Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2397 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 830 des Abgeordneten Christoph Schulze BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/1954 KITA VII - Verständnis Wortlaut und Umsetzung des Kita-Gesetzes im Land Brandenburg I Wortlaut der Kleinen Anfrage 830 vom 06.07.2015: Nach SGB VIII, § 24, Absatz 3 hat jedes Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat bis zum Schuleintritt den Anspruch auf Förderung einer Tageseinrichtung. Das Gesetz formuliert an dieser Stelle nicht, ob eine Tageseinrichtung eine originäre Kita einer Gemeinde, eines freien Trägers oder eine Tagespflegeeinrichtung, auch umgangssprachlich „Tagesmutter“ genannt, ist. Weiter lautet es in § 24, Absatz 3, Satz 2 im SGB VIII: „Die Träger der Öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppen, d.h. der Kinder vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr , ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht.“ Weiterhin sagt der gleiche Paragraph: „Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.“ Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Versorgung von Kindern im Alter vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr erst einmal in Kindertagesstätten („Kitas“ genannt) erfolgen soll, aber dass aus besonderen Gründen oder bei besonderem Bedarf auch ergänzend der Rechtsanspruch von Eltern darauf besteht, ihre Kinder in Tagespflege (sogenannte „Tagesmütter “) unterzubringen und fördern zu lassen. Nunmehr entbrannte im Land Brandenburg an verschiedenen Stellen der Streit zwischen Landkreisen, als Träger der Öffentlichen Jugendhilfe, den Kommunen und auf der anderen Seite den Tagesmüttern und den Eltern die Diskussion und der Streit, wer nun festlegen kann, wo ein Kind untergebracht wird. Es gibt zahlreiche beschriebene Fälle, in denen Eltern wünschen , dass ihre Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, nicht in einer Kindertagesstätte untergebracht werden, sondern bei einer Tagesmutter, weil es dafür aus Sicht der Eltern hinreichende schwere Gründe gibt. Immerhin gibt es noch das Elternwahlrecht. Die Eltern sollen entscheiden können, so jedenfalls ist der Grundtenor des Kita-Gesetzes und auch der Landesverfassung des Landes Brandenburg , wo ihre Kinder betreut werden. Nunmehr maßen sich aber Träger der Öffentlichen Jugendhilfe und auch Gemeinden, die Träger von Kitas sind, an, Eltern vorzuschreiben, dass sie ihre Kinder in eine ganz bestimmte Kita zu bringen haben, auch wenn diese Kita nach Einschätzung von Eltern, aber auch von Ärzten für die Unterbringung und Betreuung dieses Kindes nicht geeignet sind. Daraus ergeben sich eine ganze Reihe von Fragen: Aus diesem Grund frage ich die Landesregierung: 1) Gibt es grundsätzlich im Land Brandenburg, basierend auf der Landesverfassung und dem Kita-Gesetz, das Recht von Eltern, festzulegen, in welcher Pflegeeinrichtung sie ihr Kind in Form von Ganztagsversorgung, d.h. Kita oder Tagespflege , untergebracht wird? 2) Wenn es dieses Recht der Eltern nicht gibt zu entscheiden, ihr Kind in Kita oder Tagespflege ihrer Wahl unterzubringen (sofern dies Angebot real existiert), auf welcher Rechtsgrundlage basiert diese Verweigerung des Elternwahlrechts und der Letztentscheidung der Eltern, durch die Kita-Träger bzw. die Träger der öffentlichen Jugendhilfe? 3) Läuft es, wenn es ein Elternwahlrecht nicht gibt, darauf hinaus, dass die Eltern entgegen ihren Willen und Glauben dann gezwungen werden, ihre Kinder in einer Einrichtung unterzubringen, die sie für ungeeignet halten? 4) Wäre eine derartige Position mit der Landesverfassung und Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz , Zitat: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und sie zu fördern ihnen obliegende Pflicht.“ vereinbar, wenn Eltern der Ort der Kinderbetreuung quasi aufgezwungen wird? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Gibt es grundsätzlich im Land Brandenburg, basierend auf der Landesverfassung und dem Kita-Gesetz, das Recht von Eltern, festzulegen, in welcher Pflegeeinrichtung sie ihr Kind in Form von Ganztagsversorgung, d.h. Kita oder Tagespflege , untergebracht wird? Frage 2: Wenn es dieses Recht der Eltern nicht gibt zu entscheiden, ihr Kind in Kita oder Tagespflege ihrer Wahl unterzubringen (sofern dies Angebot real existiert), auf welcher Rechtsgrundlage basiert diese Verweigerung des Elternwahlrechts und der Letztentscheidung der Eltern, durch die Kita-Träger bzw. die Träger der öffentlichen Jugendhilfe? Frage 3: Läuft es, wenn es ein Elternwahlrecht nicht gibt, darauf hinaus, dass die Eltern entgegen ihren Willen und Glauben dann gezwungen werden, ihre Kinder in einer Einrichtung unterzubringen, die sie für ungeeignet halten? Frage 4: Wäre eine derartige Position mit der Landesverfassung und Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz, Zitat: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und sie zu fördern ihnen obliegende Pflicht.“ vereinbar, wenn Eltern der Ort der Kinderbetreuung quasi aufgezwungen wird? Zu den Fragen 1 bis 4: In der Antwort auf die Kleine Anfrage 829 (Drucksache 6/1953) des Fragestellers ist die Landesregierung bereits ausführlich auf die Reichweite des Wunsch- und Wahlrechts eingegangen, sodass hier nur auf die Wahl zwischen der Betreuung in Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen eingegangen wird. Bis zum vollendeten dritten Lebensjahr und für Kinder im Grundschulalter kann der Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung auch durch andere Angebote (z. B. Kindertagespflege) erfüllt werden. Es ist festzuhalten, dass Inhaber des Rechtsanspruchs das Kind ist und nicht die sorgeberechtigten Eltern. Die Eltern machen für ihr Kind diesen Anspruch geltend und keine eigenen Ansprüche. Deshalb sollen „Art und Umfang der Erfüllung des Anspruchs (...) dem Bedarf des Kindes entsprechen“ (so § 1 Abs. 4 Satz 1 KitaG). Kinder im Kindergartenalter haben einen Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte. Die Einleitung des Fragestellers zielt auf eine Konstellation ab, bei der die Eltern von Kindern, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, die Weiterbetreuung in Kindertagespflege wünschen. Nach dem KitaG stellt die Betreuung in Kindertagesstätten den Regelfall dar (§ 1 Abs. 1 KitaG); insofern besteht auch der Anspruch auf einen Kitaplatz. Anspruchserfüllend ist für Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr und für Grundschulkinder nach § 1 Abs. 4 KitaG u. a. auch die Kindertagespflege. Wenn Eltern die Weiterbetreuung in Kindertagespflege nach Vollendung des dritten Lebensjahrs wünschen, wäre zu prüfen, ob dieses Angebot für das Kind als geeignet anzusehen ist, denn nur geeignete Angebote darf die öffentliche Jugendhilfe finanzieren. Hierbei ist die ggf. besondere Situation des Kindes, die Konstellation in der Tagespflegestelle (insbes. das Alter der dort betreuten Kinder, die Qualifikation der Tagespflegeperson) zu beachten. Kommt das Jugendamt aufgrund dieser Prüfung zu der Einschätzung, dass die konkrete Tagespflegestelle die Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung des konkreten Kindes gewährleistet, dann spricht nichts gegen eine Weiterbetreuung. Kommt es zur Auffassung, dass durch diese Art von Angebot nicht dem Bedarf des Kindes entsprochen wird (so § 1 Abs. 4 Satz 1 KitaG) handelt es sich bei der gewünschten Betreuung nicht um ein geeignetes Angebot zur Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung des Kindes. Damit greift das Jugendamt nicht in das Erziehungsrecht der Eltern ein, die – sofern nicht das Wohl des Kindes gefährdet ist – in der Wahl der Betreuungsart frei sind. Allerdings trifft es eine fachlich zu begründende Entscheidung für die Gewährung und damit über die Finanzierung einer Leistung der öffentlichen Jugendhilfe , die geeignet sein muss und die Aufgaben nach § 22 ff. SGB VIII und des KitaG erfüllt. Die Ausübung von Zwang, ein Kind in einer bestimmten Einrichtung gegen den Willen der sorgeberechtigten Eltern unterzubringen, ist nicht zulässig. Es besteht aber nicht für jeden Betreuungswunsch eine Finanzierungsverpflichtung, etwa die Betreuung zu außergewöhnlichen Zeiten, um Freizeitwünsche zu realisieren.