Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2395 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 828 des Abgeordneten Christoph Schulze BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/1952 KITA V - Wortlaut, Verständnis und Realität der gesetzlichen Regelungen nach § 22 a, Absatz 3 SGB VIII Wortlaut der Kleinen Anfrage 828 vom 06.07.2015: Nach dem entsprechenden § 22a des SGB VIII soll sich das Angebot an Kindertageseinrichtungen pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihren Familien orientieren. Die Träger der Öffentlichen Jugendhilfe, so heißt es im Absatz 5, sollen die Realisierung des Förderungsauftrages nach Maßgabe der Absätze 1 bis 4 in den Einrichtungen anderer Träger durch geeignete Maßnahmen sicherstellen (Grundsatz der Pluralität und Trägervielfalt). Nunmehr ergibt sich die Situation, dass es Kommunen im Land Brandenburg gibt, die (fast) ausnahmslos alle Kindertagesstätten selbst betreiben, die gesamte Kinderbetreuung an sich ziehen und dann letztendlich auf ihrem Gemeindegebiet durchsetzen, dass in allen kommunalen Kindereinrichtungen, die die Gemeinde selbst betreibt (in Einzelfällen bis zu 90 %) ein einziges pädagogisches Konzept durchgeführt wird. Dies entspricht ganz sicher nicht dem Grundsatz der Pluralität und Trägervielfalt und kann mit Sicherheit auch nicht der Forderung des Kita-Gesetzes, sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Familien zu orientieren, genüge tun. Aus diesem Grunde stellt frage ich die Landesregierung: 1) Erfüllt ein in einer Gemeinde einheitlich und flächendeckend durchgesetztes pädagogisches Handlungskonzept (z.B. das Konzept der sogenannten „offenen Arbeit “) in den Kindertageseinrichtungen die Forderungen des § 22 a, Absatz 3? 2) Wie können Eltern ihren Rechtsanspruch aus § 5 des SGB VIII, der sich auch aus § 6 Grundgesetz ableiten lässt, durchsetzen, sodass es eine Pluralität und Trägervielfalt hergestellt wird, wenn die Gemeinde das aus eigenem Antrieb heraus nicht tut? 3) Welche Aufsichtsbehörde können die Eltern einschalten und kontaktieren, um gegenüber einer Gemeinde ihre Rechte auf Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII in Verbindung mit § 22 a Kita-Gesetz durchzusetzen? 4) Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die zuständige Aufsichtsbehörde der Öffentlichen Jugendhilfe? Welche Stelle ist das überhaupt (Landesjugendamt, Ministerium )? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Erfüllt ein in einer Gemeinde einheitlich und flächendeckend durchgesetztes pädagogisches Handlungskonzept (z.B. das Konzept der sogenannten „offenen Arbeit “) in den Kindertageseinrichtungen die Forderungen des § 22 a, Absatz 3? Zu Frage 1: Die Berücksichtigung der Maßgaben des § 22 a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist in verschiedenen Organisationsmodellen möglich und insgesamt notwendig. Dass eine Gemeinde in allen Einrichtungen ihres Gebiets ein einheitliches pädagogisches Handlungskonzept durchsetzt, ist der Landesregierung nicht bekannt. Es ist davon auszugehen, dass die Gemeinde für ihre eigenen Einrichtungen zwar Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung der Arbeit erteilt, aber die konkrete Ausgestaltung der Arbeit in der Verantwortung der Fachkräfte liegt. Die umfangreichen Beteiligungsregelungen der §§ 4 bis 7 KitaG sollten eine einseitige und unabgestimmte Durchsetzung von pädagogischen Konzepten ausschließen. Im Übrigen handelt es sich bei der angesprochenen „offenen Arbeit“ nicht um ein pädagogisches Handlungskonzept, sondern um ein Organisationsmodell wie z. B. „Altersmischung“ u. ä. Die Berücksichtigung der Maßgaben des § 22 a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist in verschiedenen Organisationsmodellen möglich und insgesamt notwendig. Frage 2: Wie können Eltern ihren Rechtsanspruch aus § 5 des SGB VIII, der sich auch aus § 6 Grundgesetz ableiten lässt, durchsetzen, sodass es eine Pluralität und Trägervielfalt hergestellt wird, wenn die Gemeinde das aus eigenem Antrieb heraus nicht tut? Zu Frage 2: Das Wunsch- und Wahlrecht sichert für die Eltern die Möglichkeit, zwischen bestehenden Angeboten zu wählen. Verpflichtungen nach § 5 SGB VIII richten sich gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Landkreise und kreisfreie Städte). Er hat diese im Einzelfall bei der Entscheidung über Wünsche und Wahlen der Eltern zu beachten sowie bei seiner Bedarfsplanung gem. § 12 Abs. 3 KitaG. Im Rahmen der Bedarfsplanung weist der örtliche Träger die Einrichtungen aus, die zur Erfüllung der Rechtsansprüche erforderlich sind. Die Verpflichtung, verschiedene Formen der Selbsthilfe zu stärken, wie sie § 4 Abs. 3 SGB VIII ausspricht, richtet sich nur gegen die öffentliche Jugendhilfe und lässt es deshalb der Gemeinde frei, eigene Angebote vorzusehen oder diese freien Trägern zu überlassen. Frage 3: Welche Aufsichtsbehörde können die Eltern einschalten und kontaktieren, um gegenüber einer Gemeinde ihre Rechte auf Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII in Verbindung mit § 22 a Kita-Gesetz durchzusetzen? Frage 4: Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die zuständige Aufsichtsbehörde der Öffentlichen Jugendhilfe? Welche Stelle ist das überhaupt (Landesjugendamt, Ministerium )? Zu den Fragen 3 und 4: Wie bereits zu Frage 2 ausgeführt wurde, richtet sich das Wunsch- und Wahlrecht gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und nicht gegen die Gemeinde. Eine Fachaufsicht, die der Gemeinde Vorgaben machen könnte, in welcher Art sie ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge und der Beteiligung an der Kindertagesbetreuung erfüllt, besteht nicht. Hier gelten die Regeln der Kommunalaufsicht . Die Eltern können ihren Wunsch beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorbringen. Dieser wird die Wünsche im Rahmen der Bedarfsplanung berücksichtigen und, falls ein freier Träger ein entsprechendes Angebot unterbreitet, ggf. diese Einrichtung als erforderlich in die Bedarfsplanung aufnehmen. Ist eine Einrichtung gem. § 12 Abs. 3 Satz 2 KitaG erforderlich, dann hat sie einen Anspruch auf Finanzierung gegen die Standortgemeinde gem. § 16 Abs. 3 KitaG. Nach § 9 AGKJHG obliegt die Rechtsaufsicht über die örtlichen Träger der Jugendhilfe der obersten Landesjugendbehörde.