Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2399 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 832 des Abgeordneten Christoph Schulze BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/1956 KITA IX - Verständnis Wortlaut und Umsetzung des Kita-Gesetzes in Brandenburg - III Wortlaut der Kleinen Anfrage 832 vom 06.07.2015: Das SGB VIII spricht unter anderem im § 24, Absatz 3 davon, dass die Träger der Öffentlichen Jugendhilfe darauf hinzuwirken haben, dass für die Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Daraus ergibt sich die Frage, was bedeutet der Begriff „bedarfsgerechtes Angebot“? Und es ergibt sich daraus ebenfalls die Frage, ob ein bedarfsgerechtes Angebot sichergestellt ist, wenn alle Kitas einer Gemeinde nach ausschließlich einem Konzept arbeiten und es keine Pluralität in den verschiedenen Konzepten gibt, d.h. in allen Kitas einer Gemeinde quasi unter dem Monopol der Gemeinde, die 90 % aller Kitaplätze über ihre eigenen Einrichtungen stellt, lediglich ein einziges Konzept verfolgt wird. Daraus ergibt sich die Frage, ob dieses Monopol und dieses Ausnutzen des Monopols mit einer „Einheitskonzeption“ als bedarfsgerecht angesehen werden kann oder ob der Gesetzgeber in der Frage der Pluralität, Trägervielfalt und des bedarfsgerechten Angebotes etwas anderes im Auge hat. Aus diesem Grunde frage ich die Landesregierung: 1) Wie ist der § 24, Absatz 3, Satz 2: „Die Träger der Öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht“ zu interpretieren? 2) Umfasst die Interpretation dieses Gesetzestextes auch die Tatsache, dass es verschiedene Angebote geben muss, damit Eltern entsprechend ihrer Neigung und den Wünschen ihrer Kinder auswählen können? 3) Implementiert dieser Gesetzestext auch, dass es bei Ganztagsplätzen auch ein Minimum an Tagespflegepersonen im Sinne von Tagesmüttern geben und vorgehalten werden muss, damit Eltern, die von dieser Konzeption, die ja in zentralen Punkten vom Kita-Konzept abweicht, nämlich dem eher familiären Charakter, Gebrauch machen wollen, vorhanden sein muss? 4) Schließt die Formulierung des bedarfsgerechten Angebotes im § 24, Absatz 3, Satz 2, SGB VIII ein, dass es eine Vielzahl an pädagogischen Konzepten geben muss? Wenn ja, wo ist dies definiert? 5) Haben Eltern ein Recht, auch ein einklagbares Recht, auf eine pädagogische Vielfalt oder müssen sich Eltern mit einem „Einheitskonzeption“ einer Gemeindekonzeption abfinden? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf inhaltlich sehr ähnliche Fragen in der Kleinen Anfrage 828 (Drucksache 6/1952) ausführlich geantwortet. Auf diese Antworten wird verwiesen. Frage 1: Wie ist der § 24, Absatz 3, Satz 2: „Die Träger der Öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht“ zu interpretieren? Zu Frage 1: Der Begriff „bedarfsgerecht“ bezieht sich nach der Entstehungsgeschichte der Regelung in erster Linie auf eine quantitative Deckung des Bedarfs. Gemeinden können aber auch eine qualitative Dimension berücksichtigen. "Bedarfsgerecht" ist, soweit es Leistungspflichten und durchsetzbare Ansprüche anbelangt, im Ergebnis mit "rechtsanspruchsgerecht" gleichzusetzen. Frage 2: Umfasst die Interpretation dieses Gesetzestextes auch die Tatsache, dass es verschiedene Angebote geben muss, damit Eltern entsprechend ihrer Neigung und den Wünschen ihrer Kinder auswählen können? Frage 3: Implementiert dieser Gesetzestext auch, dass es bei Ganztagsplätzen auch ein Minimum an Tagespflegepersonen im Sinne von Tagesmüttern geben und vorgehalten werden muss, damit Eltern, die von dieser Konzeption, die ja in zentralen Punkten vom Kita-Konzept abweicht, nämlich dem eher familiären Charakter, Gebrauch machen wollen, vorhanden sein muss? Zu den Fragen 2 und 3: Sowohl SGB VIII als auch KitaG gehen von einem pluralen Angebot aus, damit eine Auswahl möglich ist. Dabei versteht es sich von selbst, dass der Pluralität durch die Wirklichkeit Grenzen gesetzt sind. Angesichts der Vielzahl möglicher und sinnvoller Konzepte und Organisationsformen und der zurückgehenden Zahl von Kindern außerhalb des engeren Verflechtungsraumes lässt sich eine Vielfalt nur unter den gegebenen Bedingungen realisieren. Aus diesem Grund hat der Landesgesetzgeber in § 14 Abs. 2 Satz 2 KitaG den Träger zu einer „inneren Pluralität“ verpflichtet: „Er hat bei Bedarf seine Einrichtung für alle Kinder unabhängig von ihrem religiösen und weltanschaulichen Hintergrund zu öffnen, insbesondere dann, wenn nur eine Einrichtung in erreichbarer Nähe ist.“ Sowohl SGB VIII als auch das KitaG bestimmen also nicht, welche Art Plätze es geben muss, sondern verpflichten den örtlichen Träger bei seiner Bedarfsplanung „… die Realisierung des Förderauftrages gemäß § 3 dieses Gesetzes sowie der §§ 22 und 22a des Achten Buches Sozialgesetzbuch, die Erreichbarkeit, die tatsächliche Inanspruchnahme und das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten nach § 5 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zu beachten“ (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 3 KitaG). Eine gesetzlich definierte Vielfalt (insbes. hinsichtlich der Platzart, der Konzeption, der weltanschaulichen Ausrichtung und der Organisationsform) würde die Realisierbarkeit aufgrund der örtlichen Gegebenheiten außer Acht lassen. Diese Fragen sind von dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu diskutieren und zu entscheiden. Frage 4: Schließt die Formulierung des bedarfsgerechten Angebotes im § 24, Absatz 3, Satz 2, SGB VIII ein, dass es eine Vielzahl an pädagogischen Konzepten geben muss? Wenn ja, wo ist dies definiert? Zu Frage 4: Die Regelung in § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zielt auf die Herstellung einer bedarfsgerechten Anzahl von Ganztagsplätzen und hat die Betreuungssituation in den westlichen Bundesländern zum Hintergrund. Die im Land Brandenburg angebotenen und in Anspruch genommenen Betreuungsumfänge erfüllen die Maßgabe des § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII. Frage 5: Haben Eltern ein Recht, auch ein einklagbares Recht, auf eine pädagogische Vielfalt oder müssen sich Eltern mit einem „Einheitskonzeption“ einer Gemeindekonzeption abfinden? Zu Frage 5: Auf diese Frage wurde bereits in den Antworten auf die Kleinen Anfragen 828 (Drucksache 6/1952) und 829 (Drucksache 6/1953) des Fragestellers ausführlich eingegangen.