Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2396 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 829 des Abgeordneten Christoph Schulze BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/1953 KITA VI - Interpretation, Realität und Wortlaut des Kita-Gesetzes im Land Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage 829 vom 06.07.2015: Nach § 5 SGB VIII ist den Eltern verbrieft, Zitat: “Leistungsberechtigten (die Eltern) haben das Recht, zwischen Einrichtung und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Sie sind auf dieses Recht hinzuweisen. Der Wahl und den Wünschen (der Eltern) soll entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist.“ Der entsprechende Paragraph, der sich Wunsch- und Wahlrecht nennt, impliziert, so wie auch Artikel 6 Grundgesetz, dass zu aller erst die Eltern darüber entscheiden, in welcher Einrichtung ihre Kinder untergebracht werden und nach welchem pädagogischen Konzepten und in welchen Rahmenbedingungen ihre Kinder aufwachsen und letztendlich auch durch „staatliche“ oder „kommunalen“ Einrichtungen sie „miterzogen“ werden. Grundsätzlich ist das Erziehungsrecht ein Recht, das nur den Eltern zusteht. Mit der Unterbringung der Kinder in einer entsprechenden Kindereinrichtung für einen Zeitraum zwischen 0 und 8 Stunden am Tag wird dieses Erziehungsrecht partiell auf eine staatliche Einrichtung delegiert, denn allein die Tatsache, dass Kinder über einen so großen Zeitraum des Tages unter dem Einfluss anderer Personen stehen, hat zweifellos Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. Dies ist keine Vermutung, sondern schlicht eine Tatsache, die jeder, der Kinder jemals in einer Erziehungseinrichtung hatte, selbst kennt. Eltern bringen ihre Kinder ja nicht aus Jux und Spaß in eine Kita oder in eine Tagespflegeeinrichtung, sondern geschuldet der Tatsache, dass sie aus dem Grunde der Erwerbstätigkeit gezwungen sind, ihre Kinder unterzubringen, weil sie sie ja logischerweise nicht mit auf die Arbeitsstätte nehmen können. Aus diesem Grunde muss es auch in der Entscheidungshoheit der Eltern liegen und das ist sicherlich auch der Sinn und Zweck des § 5 „Wunsch- und Wahlrecht“, dass Eltern entscheiden, wo ihre Kinder, wie untergebracht sind und wer auf ihre Kinder wie, mit welchen pädagogischen Konzepten und mit welchen Anschauungen auch immer, auf sie, ihre Entwicklung, ihre Ethik und Moralvorstellungen einwirkt. Es kann im Grunde genommen ja nicht Sinn und Zweck sein, dass Eltern kommunal gezwungen werden, ihre Kinder in Einrichtungen unterzubringen, die ihren persönlichen, ethischen, moralischen, rechtlichen oder glaubensmäßigen Vorstellungen diametral entgegenstehen. Die Frage ist, ob Eltern im Großen und Ganzen gegenüber staatlichen oder kommunalen Stellen begründen müssen, warum sie abweichende Auffassungen oder Meinungen haben oder ob es grundsätzlich erst einmal das Recht der Eltern ist, vom Staat unbehelligt ihre Entscheidung auf die Erziehung der Kinder zu treffen, in welche Kita oder zu welcher Tagespflege sie ihre Kinder bringen. Aus diesem Grunde frage ich die Landesregierung: 1) Ob sich das Wunsch- und Wahlrecht von Eltern auch auf das pädagogische Konzept einer Kinderbetreuungseinrichtung bezieht und erstreckt? Und ob Eltern von der Jugendhilfe oder kommunalen Trägern von Kita-Einrichtungen gezwungen werden können, ihre Kinder in einer Einrichtung unterzubringen, die ihren Vorstellungen nicht entspricht? 2) Müssen Eltern dies begründen? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage müssen sie ihre ethischen, moralischen, rechtlichen und Glaubensvorstellungen gegenüber Kommunen und Trägern von öffentlichen Einrichtungen begründen und darlegen? 3) Paragraph 5, Absatz 2 SGB VIII besagt, dass der Wahl und den Wünschen der Eltern entsprochen werden soll, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Daher stellt sich die Frage, was sind unverhältnismäßige Mehrkosten? Ist die Unterbringung von Kindern bei Tagespflegemüttern als unverhältnismäßige Mehrkosten zu definieren? Wer definiert überhaupt unverhältnismäßige Mehrkosten? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Ob sich das Wunsch- und Wahlrecht von Eltern auch auf das pädagogische Konzept einer Kinderbetreuungseinrichtung bezieht und erstreckt? Und ob Eltern von der Jugendhilfe oder kommunalen Trägern von Kita-Einrichtungen gezwungen werden können, ihre Kinder in einer Einrichtung unterzubringen, die ihren Vorstellungen nicht entspricht? Zu Frage 1: Das Wunsch- und Wahlrecht bezieht sich auch auf die pädagogische Konzeption und die Gestaltung der pädagogischen Arbeit. Hierin liegt ihr Kern, wie die Regelung selbst, ihre Entstehung und die Fachliteratur einhellig zum Ausdruck bringen. Es bestehen keinerlei Möglichkeiten der Jugendämter oder kommunalen Träger von Kindertageseinrichtungen, personensorgeberechtigte Eltern zu zwingen, ihr Kind in einer Einrichtung unterzubringen, die ihren Vorstellungen nicht entspricht. Die Vermittlung von Plätzen in Kindertagesbetreuung stellt keinen Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern dar (Eltern werden nicht zu einer bestimmten Betreuung gezwungen), sondern ist im Kern nur eine Entscheidung, welche Leistung die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe finanzieren will. Insofern ist die Wahlfreiheit folgerichtig mit dem Vorbehalt verbunden, dass ihre Ausübung nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Frage 2: Müssen Eltern dies begründen? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage müssen sie ihre ethischen, moralischen, rechtlichen und Glaubensvorstellungen gegenüber Kommunen und Trägern von öffentlichen Einrichtungen begründen und darlegen? Zu Frage 2: Die Frage wird dahingehend verstanden, ob der Wunsch der Eltern nach einer bestimmten Einrichtung zu begründen ist. Nicht der Wunsch der Eltern nach Aufnahme in eine Kindertagesstätte ist zu begründen, sondern eine ggf. abweichende Finanzierungsentscheidung der öffentlichen Jugendhilfe. Bei einer entsprechenden Güterabwägung kämen unverhältnismäßige Mehrkosten in Betracht. Frage 3: Paragraph 5, Absatz 2 SGB VIII besagt, dass der Wahl und den Wünschen der Eltern entsprochen werden soll, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Daher stellt sich die Frage, was sind unverhältnismäßige Mehrkosten? Ist die Unterbringung von Kindern bei Tagespflegemüttern als unverhältnismäßige Mehrkosten zu definieren? Wer definiert überhaupt unverhältnismäßige Mehrkosten? Zu Frage 3: Da die Kosten für einen Kindertagespflegeplatz im Regelfall geringer sind als für einen Platz in einer Kindertageseinrichtung, kann die Ablehnung eines Wunsches zur Betreuung in einer Kindertagespflegestelle in der Regel nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten begründet werden. Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe (oder die Gemeinde, wenn sie die Aufgabe übernommen hat) muss den unbestimmten Rechtsbegriff der unverhältnismäßigen Mehrkosten auslegen. Wie allgemein bei Verwaltungsentscheidungen können Widerspruch und ggf. Klage beim Verwaltungsgericht einlegt werden. Die Landesregierung erteilt keine Vorgaben zur Auslegung.