Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2616 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1011 der Abgeordneten Gerrit Große der Fraktion der DIE LINKE Drucksache 6/2334 Kulturgutschutzgesetz Wortlaut der Kleinen Anfrage 1011 vom 14.08.2015 Die Bundesregierung arbeitet gegenwärtig an einer Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes , das verschiedene gesetzliche Grundlagen zusammenfassen, modernisieren und an europäische und völkerrechtliche Vorgaben anpassen soll. Im Juli 2014 hat die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien sogenannte Rahmenvorgaben dafür vorgelegt und am 15. Juli 2015 auf einer Pressekonferenz einen aktualisierten Gesetzesentwurf vorgestellt. In den letzten Wochen wurde in den Medien vor allem die Ausweitung der bisher für das nichteuropäische Ausland bestehenden Genehmigungspflicht für die Ausfuhr von Kulturgut aufgrund bestimmter Alters- und Wertgrenzen auf den EU-Binnenmarkt diskutiert. Namhafte Künstler und private Sammler hatten gedroht, ihre Leihgaben aus öffentlichen Museen zurückzuziehen oder ihre Sammlungen nicht in Deutschland zu zeigen. Hintergrund dafür ist die mit der Novellierung geplante generelle Unterschutzstellung des Bestands öffentlicher bzw. überwiegend öffentlich geförderter Einrichtungen als „national wertvolles Kulturgut “. Voraussichtlich werden Leihgeber dieser Regelung jedoch unkompliziert widersprechen können. Auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes sollen die Länder für die Eintragung von Kulturgut in ein Kulturgutverzeichnis zuständig sein, jedoch nach dann einheitlichen Kriterien. Auch die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen soll weiterhin in Landesverantwortung liegen, wobei auch hier eine Vereinheitlichung angestrebt werden soll. Darüber hinaus ist beabsichtigt, Sammlungen und Bestände von Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft bzw. von überwiegend öffentlich finanzierten Einrichtungen generell unter Schutz zu stellen. Zusätzlich zu der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 877 (Dr. 6/2251) ergeben sich aber weitere Fragen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. In welcher Form wurden bei der Unter-Schutz-Stellung von Kulturgut die berechtigten Interessen der das Kulturgut bewahrenden Einrichtungen, der Wissenschaft, des Handels und der privaten Sammler in die Entscheidungsfindung einbezogen? 2. Gibt es im Land Brandenburg einen entsprechenden Sachverständigenausschuss? Wenn ja, wann wurden welche Mitglieder durch wen und für welchen Zeitraum berufen? Wenn nein, warum nicht? 3. Wie viele Anträge auf Genehmigung einer vorübergehenden bzw. dauerhaften Ausfuhr sind in den vergangenen fünf Jahren gestellt worden? Innerhalb welcher Frist und mit welchem Ergebnis wurden diese Anträge beschieden? 4. In welcher Form wurde dabei der Sachverständigenausschuss in die Entscheidungsfindung einbezogen? 5. Wie bewertet die Landesregierung das Vorhaben der generellen Unterschutzstellung des Bestands öffentlicher bzw. überwiegend öffentlich geförderter Einrichtungen als „nationales Kulturgut“? 6. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung durch diese generelle Unterschutzstellung für die Museen im Land Brandenburg (zum Beispiel hinsichtlich der Führung von Bestandslisten, der Beantragung von Ausfuhrgenehmigungen im Leihverkehr oder zu Restaurierungsarbeiten, der Erhaltungspflicht oder des Verkaufsverbots)? 7. Wie schätzt die Landesregierung den aktuellen Stand der Inventarisierung der Bestände in den Kulturgut bewahrenden öffentlichen Einrichtungen im Land Brandenburg ein? 8. Wie gestaltete sich in den vergangenen fünf Jahren die Entwicklung der Ankaufetats in den Kulturgutbewahrenden öffentlichen Einrichtungen im Land Brandenburg? Wie bewertet die Landesregierung diese Entwicklung? 9. Wie bewertet die Landesregierung die Ziele des Novellierungsvorhabens zum Kulturgutschutz insgesamt, insbesondere diejenigen nach Vereinheitlichung der Kriterien für die Aufnahme von Kulturgut in die Kulturgutverzeichnisse und für die Gewährung bzw. Versagung von Ausfuhrgenehmigungen sowie zum durch den Bund geführten zentralen Internetportal zum Kulturschutz? 10. Mit welchen neuen Aufgaben und mit welchen damit verbundenen Mehrausgaben rechnet das Land aufgrund der von Seiten des Bundes formulierten Ziele des Gesetzesvorhabens und des von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien auf der Pressekonferenz am 15. Juli 2015 vorgestellten Referentenentwurfes? 11. In welcher Form ist das Land Brandenburg ins Gesetzesvorhaben eingebunden bzw. konsultiert worden? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: In welcher Form wurden bei der Unter-Schutz-Stellung von Kulturgut die berechtigten Interessen der das Kulturgut bewahrenden Einrichtungen, der Wissenschaft, des Handels und der privaten Sammler in die Entscheidungsfindung einbezogen? zu Frage 1: Nach § 2 Absatz 2 des geltenden Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung hat die oberste Landesbehörde vor der Entscheidung über die Eintragung von Kulturgut einen Sachverständigenausschuss zu hören. Bei der Auswahl der Sachverständigen sind u.a. die Kreise der der privaten Sammler, des Kunsthandels und Antiquariat zu berücksichtigen. Sämtlichen Eintragungen von Kulturgut in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes des Landes Brandenburg gingen entsprechende Beschlussempfehlungen des Landessachverständigenausschusses voraus. Frage 2: Gibt es im Land Brandenburg einen entsprechenden Sachverständigenausschuss? Wenn ja, wann wurden welche Mitglieder durch wen und für welchen Zeitraum berufen? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 2: Das Land Brandenburg verfügt über Landessachverständigenausschüsse, wie sie § 2 Absatz 2 sowie § 11 Absatz 2, § 2 Absatz 2 des geltenden Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vorsehen. Der Landessachverständigenausschuss für die Eintragung von Kulturgut wurde zuletzt Anfang 2015 vom MWFK für einen Zeitraum von drei Jahren bis zum 31.12.2017 neuberufen. Der Ausschuss ist für diese Amtszeit besetzt mit jeweils einer sachkundigen Person aus dem Kreis des Kunsthandels und Antiquariats, dem Kreis der privaten Sammler sowie dem Kreis der Hochschullehrer. Die beiden weiteren Mitglieder stammen aus dem Kreis der Fachleute aus den öffentlichen Verwaltungen. Dabei handelt es sich um den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Brandenburgischen Kultur und Geschichte gGmbH sowie einen profilierten Sachverständigen aus dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum. Der Landessachverständigenausschuss für Eintragungen in das Verzeichnis national wertvoller Archive im Land Brandenburg wird derzeit für eine Amtszeit von ebenfalls drei Jahren neu besetzt. Die Kreise der o.g. Fachleute werden hierbei ebenfalls Berücksichtigung finden. Frage 3: Wie viele Anträge auf Genehmigung einer vorübergehenden bzw. dauerhaften Ausfuhr sind in den vergangenen fünf Jahren gestellt worden? Innerhalb welcher Frist und mit welchem Ergebnis wurden diese Anträge beschieden? zu Frage 3: Seit 2011 wurden zehn Anträge auf Ausfuhrgenehmigung zum Teil für mehrere Werke gestellt. Nachdem zwei Anträge sich zwischenzeitlich erledigt hatten, wurden acht Ausfuhrgenehmigungen erteilt. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit ab Antragseingang bis zur Erteilung der Genehmigung lag bei acht Kalendertagen. Frage 4: In welcher Form wurde dabei der Sachverständigenausschuss in die Entscheidungsfindung einbezogen? zu Frage 4: In die Entscheidungsfindung ist zunächst eine Überprüfung der lost-art-Datenbank der Koordinierungsstelle Magdeburg eingeflossen mit dem Ziel anhand der Datenbank auszuschließen, dass es sich um Kulturgüter handelt, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verbracht, verlagert oder – insbesondere jüdischen Eigentümern – verfolgungsbedingt entzogen wurden. Im Einzelfall wurden einschlägige Experten auf dem Fachgebiet des betreffenden Kulturgutes kontaktiert und um eine Ersteinschätzung gebeten, ob es sich bei dem auszuführenden Kulturgut um national wertvolles Kulturgut handeln könnte. Dies konnte in den o.g. 8 relevanten Fällen verneint werden. Frage 5: Wie bewertet die Landesregierung das Vorhaben der generellen Unterschutzstellung des Bestands öffentlicher bzw. überwiegend öffentlich geförderter Einrichtungen als „nationales Kulturgut“? zu Frage 5: Die Landesregierung folgt dem Anliegen der Bundesregierung, die Bestände in öffentlichen Einrichtungen bzw. überwiegend öffentlich geförderten Einrichtungen wirksamer als bisher vor Abwanderung zu schützen. Die konkrete Ausformung in dem noch ausstehenden Gesetzentwurf werden für eine nähere Beurteilung entscheidend sein und bleiben abzuwarten. Frage 6: Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung durch diese generelle Unterschutzstellung für die Museen im Land Brandenburg (zum Beispiel hinsichtlich der Führung von Bestandslisten, der Beantragung von Ausfuhrgenehmigungen im Leihverkehr oder zu Restaurierungsarbeiten, der Erhaltungspflicht oder des Verkaufsverbots)? zu Frage 6: Die konkreten Auswirkungen hängen von der Ausgestaltung in dem noch ausstehenden Gesetzentwurf ab, die Praktikabilität in diesem Zusammenhang insbesondere von dem Umfang der Regel sowie von der Ausgestaltung der Genehmigungsregelungen für den Leihverkehr. Frage 7: Wie schätzt die Landesregierung den aktuellen Stand der Inventarisierung der Bestände in den Kulturgut bewahrenden öffentlichen Einrichtungen im Land Brandenburg ein? zu Frage 7: Im Land Brandenburg gibt es etwa 400 Museen, die sich Großteils in kommunaler, oder freier Trägerschaft befinden und gegenüber der Landesregierung nicht berichtspflichtig sind. Eine umfassende Datenerhebung zum Stand der Inventarisierung würde den Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage sprengen. Der Museumsverband des Landes Brandenburg unterstützt die Museen in ihren Bemühungen um Inventarisierung beispielweise über ein Inventarisierungsprogramm mit spezifischen Schulungen und vermittelt hierdurch Standards bei der Inventarisierung. Die Inventarisierung findet zudem oftmals Berücksichtigung im Rahmen von Digitalisierungsprojekten, die der Museumsverband ebenfalls unterstützt. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) kann auf erhebliche Erfolge bei der Inventarisierung des ihr anvertrauten Kulturgutes verweisen. Die Inventarisierung und Erforschung der eigenen Sammlungen zählt zu den zentralen Aufgaben der SPSG. In den seit 2000 erscheinenden Bestandskatalogen werden nach einem einheitlichen Inventarisierungsmuster die Sammlungen dokumentiert, die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Erforschung abgebildet und Wissenschaft wie breiter Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Kataloge enthalten außerdem eine Übersicht über jene Kunstwerke, die im und unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verloren gegangen sind. Darüber hinaus hat die SPSG eine Museumsmanagementsoftware angeschafft, um die von ihr betreuten Kunstwerke sukzessive digital in einer Inventardatenbank zu erfassen, in der alle zu einem Objekt vorhandenen Informationen nach einem einheitlichen Muster hinterlegt werden, die bislang in Inventarbüchern oder Karteikartensystemen dokumentiert waren. Zusätzlich werden die historischen Fotobestände digital inventarisiert. Frage 8: Wie gestaltete sich in den vergangenen fünf Jahren die Entwicklung der Ankaufetats in den Kulturgutbewahrenden öffentlichen Einrichtungen im Land Brandenburg? Wie bewertet die Landesregierung diese Entwicklung? zu Frage 8: Die Museen in kommunaler oder freier Trägerschaft des Landes Brandenburg verfügen in der Regel nicht über eigene Ankaufetats. Ankäufe sind dort vielmehr im Einzelfall über Sonderförderungen möglich, z.B. über die Kulturstiftung der Länder oder auch Spendenaktionen. Der jährliche Etat der SPSG für den Kunstankauf lag in den Jahren 2009 bis 2014 bei durchschnittlich 800.000 Euro, der sich nicht auf das Land Brandenburg beschränkt. Die Summe entspricht einem Anteil von etwa 2,5% an der institutionellen Förderung der SPSG durch die Länder Brandenburg und Berlin sowie den Bund. Der vergleichsweise hohe Etat für den Kunstankauf ist in dem bereits in der Antwort zu Teilfrage 7 erwähnten, besonderen Satzungsauftrag der SPSG begründet. Die historische Ausstattung der Schlösser ist lückenhaft, besonders durch Abgaben an die Familie der Hohenzollern (1918-1926) und durch die nach dem Zweiten Weltkrieg erfahrenen Verluste. Um die Gesamtheit der historischen Überlieferung wieder erforsch- und erlebbar zu machen, ist es besonders wichtig, dass die SPSG in der Lage ist, Kulturgut auch spontan zurück zu erwerben. Ferner ist die SPSG gemäß Stiftungsauftrag gehalten, die Sammlungen in ihren ca. 35 museal genutzten Häusern in Potsdam, dem Land Brandenburg und Berlin schwerpunktmäßig zu ergänzen. Dafür ist ein fester Etat in ausreichender Höhe die Voraussetzung. Frage 9: Wie bewertet die Landesregierung die Ziele des Novellierungsvorhabens zum Kulturgutschutz insgesamt, insbesondere diejenigen nach Vereinheitlichung der Kriterien für die Aufnahme von Kulturgut in die Kulturgutverzeichnisse und für die Gewährung bzw. Versagung von Ausfuhrgenehmigungen sowie zum durch den Bund geführten zentralen Internetportal zum Kulturschutz? zu Frage 9: Das übergeordnete Ziel eines einheitlichen Kulturgutschutzgesetzes, wonach der Kulturgutschutz maßgeblich gestärkt werden und das verbesserte Einfuhr- wie auch Ausfuhrbestimmungen enthalten werden soll, um deutsches Kulturgut effektiver vor Abwanderung ins Ausland zu schützen, liegt auch im Interesse des Landes Brandenburg. Eine abschließende Einschätzung zu der konkreten Umsetzung dieser Ziele im Gesetz bleibt in Einzelheiten der Beurteilung des noch ausstehenden Gesetzentwurfes vorbehalten. Frage 10: Mit welchen neuen Aufgaben und mit welchen damit verbundenen Mehrausgaben rechnet das Land aufgrund der von Seiten des Bundes formulierten Ziele des Gesetzesvorhabens und des von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien auf der Pressekonferenz am 15. Juli 2015 vorgestellten Referentenentwurfes? zu Frage 10: Die konkrete Art und der Umfang der neuen Aufgaben hängen entscheidend davon ab, wie die Definition des nationales Kulturgutes ausgestaltet sein wird, von der letztlich abhängt, für welche Kulturgüter Ausfuhrgenehmigungen bei der obersten Landesbehörde beantragt werden müssen. Es ist in jedem Fall mit einem Anstieg des Verwaltungsaufwands auf Landesseite zu rechnen, der aber derzeit nicht beziffert werden kann. Frage 11: In welcher Form ist das Land Brandenburg ins Gesetzesvorhaben eingebunden bzw. konsultiert worden? zu Frage 11: Das MWFK ist mit den Ländervertretern der übrigen Bundesländer auf Arbeitsebene im Rahmen einer Bund-Länder-Besprechung an der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes beteiligt worden. Angesichts der anstehenden Gesetzesnovellierung sind zusätzliche Besprechungen in diesem Rahmen vorgesehen, bevor sich der Bundesrat mit dem Gesetzesvorhaben befasst.