Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2423 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 963 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/2236 Diabetes in Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 963 vom 05.08.2015: Diabetes mellitus ist die häufigste Erkrankung des Stoffwechsels. Aktuelle Daten der AOK Nordost zeigen, dass von deren Brandenburger Versicherten 13% an einer der beiden Hauptformen des Diabetes (Typ 1 vs. Typ 2) erkrankt sind. Der bundesweite Anteil Erkrankter wird auf 8% geschätzt. Dabei ist der überwiegende Teil der PatientInnen , darunter immer häufiger Kinder und Jugendliche, von einem Typ 2 Diabetes betroffen. Diese Erkrankung wird insbesondere durch Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung verursacht. Das Robert-Koch-Institut hat zudem einen Zusammenhang zum sozioökonomischen Status der PatientInnen festgestellt. Je ärmer ein Mensch ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Diabetes-Hilfe zieht hierzu folgenden Vergleich: Diabetes hat im bessergestellten Hamburg Blankenese eine Auftretenshäufigkeit von 4,3 Prozent, in Bad Belzig dagegen von 13,5 Prozent. Insbesondere weisen Kinder aus sozial benachteiligten Familien ein Ernährungs- und Bewegungsverhalten auf, dass die Entstehung eines Typ 2 Diabetes fördert. Die Auswirkungen der Erkrankung können gravierend sein: Typische Folgeschäden sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Nervensystems und/oder Nierenerkrankungen. Zunehmend mehr Menschen in Brandenburg müssen aufgrund eines Typ 2 Diabetes im Krankenhaus behandelt werden1. Allerdings sind Therapie und Schwere der Folgeerkrankungen abhängig von der Ausprägung der Erkrankung. Bei einer frühen Diagnosestellung reicht oft eine Änderung des Lebensstils zur Normalisierung des Stoffwechsels aus. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hat sich die Prävalenz des Diabetes mellitus in Brandenburg in den letzten zehn Jahren entwickelt? Bitte aufschlüsseln nach: a) Typ 1 und Typ 2 Diabetes, b) Altersgruppen, c) Geschlecht, d) regionalen Unterschieden, e) sozioökonomischen Merkmalen/Sozialstatus. 2. Wie haben sich die Risikofaktoren zur Entwicklung eines Typ 2 Diabetes in den verschiedenen Altersgruppen in den letzten zehn Jahren entwickelt, bezogen auf: f) Übergewicht/Adipositas, g) Bewegungsmangel. 3. Gibt es weitere Risikofaktoren, die von der Landesregierung für die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes identifiziert werden? Wenn ja, welche? 4. Die Landesregierung hat die Bekämpfung von Kinderarmut priorisiert. Verfügt die Landesregierung über Strategien zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum lässt sie dieses Thema im Rahmen der Armutsbekämpfung außen vor? 5. Welche Gründe sieht die Landesregierung für die deutlich erhöhte Prävalenzrate des Typ 2 Diabetes in Brandenburg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt? Gibt es Unterschiede zu der Gesundheitspolitik anderer Bundesländer, in denen die Prävalenzrate des Typ 2 Diabetes geringer ist? 6. Plant die Landesregierung auf relevante Akteure aus der Gesundheitshilfe und den Alltagswelten einzuwirken, um beispielsweise eine verbesserte Risikowahrnehmung in der Bevölkerung zu schaffen oder zur Unterstützung einer Lebensstiländerung ? a) Wenn ja, mit welchen? b) Wenn nein, warum nicht? 7. Welche Meinung vertritt die Landesregierung hinsichtlich der Implementierung einer Nationalen Diabetesstrategie? Wird sie sich auf Bundesebene für dieses Ziel einsetzen? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hat sich die Prävalenz des Diabetes mellitus in Brandenburg in den letzten zehn Jahren entwickelt? Bitte aufschlüsseln nach: a) Typ 1 und Typ 2 Diabetes, b) Altersgruppen, c) Geschlecht, d) regionalen Unterschieden, e) sozioökonomischen Merkmalen/Sozialstatus. zu Frage 1: Die erfragten Daten existieren nicht, deshalb können keine Aussagen getroffen werden. Frage 2: Wie haben sich die Risikofaktoren zur Entwicklung eines Typ 2 Diabetes in den verschiedenen Altersgruppen in den letzten zehn Jahren entwickelt, bezogen auf: f) Übergewicht/Adipositas, g) Bewegungsmangel. Zu Frage 2: Hierzu können lediglich für Kinder und Jugendliche im Rahmen der Schuleingangs- und Schulausgangsuntersuchungen (10. Jahrgangsstufe) im Land Brandenburg sowie nur zum sekundären Risikofaktor Adipositas Einschätzungen vorgenommen werden. Daten liefert die Gesundheitsplattform des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz unter www.gesundheitsplattform.brandenburg.de. Zu anderen Altersgruppen und zum Ri- sikofaktor Bewegungsmangel liegen keine Erkenntnisse vor. Der Anteil der Einschülerinnen und Einschüler mit einer Adipositas hat seit 2004 im Trend abgenommen: von 2004 bis 2014 bei Mädchen von 5,2 % auf 3,9 % und bei Jungen von 4,2 % auf 3,1 % (Datenquelle: Einschulungsuntersuchung). Bei Jugendlichen ist hingegen ein zunehmender Trend zu verzeichnen. Von 2005 bis 2014 bei Mädchen von 7,0 % auf 8,5 % und bei Jungen von 7,1 % auf 9,9 % (Datenquelle: Untersuchung der Zehntklässler /-innen bzw. Schulabgänger/-innen). Ein Bewegungsmangel wird bei den kinder - und jugendärztlichen Untersuchungen nicht erfasst, sondern nur der medizinische Befund einer Bewegungsstörung. Frage 3: Gibt es weitere Risikofaktoren, die von der Landesregierung für die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes identifiziert werden? Wenn ja, welche? zu Frage 3: Bewegungsmangel und Fehlernährung sind sekundäre Risikofaktoren. Als primärer Risikofaktor ist die genetische Disposition zu sehen. Frage 4: Die Landesregierung hat die Bekämpfung von Kinderarmut priorisiert. Verfügt die Landesregierung über Strategien zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum lässt sie dieses Thema im Rahmen der Armutsbekämpfung außen vor? zu Frage 4: Strategien und Maßnahmen zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen sind seit vielen Jahren im Land Brandenburg etabliert. Insbesondere wird auf das im Jahre 2004 gegründete Bündnis Gesund Aufwachsen (www.buendnis-gesund-aufwachsen.de) und auf die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (www.gesundheitliche-chancengleichheit.de) verwiesen. Gesundheitliche Chancengleichheit in Brandenburg verbessern und die Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten unterstützen, das sind sowohl Leitziele des landesweiten Bündnisses Gesund Aufwachsen als auch der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit. Schwerpunkte sind beispielsweise die Gesundheitsförderung bei von Armut betroffenen Kindern und Jugendlichen sowie die Realisierung kommunaler Partnerprozesse "Gesund aufwachsen für alle!" (www. inforo-online.de). Das Thema „Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen“ ist im Rahmen der Armutsbekämpfung verankert. Frage 5: Welche Gründe sieht die Landesregierung für die deutlich erhöhte Prävalenzrate des Typ 2 Diabetes in Brandenburg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ? Gibt es Unterschiede zu der Gesundheitspolitik anderer Bundesländer, in denen die Prävalenzrate des Typ 2 Diabetes geringer ist? zu Frage 5: Eine gesicherte Datenlage gibt es nicht. Deshalb kann nicht eingeschätzt werden, ob und gegebenenfalls weshalb die Prävalenz in Brandenburg höher ist als im Bundesdurchschnitt. Hierfür maßgebliche Unterschiede in der Gesundheitspolitik werden nicht gesehen. Frage 6: Plant die Landesregierung auf relevante Akteure aus der Gesundheitshilfe und den Alltagswelten einzuwirken, um beispielsweise eine verbesserte Risikowahrnehmung in der Bevölkerung zu schaffen oder zur Unterstützung einer Lebensstiländerung ? a) Wenn ja, mit welchen? b) Wenn nein, warum nicht? zu Frage 6: Es wird auf die vielfältigen Maßnahmen im Rahmen des Bündnisses Gesund Aufwachsen, insbesondere der Arbeitsgruppen „Bewegung, Ernährung und Stressbewältigung“ sowie „Frühe Hilfen und Pädiatrische Versorgung“ hingewiesen. Ebenso beschäftigt sich das Bündnis Gesund Älter werden im Land Brandenburg (www.buendnis-gesund-aelter-werden.de) mit Themen einer verbesserten Risikowahrnehmung in der Bevölkerung und Unterstützung einer Lebensstiländerung. Frage 7: Welche Meinung vertritt die Landesregierung hinsichtlich der Implementierung einer Nationalen Diabetesstrategie? Wird sie sich auf Bundesebene für dieses Ziel einsetzen? zu Frage 7: Die Implementierung einer nationalen Strategie wird unterstützt. Brandenburg ist in die Prozesse auf Bundesebene eingebunden.