Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2489 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1010 der Abgeordneten Isabelle Vandre der Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/2333 Substitutionstherapie opiatabhängiger Branderburger_innen Wortlaut der Kleinen Anfrage 1010 vom 14.08.2015: Seit dem 01.07.2002 ist jede Ärztin und jeder Arzt gem. §5a Abs. 2 der Betäubungsmittel -Verschreibungsverordnung (folgend BtMVV) dazu verpflichtet Patient_innen, die bei ihnen Substitute erhalten bei der Bundesopiumstelle zu melden. Der § 5a Abs. 2 des BtMVV besagt ebenso, dass die Verschreibung von Subsitutionsmitteln nur erfolgen darf, wenn und solange: „die Behandlung erforderliche psychiatrische, psychotherapeutische oder psychosoziale Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen einbezieht“ (aus: http://www.gesetze-iminternet .de/btmvv_1998/BJNR008000998.html). Die psychosoziale Behandlungsmaßnahme wird in der Regel durch Suchtberatungsstellen als PSB durchgeführt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (folgend BfArM) gibt jährlich den Bericht zum Substitutionsregister heraus (vgl. http://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/SubstitReg/ Subst_Bericht/_node.html). Im Januar 2015 veröffentlichte das BfArM die Zahlen für das vorangegangene Jahr. Hiernach wurden 2014 bundesweit insgesamt 77.500 Patient_innen, in Folge ihrer Abhängigkeitserkrankung substituiert. Für das Land Brandenburg meldete das BfArM lediglich 95 Personen. Brandenburg hat somit die mit Abstand geringste Zahl an substituierten Patient_innen. Auf 100.000 Einwohner_innen kommen 4 substituierte Patient_innen. Im Land Berlin sind es bspw. 150 substituierte Patient_innen auf 100.000 Einwohner_innen. Das Land Brandenburg hat nicht nur die geringste Zahl an Patient_innen, sondern auch an gemeldeten substituierenden Ärztinnen und Ärzten . 2014 wurden nur 17 Ärztinnen und Ärzte aufgeführt, die substituieren dürfen. Im Bundesland Berlin sind es 135. Ich frage die Landesregierung daher: 1. Von wie vielen opiatabhängigen Menschen wird im Land Brandenburg ausgegangen ? Bitte nach Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln. 2. Worin sieht die Landesregierung den Grund für die im Vergleich mit anderen Bundesländern geringe Zahl an substituierten Patient_innen? 3. Wie viele Patient_innen haben Ihren Hauptwohnsitz im Land Brandenburg und erhalten Substitute von Ärztinnen und Ärzten in anderen Bundesländern? Bitte nach Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln. Bitte aufschlüsseln, in welchen Bundesländern wie viele Patient_innen substituiert werden. 4. Wie viele Patient_innen haben Ihren Zweitwohnsitz im Land Brandenburg und erhalten Substitute von Ärztinnen und Ärzten in anderen Bundesländern? Bitte nach Bundesländern, Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln. 5. Bestehen zwischen dem Land Brandenburg, einzelnen Landkreisen, Kreisfreien Städten oder Kommunen Vereinbarungen in anderen Bundesländern, nach denen Brandenburger Patient_innen außerhalb des Landes Brandenburg substituieren sollen oder eine psychosoziale Beratung im Rahmen einer Substitution (PSB) erfolgt? Wenn ja bitte ausführlich darlegen. 6. Sind mit der PSB von Brandenburger Bürger_innen Zahlungen an andere Bundesländer oder Kommunen in anderen Bundesländern verbunden? Wenn ja durch wen, und in welcher Höhe? 7. Wie viele Patient_innen haben ihren Hauptwohnsitz im Land Brandenburg und erhalten die PSB in anderen Bundesländern? Bitte nach Bundesländern, Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln. 8. Wie viele Patient_innen haben ihren Zweitwohnsitz im Land Brandenburg und erhalten die PSB in anderen Bundesländern? Bitte nach Bundesländern, Landkreisen und Kreisfreien Städten differenzieren. 9. Wie viele, der im Bericht des BfArM aufgeführten substituierenden Ärztinnen und Ärzte im Land Brandenburg haben die Genehmigung zur Substitution opiatabhängiger Menschen durch die Ärztekammern und wie viele arbeiten auf der Grundlage des § 5 Abs. 3 BtMVV, der sogenannten Konsiliarregelung? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit ist ein seit Jahren bewährter und anerkannter Baustein der Suchthilfe. Mit einer Substitutionsbehandlung können die Patientinnen und Patienten gesundheitlich stabilisiert, vor der sozialen Verelendung bewahrt und vielfach auch in das Arbeitsleben wieder eingegliedert werden. Die Substitutionsbehandlung ist keine rein medikamentöse Angelegenheit. Eine qualifizierte psychosoziale Begleitung (PSB) gehört immer dazu. Über die konkrete Substitutionsbehandlung einschließlich der PSB von opiatabhängigen Drogenkonsumenten im Land Brandenburg gibt es kein ausreichendes Wissen . Das 5. Plenum der Landesuchtkonferenz hatte daher beschlossen, eine Befragung bei ambulanten Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke sowie bei Sozial- und Gesundheitsämtern zu initiieren. Die Anregung wurde durch eine Arbeitsgruppe der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. (BLS) aufgenommen und im Jahr 2014 wurde eine Auswertung veröffentlicht, die eine Grundlage für eine Analyse und Verbesserung der Versorgungssituation Substituierter im Land Brandenburg bietet (siehe: http://www.blsev.de/fileadmin/bildmaterial/Dokumente_BLS/Dokumente_Verein/1412 17_Bestandsaufnahme_Substitution_BLS.pdf). Ziel ist eine (relativ) flächendeckende und niedrigschwellige Versorgung der substituierten Patienten und Patientinnen einschließlich einer fachgerechten psychosozialen Betreuung, zu der die regionalen Träger der Suchthilfe einen größeren Beitrag leisten sollten. Eine Expertengruppe arbeitet gegenwärtig gemeinsam mit der BLS an der Entwicklung fachlicher Standards zur PSB. Darüber hinaus werden die Ergebnisse und Folgerungen der o.g. Befragung mit weiteren Akteuren diskutiert; dies sind die Ärztekammer, Einrichtungen der Suchthilfe, kommunale Vertreterinnen und Vertreter sowie das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF). Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine gute Substitutionsbehandlung sind überarbeitungsbedürftig. Wegen der derzeitigen Rechtslage sind immer weniger Ärztinnen und Ärzte bereit, diese Therapie anzubieten. Die 86. Gesundheitsministerkonferenz hat daher im Jahr 2013 in Potsdam einstimmig das Bundesministerium für Gesundheit aufgefordert, die Vorschriften der BetäubungsmittelVerschreibungsverordnung im Hinblick auf die Substitutionsbehandlung zu reformieren . Frage 1: Von wie vielen opiatabhängigen Menschen wird im Land Brandenburg ausgegangen ? Bitte nach Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln. Zu Frage 1: Es sind keine epidemiologischen Daten über die Anzahl opiatabhängiger Menschen in Brandenburg bekannt, ebenso wenig wie über die Zahl von Menschen, die Opiate konsumieren. Im jüngsten Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung (2015) wird auch für Deutschland insgesamt keine Zahl genannt. Die Zahl der Konsumenten und Abhängigen sei allerdings in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken. Nach den Erfahrungen der Suchtberatungsstellen werden in Brandenburg vor allem im Raum Cottbus und Forst Opiate konsumiert; hinzukommen noch Potsdam und generell der Berlin nahe Raum. Einen Hinweis auf die Größenordnung des Opiatproblems gibt die Fallzahl von Krankenhausdiagnosen „Psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide“ (ICD-10, F11). Zwischen 2000 und dem jüngsten Jahr 2013 schwanken die Fallzahlen unregelmäßig zwischen 206 und 468. Im Jahr 2013 wurden 270 Fälle gezählt: 179 Männer , 91 Frauen (gbe-bund.de, Diagnosedaten der Krankenhäuser nach Wohnort. Eckdaten der vollstationären Patienten und Patientinnen. ICD-10 F11 Psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide). Ein weiterer Hinweis lässt sich aus der Auswertung der Daten der ambulanten Beratungs - und Behandlungsstellen für Suchtkranke im Land Brandenburg entnehmen (Suchthilfestatistik Brandenburg 2013, IFT 2014). Unter den insgesamt 8.223 Behandlungsfällen im Jahr 2013 wurden 25 Fälle aufgrund der Hauptdiagnose Opiatkonsum dokumentiert. Damit liegt der Anteil der Ratsuchenden in Suchtberatungsstellen mit der Hauptdiagnose Opioide bei 0,3 Prozent. Bundesweit sind es 15 Prozent (http://www.suchthilfestatistik.de/cms/images/dshs_jahresbericht_2013.pdf). Frage 2: Worin sieht die Landesregierung den Grund für die im Vergleich mit anderen Bundesländern geringe Zahl an substituierten Patient_innen? Zu Frage 2: Die vergleichsweise geringere Zahl an substituierten Kranken im Land Brandenburg hängt wahrscheinlich mit mehreren Faktoren zusammen: (1) es gibt weniger opiatabhängige Menschen im Land Brandenburg, (2) zentrale Lage von Berlin, (3) Opiate sind „urbane“ Drogen, (4) die Angebote in Berlin sind auch für Brandenburger Konsumentinnen und Konsumenten attraktiv, (5) es gibt nur wenige substituierende Ärztinnen und Ärzte im Land Brandenburg. Frage 3: Wie viele Patient_innen haben Ihren Hauptwohnsitz im Land Brandenburg und erhalten Substitute von Ärztinnen und Ärzten in anderen Bundesländern? Bitte nach Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln. Bitte aufschlüsseln, in welchen Bundesländern wie viele Patient_innen substituiert werden. Frage 4: Wie viele Patient_innen haben Ihren Zweitwohnsitz im Land Brandenburg und erhalten Substitute von Ärztinnen und Ärzten in anderen Bundesländern? Bitte nach Bundesländern, Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln. Frage 7: Wie viele Patient_innen haben ihren Hauptwohnsitz im Land Brandenburg und erhalten die PSB in anderen Bundesländern? Bitte nach Bundesländern, Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln. Frage 8: Wie viele Patient_innen haben ihren Zweitwohnsitz im Land Brandenburg und erhalten die PSB in anderen Bundesländern? Bitte nach Bundesländern, Landkreisen und Kreisfreien Städten differenzieren. Zu den Fragen 3, 4, 7 und 8: Wegen des inhaltlichen Zusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 sowie 7 und 8 zusammen beantwortet. Es sind keine Daten bekannt, die eine Beantwortung der Fragen ermöglichen. Erkenntnisse aus der „Bestandsaufnahme Substitution in Brandenburg“ der BLS von 2014 sind in der nachfolgenden Antwort auf die Fragen 5 und 6 dargestellt. Frage 5: Bestehen zwischen dem Land Brandenburg, einzelnen Landkreisen, Kreisfreien Städten oder Kommunen Vereinbarungen in anderen Bundesländern, nach denen Brandenburger Patient_innen außerhalb des Landes Brandenburg substituieren sollen oder eine psychosoziale Beratung im Rahmen einer Substitution (PSB) erfolgt? Wenn ja bitte ausführlich darlegen. Frage 6: Sind mit der PSB von Brandenburger Bürger_innen Zahlungen an andere Bundesländer oder Kommunen in anderen Bundesländern verbunden? Wenn ja durch wen, und in welcher Höhe? Zu den Fragen 5 und 6: Vereinbarungen, nach denen in Frage 5 gefragt wird, sind nicht bekannt. Man kann annehmen, dass ein Teil der opiatabhängigen brandenburgischen Patientinnen und Patienten in Berlin substituiert und betreut wird. Die Finanzierung der PSB wird von einigen Brandenburger Kommunen übernommen. Aus der Befragung „Bestandsaufnahme Substitution in Brandenburg“ ergeben sich folgende Erkenntnisse, wobei zu beachten ist, dass Antworten aus 16 von 18 Landkreisen und kreisfreien Städten vorliegen:1  In nur einem Landkreis wird angegeben, die Fachleistungsstunden PSB für die regionale Beratungsstelle für Suchtkranke zu finanzieren.  Zehn Landkreise und kreisfreie Städte geben an, PSP bei Berliner Trägern zu finanzieren. In der Summe wurde 2013 für insgesamt 38 Brandenburger Klienten gezahlt. Der Betrag ist nicht bekannt. Die „Bestandsaufnahme Substitution in Brandenburg“ richtete sich auch an ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke im Land Brandenburg. 20 der 21 angesprochenen Stellen haben geantwortet:  Elf der 20 Stellen betreuen opiatabhängige subsituierte Patientinnen und Patienten . In fünf Beratungsstellen wird darüber hinaus im engeren Sinne eine PSP für Substituierte geleistet.  Acht Beratungsstellen vermitteln Anfragen nach PSB an andere Einrichtungen weiter (Suchthilfeträger in Berlin, sozialpsychiatrische Dienste).  Zwei Beratungsstellen erhielten im Jahr 2013 eine anteilige Finanzierung eines Stellenanteils für die PSB. Frage 9: Wie viele, der im Bericht des BfArM aufgeführten substituierenden Ärztinnen und Ärzte im Land Brandenburg haben die Genehmigung zur Substitution opiatabhängiger Menschen durch die Ärztekammern und wie viele arbeiten auf der Grundlage des § 5 Abs. 3 BtMVV, der sogenannten Konsiliarregelung? Zu Frage 9: In der jüngsten Auswertung des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für das Jahr 2014 (Substitutionsregister: Statistik nach § 5a Abs. 7 BtMVV, Recherchedatum 5.1.2015) werden 16 Ärztinnen und Ärzte genannt, die Substitutionsmittel nach § 5 Abs. 2 BtMVV im Land Brandenburg verschrieben haben. Eine Ärztin oder ein Arzt hat nach § 5 Abs. 3 BtMVV verschrieben (Konsilarverfahren). Demgegenüber liegt die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die die Mindestanforderungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BtMVV erfüllen, bei 333. Eine Ärztin bzw. ein Arzt ist als Konsiliarius nach § 5a Abs. 2 Nr. 6 BtMVV als gemeldet.