Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2478 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 987 des Abgeordneten Péter Vida der BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/2302 Umgang der Kommunalaufsicht mit rechtswidrigen Beschlüssen; Rolle des Landrates als allgemeine untere Landesbehörde Wortlaut der Kleinen Anfrage 987 vom 13.08.2015: Die Stadtverordnetenversammlung Altlandsberg hat für das Projekt „Schlossgut“ Investitionen in Millionenhöhe beschlossen. Entgegen § 46 BbgKVerf wurde der Ortsbeirat nicht beteiligt. Ein Stadtverordneter rügte dies unverzüglich nach Beschlussfassung bei der Kommunalaufsicht des Landkreises Märkisch-Oderland. Erst 4,5 Monate später reagierte die Kommunalaufsicht. In ihrem Antwortschreiben wurden irritierende Ausführungen hinsichtlich der Bindung an Recht und Gesetz und der Verpflichtung zur Durchsetzung von Landesrecht gemacht. So schreibt der Landrat in seinem Schreiben vom 30.07.2015 wörtlich: "Vorausschicken möchte ich, dass die Kommunalaufsicht ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig wird. Es liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, ob und mit welchen Mitteln sie auf rechtswidriges Handeln von Gemeinden reagiert. Insbesondere wird sie in der Regel nicht tätig, wenn Mitglieder von Gemeindevertretungen selbst die Mittel und Möglichkeiten haben, unmittelbaren Einfluss auf das Handeln der Vertretungen auszuüben. Die Kommunalaufsicht wird sich von einzelnen Vertretern nicht instrumentalisieren lassen, deren Ziele durchzusetzen, auch nicht unter dem Deckmantel, für ein rechtskonformes Handeln eintreten zu wollen . Da Sie selbst als Bewerber für die Wahl des Bürgermeisters angetreten sind, war es angebracht, die Beantwortung Ihrer E-Mail vom 23.03.2015 bis nach der Wahl auszusetzen, zumal nach erster Prüfung eine Beanstandung der von Ihnen genannten Beschlüsse ohnehin nicht in Frage kam." (Hervorhebungen durch mich.) Weiterhin wird argumentiert, dass laut Kommunalverfassung nicht klar sei, was eine Planung von Investitionsvorhaben genau sei, ob also der Ortsbeirat beteiligt werden müsse. Weiter heißt es: "Ungeachtet der Frage, ob im Falle der o.g. Beschlüsse das Anhörungsrecht des Ortsbeirates Altlandsberg verletzt wurde, verbietet sich eine Beanstandung dieser Beschlüsse schon deshalb, weil sie bereits durchgeführt wurden und somit Außenwirkung erlangt haben." Bemerkenswert hierbei ist, dass das 4,5-monatige Zuwarten der Kommunalaufsicht genau der Zeitraum ist, dessen Verstreichen erst dazu führte, dass der Beschluss durchgeführt wurde, was nunmehr als Grund dafür genutzt wird, um sich einer Prüfung der Notwendigkeit kommunalaufsichtsrechtlichen Einschreitens zu entledigen. Ich frage daher die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung des Landrates von Märkisch-Oderland, wonach das Einfordern der Beachtung von Landesrecht (hier BbgKVerf) eine Instrumentalisierung der Kommunalaufsicht darstellt? 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung des Landrates von Märkisch-Oderland, dass es der Kommunalaufsicht freigestellt ist, ob sie bei gerügten Rechtsverstößen aktiv wird? 3. Welchen Zusammenhang sieht die Landesregierung zwischen der Beantwortung einer Beschwerde über die Verletzung von Landesrecht und der Kandidatur des Beschwerdeführers fürs Amt des Bürgermeisters? 4. Teilt die Landesregierung die Auffassung des Landrates von Märkisch-Oderland, dass die Kommunalaufsicht die Bearbeitung gerügter Rechtsverstöße mit der Begründung aufschieben darf, dass derjenige, der den Rechtsverstoß rügt, gerade für ein Amt kandidiert? 5. Ist es mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar, dass die Prüfung der Einhaltung von Landesrecht aufgeschoben wird, weil der Beschwerdeführer für ein vom Beschwerdegegenstand losgelöstes Amt kandidiert? 6. Ist es mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar, dass dieses sachwidrig begründete Aufschieben der Prüfung dann zu einem derartigen Zeitverzug führt, dass in der Zwischenzeit der beschwerdegegenständliche Beschluss durchgeführt wird, was sodann die Kommunalaufsicht als Grund nutzt, um unter Verweis auf die Durchführung eine Prüfung auch jetzt noch zu verweigern? 7. Hält die Landesregierung die zitierten Ausführungen des Landrates (insbesondere die fett hervorgehobenen) unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für tragbar ? Insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass er als allgemeine untere Landesbehörde tätig wird? 8. Wie definiert die Landesregierung eine „Planung von Investitionsvorhaben“ gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgKVerf? 9. Bei welchem der Beschlüsse 119/14-SVV, 141/14-SVV und 159/14-SVV der SVV Altlandsberg handelt es sich nach Auffassung der Landesregierung um eine „Planung von Investitionsvorhaben“? 10. Wann müssen die Ortsbeiträte bei der Planung von Investitionsvorhaben beteiligt werden? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Teilt die Landesregierung die Auffassung des Landrates von Märkisch-Oderland, wonach das Einfordern der Beachtung von Landesrecht (hier BbgKVerf) eine Instrumentalisierung der Kommunalaufsicht darstellt? zu Frage 1: Die Landesregierung kann hierzu keine Bewertung abgeben. Zuständige Kommunalaufsichtsbehörde für kreisangehörige Städte, Gemeinden und Ämter ist der Landrat als allgemeine untere Landesbehörde (§110 Abs. 1 BbgKVerf). Die Äußerung des Landrats bezog sich auf die konkrete Beschwerde des Stadtverordneten und dessen Motivationslage und damit auf konkrete Umstände des Einzelfalls, die den Landrat veranlasste, die Beantwortung an den Stadtverordneten bis nach der Bürgermeisterwahl zurückzustellen. Eine Prüfung der Beschwerde ist erfolgt. Der Landrat hat darauf hingewiesen, dass nach erster Prüfung eine Beanstandung der Beschlüsse nicht in Frage kam. Frage 2: Teilt die Landesregierung die Auffassung des Landrates von Märkisch-Oderland, dass es der Kommunalaufsicht freigestellt ist, ob sie bei gerügten Rechtsverstößen aktiv wird? zu Frage 2: Die Ausübung der Aufsicht unterliegt dem Opportunitätsprinzip (BVerfGE 6, 104; 8, 122). Der Aufsichts-behörde steht grundsätzlich ein Entschließungsermessen zu, ob sie gegen die Gemeinde einschreitet, dies ergibt sich bereits aus der Formulierung des § 113 Abs. 1 BbgKVerf „Die Kommunalaufsichtsbehörde kann rechtswidrige Beschlüsse und Maßnahmen der Gemeinde beanstanden.“ Die Aufsicht ist aus öffentlichem Interesse eingeräumt und daher nur im öffentlichen Interesse auszuüben. Neben einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften muss daher auch ein öffentliches Interesse an der Beseitigung des Rechtsverstoßes bejaht werden können, um mit kommunalaufsichtsrechtlichen Mitteln in die kommunale Selbstverwaltung der Städte, Gemeinden und Ämter einzugreifen. Frage 3: Welchen Zusammenhang sieht die Landesregierung zwischen der Beantwortung einer Beschwerde über die Verletzung von Landesrecht und der Kandidatur des Beschwerdeführers fürs Amt des Bürgermeisters? zu Frage 3: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Frage 4: Teilt die Landesregierung die Auffassung des Landrates von Märkisch-Oderland, dass die Kommunalaufsicht die Bearbeitung gerügter Rechtsverstöße mit der Begründung aufschieben darf, dass derjenige, der den Rechtsverstoß rügt, gerade für ein Amt kandidiert? zu Frage 4: Es wird auf die Beantwortung zu Frage 1 verwiesen. Eine Prüfung der Beschwerde ist erfolgt. Der Landrat hat darauf hingewiesen, dass nach erster Prüfung eine Beanstandung der Beschlüsse nicht in Frage kam. Frage 5: Ist es mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar, dass die Prüfung der Einhaltung von Landesrecht aufgeschoben wird, weil der Beschwerdeführer für ein vom Beschwerdegegenstand losgelöstes Amt kandidiert? zu Frage 5: Es wird auf die Beantwortung zu Frage 4 verwiesen. Frage 6: Ist es mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar, dass dieses sachwidrig begründete Aufschieben der Prüfung dann zu einem derartigen Zeitverzug führt, dass in der Zwischenzeit der Beschwerdegegenständliche Beschluss durchgeführt wird, was sodann die Kommunalaufsicht als Grund nutzt, um unter Verweis auf die Durchführung eine Prüfung auch jetzt noch zu verweigern? zu Frage 6: Der Stadtverordnete hatte sich mit Schreiben vom 13.07.2015 auch an das Ministerium des Innern und für Kommunales als oberste Kommunalaufsichtsbehörde gewandt und die vermeintliche Untätigkeit des Landrats gerügt. Zur Bearbeitung der Beschwerde legte der Landrat dem Ministerium des Innern und für Kommunales mit Schreiben vom 05.08.2015 eine umfangreiche Stellungnahme vor. Hieraus ergibt sich, dass bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Beschwerde des Stadtverordneten bei der unteren Kommunalaufsichtsbehörde in Umsetzung der genannten Beschlüsse durch den Bürgermeister der Stadt Altlandsberg Aufträge erteilt worden waren. Frage 7: Hält die Landesregierung die zitierten Ausführungen des Landrates (insbesondere die fett hervorgehobenen) unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für tragbar? Insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass er als allgemeine untere Landesbehörde tätig wird? zu Frage 7: Es wird auf die Beantwortung der Fragen 1 und 2 verwiesen. Frage 8: Wie definiert die Landesregierung eine „Planung von Investitionsvorhaben“ gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgKVerf? zu Frage 8: Nach der Kommentierung sind von der Regelung des § 46 Abs. 1 Nr. 1 nicht nur Investitionsvorhaben des Ortsteils oder zu ortsteilbezogenen Investitionsvorhaben, sondern zu allen Investitionsvorhaben umfasst, die in dem Ortsteil durchgeführt werden . Damit sind auch die Investitionsvorhaben erfasst, deren Bedeutung weit über den Ortsteil hinausgehen und auch solche Investitionsvorhaben, die erkennbar nicht der Nutzung der Bewohner des Ortsteils unterliegen. Der Gesetzgeber hat insoweit berücksichtigt, dass ein Investitionsvorhaben im Ortsteil an sich schon geeignet ist, Interessen des Ortsteils aufgrund baulicher oder sonstiger Auswirkungen zu berühren (Grünewald in Muth, Potsdamer Kommentar, 10.46 Rdnr. 3). Die Abgrenzung, wann eine Investition vorliegt, ist nach den gemeindehaushaltsrechtlichen Bestimmungen vorzunehmen. Eine Beschränkung auf Grundsatzfragen der Investitionsplanung sieht das Gesetz nicht vor. Auch erschöpft sich die Investitionsplanung keineswegs in der Bereitstellung finanzieller Mittel im Haushaltsplan oder in der Finanzplanung . Vielmehr besteht das Anhörungsrecht auch für die konkrete Planung der jeweiligen Investition, die häufig durch die Festlegung der Ausschreibungsunterlagen geschieht (Schumacher u. a, Praxis der Kommunalverwaltung, Rdnr. 3.1 zu § 46 BbgKVerf). Frage 9: Bei welchem der Beschlüsse 119/14-SVV, 141/14-SVV und 159/14-SVV der SVV Altlandsberg handelt es sich nach Auffassung der Landesregierung um eine „Planung von Investitionsvorhaben“? zu Frage 9: Die genannten Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung Altlandsberg umfassten die konkrete Umsetzung einer bereits erfolgten Planungsleistung und die Einstellung von Mitteln in den Haushalt bzw. die Beauftragung von Planungsleistungen zu Investitionsvorhaben. Nach Auffassung des Landrats könnten die genannten Beschlüsse ausgehend von der in der Kommentierung dargelegten weiten Auslegung des Begriffs Investitionsvorhaben und der Regelung des § 2 Nr. 22 der Kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung – KomHKV -, wonach Investitionen die Verwendung von Finanzmitteln für die Veränderung des Bestandes längerfristig dienender Güter sowie Grundstücken in Entwicklung umfassen, von der Regelung des § 46 Abs. 1 Nr. 1 BbgKVerf umfasst sein. Der Landrat hat jedoch in seiner Stellungnahme vom 05.08.2015 darauf hingewiesen , dass es sich bei dem Projekt „Schlossgut“ um eine Gesamtmaßnahme mit verschiedenen Bausteinen handelt, deren Realisierung sich über mehrere Jahre erstreckt . Vor der Entscheidung über die Durchführung des Gesamtprojektes gab es eine umfangreiche Diskussion in den Gremien, einschließlich im Ortsbeirat. Die einzelnen Bestandteile des Projektes sind dem Ortsbeirat bekannt, zumal der Ortsvorsteher gleichzeitig der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Altlandsberg ist und zwei weitere Stadtverordnete dem Ortsbeirat angehören. Nach Auffassung des Landrats lagen daher, auch weil die Beschlüsse zum Zeitpunkt der Beschwerde bereits umgesetzt waren, unter Berücksichtigung des Opportunitätsprinzips die Voraussetzungen für ein kommunalaufsichtsrechtliches Eingreifen nicht vor. Diese Auffassung wird hier geteilt. Der Landrat hat die Frage der Durchsetzung der Beteiligungsrechte der Ortsteilvertretungen im ersten Halbjahr 2015 schwerpunktmäßig zum Gegenstand von Beratungen der Städte und Gemeinden seines Landkreises gemacht. Frage 10: Wann müssen die Ortsbeiträte bei der Planung von Investitionsvorhaben beteiligt werden? zu Frage 10: § 46 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf bestimmt, dass die Anhörung des Ortsbeirats vor der Beschlussfassung der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses zu erfolgen hat. Nach Sinn und Zweck der Anhörung muss sie zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem noch die nicht nur theoretische Möglichkeit der Anpassung des Planentwurfes durch die Gemeindevertretung besteht.