euro 5.821 2011 22.000.000,00 Euro 18.112.440,75 Euro 5.825 2012 22.000.000,00 Euro 17.781.378,44 Euro 5.810 2013 20.500.000,00 Euro 17.815.841,84 Euro 5.742 2014 20.500.000,00 Euro 17.262.460,34 Euro 5.682 2015 19.413.100,00 Euro 11.912.136,72 Euro 2 5.602 Die Höhe der sog. SED-Opferrente ist in § 17a StrRehaG festgelegt und belief sich seit der Schaffung dieser Vorschrift mit dem Dritten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118) auf 250,00 Euro. Mit dem Fünften Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2408) ist die SED-Opferrente zum 1. Januar 2015 auf 300,00 Euro erhöht worden. Übersteigt das zu berücksichtigende Einkommen die maßgebliche Einkommensgrenze um einen Betrag, der geringer ist als der Betrag der SED-Opferrente, erhält die/der Berechtigte die Zuwendung in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Differenzbe- trages. Zur Errechnung der durchschnittlichen Jahresopferrente ist die Summe der jährlichen Zuwendungen durch die Bezugsgröße (Anzahl der Begünstigten) zu teilen. Frage 5: In welchem quantitativen Verhältnis stehen die Renten an Opfer der DDRDiktatur zu den Altersbezügen (exklusive privater Vorsorge) der offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit? zu Frage 5: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Frage 6: Ist der Landesregierung bekannt, wie viele der rehabilitierten Personen in Brandenburg zurzeit soziale und psychologische Unterstützung benötigen, die im Zusammenhang mit der Inhaftierung steht? Frage 7: Welche Einrichtungen des Landes Brandenburg unterstützen die unter Frage 6 benannten Personen bei der sozialen und psychologischen Verarbeitung (bitte aufführen nach Einrichtung, Zahl der derzeit dort beschäftigten Therapeuten und den jährlichen Zuweisungen der Jahre 2010 bis 2015)? zu Fragen 6 und 7: Im Dezember 2014 hatten insgesamt 191 Beschädigte nach § 21 StrRehaG und § 3 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG) Anspruch auf zuzahlungsfreie Heil- und Krankenbehandlung wegen der als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörungen. Der Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ist beim Landesamt für Soziales und Versorgung zu stellen (§ 25 Abs. 4 StrRehaG). Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung zu den Fragen 116, 117 und 119 der Großen Anfrage Nr. 16 der Fraktion der CDU (LT-Drs. 5/5136) verwiesen. Frage 8: Welche zivilgesellschaftlichen Vereinigungen arbeiten ebenfalls an der sozialen und psychologischen Betreuung der Opfer des DDR-Regimes? Welche dieser Vereinigungen unterstützt das Land Brandenburg in welcher Höhe finanziell? zu Frage 8: Für Opfer diktatorischer Willkür stehen im Land Brandenburg folgende Beratungsangebote freier Träger zur Verfügung: Gruppe ehemaliger politischer Häftlinge in Cottbus und Umgebung (Mitglied der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft – UOKG); Caritasverband für Brandenburg e. V.; Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf e. V.; Initiativgruppe Internierungslager Jamlitz e. V.; Cottbuser Häftlingsgemeinschaft; Evangelische Kirchengemeinde Lieberose (Dokumentationsstätte Sowjetisches Speziallager Nr. 6 Jamlitz); Initiativgruppe Lager Mühlberg e. V.; Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen; Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen e. V. sowie Psychiatrische Institutsambulanz der Landesklinik Teupitz (spezielle Sprechstunde für psychische Traumafolgen). Ergänzend ist auf das Beratungsangebot der Opferhilfe Land Brandenburg e. V. zu verweisen, die in sechs Beratungsstellen in Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin, Potsdam, Brandenburg an der Havel und Senftenberg auch SED-Opfern therapeutische Unterstützung bietet. Die Landesregierung Brandenburg unterstützt die Opferhilfe Land Brandenburg e. V. jährlich mit finanziellen Zuwendungen in Höhe von durchschnittlich 270.000,00 Euro. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, in welchem Umfang die Opferhilfe Land Brandenburg e. V. die Gelder speziell für die Unterstützung von SED-Opfern verwendet. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung zur Frage 108 der Großen Anfrage Nr. 16 der Fraktion der CDU (LT-Drs. 5/5136) verwiesen. Frage 9: In welchem Umfang und auf welche Weise arbeitet das Land Brandenburg mit den in den anderen neuen Bundesländern hinsichtlich der existierenden Rehabilitierungs - und Beratungsinstitutionen zusammen? zu Frage 9: Die Rehabilitierungsbehörde im Ministerium des Innern und für Kommunales pflegt den Kontakt zu den Institutionen insbesondere in den Fällen, in denen eine Bevollmächtigung der Antragstellenden zur Geltendmachung ihrer verfolgungsbedingten Rehabilitierungsansprüche vorgenommen wurde. Im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren sind die Gerichte zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet. Sie haben sämtliche Erkenntnisquellen zu verwenden und alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Dies schließt eine Einholung von Auskünften und eine Beiziehung von Verwaltungsvorgängen bei Behörden anderer Bundesländer mit ein. Art und Umfang der Ermittlungen hängen vom Einzelfall ab. Im Übrigen erfolgt die Zusammenarbeit sowohl mit den Rehabilitierungsbehörden der übrigen ostdeutschen Bundesländer als auch der Opferverbände bzw. - initiativen innerhalb wie auch außerhalb des Landes Brandenburg bei Bedarf in gegenseitigem Zusammenwirken. Auf die Antwort der Landesregierung zur Frage 5 der Kleinen Anfrage Nr. 1529 der Fraktion der CDU (LT-Drs. 5/4153) wird im Übrigen Bezug genommen.