Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2634 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1044 der Abgeordneten Ina Muhß der SPD-Fraktion Drucksache 6/2419 Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) – berühmt, berüchtigt Wortlaut der Kleinen Anfrage 1044 vom 27.08.2015: Der MDK wird im Auftrag der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung tätig. Die Begutachtung durch den MDK hat weitreichende Folgen für die den Dienst aufsuchenden Menschen. Seine Gutachten sind Entscheidungsgrundlage für die Kassen, ob und in welcher Höhe von diesen Leistungen übernommen werden. Dabei ist die Tätigkeit des Gutachters verantwortungsvoll und erfordert neben den fachlichen auch kommunikative Kompetenzen. Immer wieder aber ist von Betroffenen oder deren Angehörigen zu hören, dass sie mit der Art und Weise der Begutachtung durch den MDK unzufrieden sind. Es geht hier um „kreative Praktiken“ bei der Erfragung über die Erkrankung oder Behinderung bis hin zum arroganten Auftreten des Gutachters mit schlechten Umgangsformen. So auch in einem mir kürzlich vorgetragenen Fall. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie professionell arbeitet der MDK? 2. Wie geht der MDK damit um, wenn sich ältere Menschen, die ihr Leben lang Pflichtbewußtsein und Unabhängigkeit trainiert haben und beim Besuch des MDK aus Routine heraus bemüht sind, mehr zu zeigen, als sie tatsächlich noch können und sich oft dabei überfordern? 3. Werden die Gutachter turnusmäßig geschult, fachlich sowie auch in guten Umgangsformen ? 4. Nach welchen Kriterien werden Gutachter bei der Einstellung beurteilt? 5. Liegen der Landesregierung Zahlen über die Anzahl von Beschwerden über die Qualität der Begutachtung von Versicherten vor? 6. An wen kann sich ein Betroffener oder Angehöriger wenden, wenn er mit dem Gutachter oder der Beurteilung unzufrieden ist? 7. Sind die Gutachter gegenüber ihren Krankenkassen leistungsabhängig? 8. Wie viele externe Gutachter auf Honorarbasis sind beim MDK tätig? 9. Welche Konsequenzen sieht die Landesregierung für den zukünftigen Begutachtungsvorgang bei der gesundheitlichen Beurteilung von Versicherten im Hinblick darauf, dass die Würde des Menschen unantastbar ist? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie professionell arbeitet der MDK? Zu Frage 1: Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK BB) hat sich fünf Unternehmenswerte gegeben: Qualität, Verantwortung, Unabhängigkeit, Kompetenz und Dienstleistungsorientierung. Zu deren Erreichung verfügt der MDK BB seit über 14 Jahren über ein Qualitätsmanagementsystem nach dem EFQMModell (European Foundation for Quality Management). Es verbindet die Bereiche „Kundinnen und Kunden“, „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ sowie „Ergebnisorientierung “ miteinander. Das Qualitätsmanagement umfasst das gesamte Unternehmen und schlägt sich demzufolge u. a. in der Führung des MDK BB, in der Definition und Umsetzung von Zielen sowie in der Sicherung der Produktqualität nieder. Seit 2001 erstellt der MDK BB alle zwei Jahre einen Selbstbewertungsbericht nach dem EFQM-Modell, der von externen Assessorinnen und Assessoren bewertet wird. Seit 2008 bewirbt sich der MDK BB um EFQM-Qualitätspreise und konnte sich sukzessive in den Platzierungen verbessern. Im Jahr 2014 erreichte der MDK BB den zweiten Platz des bundesweiten Ludwig-Erhard-Preises 2014 in der Kategorie der großen Unternehmen. Für die Sicherung und Verbesserung der Qualität seiner Produkte nutzt der MDK BB verschiedene Instrumente: Neben stichprobenartigen und anlassbezogenen Produktprüfungen werden IT-gestützt kontinuierliche Qualitätsprüfungen in allen Leistungsbereichen durchgeführt. Ein jährlicher Auditplan steuert Produkt- und Prozessaudits . Das Beschwerde- und Reklamationsmanagement spiegelt die Außenwahrnehmung der Kunden wider. Der Anteil der berechtigten Reklamationen der Auftraggeberinnen (Kranken- und Pflegekassen) an den Produkten lag im Jahr 2014 bei 0,1 %. Laut Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Dienstleistungsorientierung im Begutachtungsverfahren nach §18b des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) ist jeder Medizinische Dienst seit dem 1. Januar 2014 verpflichtet, auf dem Gebiet der Pflege jährlich eine Versichertenbefragung bei 2,5 % der Antragstellerinnen und Antragsteller durchzuführen. Alle im Rahmen der Zufallsstichprobe ausgewählten Versicherten erhalten einen bundesweit einheitlich strukturierten Fragenkatalog. Die Auswertung erfolgt unter wissenschaftlicher Begleitung durch ein externes Marktforschungsinstitut . Die Ergebnisse der ersten Versichertenbefragung in 2014 sowie daraufhin vorgenommene Verbesserungsmaßnahmen sind auf der Homepage des MDK BB (Rubrik "Versicherte") abrufbar. 87 % der befragten Versicherten waren in 2014 mit der Begutachtung durch den MDK BB "zufrieden", "teilweise zufrieden" waren 9 %, "unzufrieden " waren 4 %. Die Rücklaufquote der Bögen lag bei über 44 %. Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden über das Ideenmanagement des MDK BB aufgenommen. Der MDK BB holt ferner regelmäßig Rückmeldungen zur Zufriedenheit im Rahmen von Mitarbeiter-, Kunden- und Versichertenbefragungen ein und führt ein 360-GradFeedback durch. Letzteres dient der Beurteilung der Führungsleistung aus Sicht der Vorgesetzen, Kolleginnen und Kollegen sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aus den Ergebnissen aller Qualitätsmanagement-Maßnahmen, die in einer der Geschäftsführung unterstellten Stabsstelle für Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement gebündelt werden, leitet der MDK BB systematisch Verbesserungen ab und setzt diese um. Die Unternehmensstrategie wird in entsprechenden Jahreszielen für alle Organisationseinheiten konkretisiert und durch aktive Organisationsentwicklung vorangetrieben . Die Umsetzung erfordert immer wieder Umstrukturierungen der Organisation des MDK BB. Ein „Change Management“ unterstützt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Kundinnen und Kunden bei diesen Veränderungen. Frage 2: Wie geht der MDK damit um, wenn sich ältere Menschen, die ihr Leben lang Pflichtbewusstsein und Unabhängigkeit trainiert haben und beim Besuch des MDK aus Routine heraus bemüht sind, mehr zu zeigen, als sie tatsächlich noch können und sich oft dabei überfordern? Zu Frage 2: Aufgabe der Gutachterinnen und Gutachter ist es, sich während der Pflegebegutachtung einen ganzheitlichen und individuellen Eindruck über den vorliegenden Hilfebedarf einer oder eines Pflegebedürftigen zu machen und die Pflegebedürftigkeit sachgerecht und richtlinienkonform zu beurteilen. Hierbei verlassen sie sich nicht ausschließlich auf die Aussagen der Betroffenen. Das Ergebnis der Pflegebegutachtung bezieht zur ganzheitlichen Beurteilung der aktuellen Pflegesituation die pflegerelevante Vorgeschichte unter Hinweis auf bereits vorliegende Vorgutachten ein und bewertet und dokumentiert vorliegende Fremdbefunde , Ärztliche Atteste, Epikrisen, Pflegedokumentation etc. Um einen ganzheitlichen Eindruck zu erlangen, ist es insbesondere wünschenswert, dass diejenigen Personen an der Begutachtung teilnehmen, die pflegerische Leistungen erbringen, wie zum Beispiel Angehörige oder Nachbarinnen und Nachbarn. Sofern eine Betreuungsperson vorhanden ist, wird diese informiert, um an der Begutachtung teilzunehmen. Der MDK BB macht bereits bei der Anmeldung zum Hausbesuch in seinem Anmeldeschreiben auf die Notwendigkeit der Anwesenheit weiterer Pflege- und/oder Betreuungspersonen aufmerksam. Während der Begutachtung werden anwesende Personen (private Pflegepersonen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegedienstes, Betreuungspersonen) durch die Gutachtenden aktiv in das Gespräch einbezogen, auf Wunsch ist es auch möglich, dass diese ihre Angaben in Abwesenheit des Betroffenen ergänzen (z. B. wenn eine Fassadenhaltung des Betroffenen vorliegt). Die Gutachtenden verschaffen sich zudem während der Begutachtung einen Überblick über das häusliche Umfeld. Eventuell kann es auch bei der Begutachtung notwendig sein, dass sich die Gutachtenden über den Bedarf dadurch überzeugen, dass sie sich den Hilfebedarf bei den einzelnen regelmäßigen wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens durch die Betroffenen demonstrieren lassen. Frage 3: Werden die Gutachter turnusmäßig geschult, fachlich sowie auch in guten Umgangsformen? Zu Frage 3: Analog zur gesetzlichen Verpflichtung für Vertragsärztinnen und -ärzte bilden sich auch die ärztlichen Gutachterinnen und Gutachter regelmäßig fachlich fort und erwerben das Fortbildungszertifikat der Ärztekammer. Grundlage für die Qualifikation der pflegefachlichen Gutachter sind die Unabhängige Gutachter-Richtlinien und für das Verhalten in der Begutachtung die Dienstleistungsrichtlinie nach § 18b SGB XI. Die Qualifikation der Gutachtenden beginnt mit einer strukturierten Einarbeitung, sowohl für interne als auch für externe Gutachtende. Hierfür werden von den jeweiligen Mentorinnen und Mentoren Einarbeitungspläne erstellt und die einschlägige Literatur zum Selbststudium übergeben. Die praktische Einarbeitung erfolgt durch erfahrene Gutachterinnen und Gutachter. Der Fortgang der Einarbeitung wird durch Mentorin bzw. Mentor und Führungskraft begleitet und Lernfortschritte überprüft. Bestandteile der Einarbeitung sind u. a. die Präsenzseminare des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), die fachlich in die gutachterliche Tätigkeit einführen sowie der Besuch einer dreitägigen Kommunikationsschulung. Diese Schulung ist Teil eines umfassenden Ausbildungsprogramms, das im MDK BB seit vier Jahren etabliert ist. Das Konzept basiert auf dem Modell der gewaltfreien Kommunikation nach M. Rosenberg. Die primären Ziele hierbei sind die Empathiefähigkeit zu steigern sowie insbesondere in Druck- und Konfliktsituationen respektvoll und wertschätzend kommunizieren zu können. Darüber hinaus werden mehrmals jährlich Supervisionen zur Unterstützung in der Umsetzung im Arbeitsalltag angeboten . Spezielle, berufsgruppenspezifische Maßnahmen (z.B. zum Verhalten in kritischen Begutachtungssituationen) flankieren die Ausbildung. Die Gutachterinnen und Gutachter des MDK BB nehmen regelmäßig an den speziell konzipierten Fortbildungsveranstaltungen des MDS teil. Das dort erworbene Fachwissen wird durch die Teilnehmenden intern weitergegeben. Der MDS bietet zusätzlich allen Gutachterinnen und Gutachtern Webseminare zu aktuellen Themen an. Die ärztlichen Gutachterinnen und Gutachter erhalten eine sozialmedizinische Ausbildung und erwerben die Zusatzbezeichnung „Sozialmedizin“. Die Vermittlung fachlichen Wissens und aktueller Veränderungen ist Teil der regelmäßig stattfindenden Teamsitzungen. Darüber hinaus werden bedarfsbezogen interne Schulungen durchgeführt. Aktuelle Literatur, Gesetzestexte, Richtlinien etc. wird allen Gutachtenden über eine interne Datenbank zur Verfügung gestellt. In der Regel finden alle zwei Jahre für den jeweiligen Bereich (Ambulant, Krankenhaus , Pflege) konzipierte Thementage statt. Hier werden alle im jeweiligen Bereich tätigen Gutachterinnen und Gutachter zu aktuellen Themen geschult. Des Weiteren besuchen die Pflegefachkräfte bei besonderem Bedarf externe Fortbildungen zu speziellen Themen. Geeignete Gutachterinnen und Gutachter spezialisieren sich über berufsbegleitende Ausbildungen, wie z.B. Psychische Gesundheit /Psychiatrische Pflege oder Pflegeberater. Sie dienen dann als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für ihre Kolleginnen und Kollegen. Frage 4: Nach welchen Kriterien werden Gutachter bei der Einstellung beurteilt? Zu Frage 4: Die Beurteilungskriterien für die Einstellung von ärztlichen Gutachterinnen und Gutachtern , als auch von pflegefachlichen Gutachterinnen und Gutachtern, sind in den Unabhängigen Gutachter-Richtlinien nach § 53b SGB XI vom 6. Mai 2013 definiert und bilden damit die Grundlage für die Beurteilung von Bewerberinnen und Bewerbern zur Einstellung. Die Basis für jede Stelle ist eine ausführliche Stellenbeschreibung. Auf dieser Basis sind einheitliche Anforderungsprofile definiert, in denen die Grundvoraussetzungen (Ausbildung, Weiterbildung, Berufserfahrung), die erforderlichen Fachkompetenzen, Methodenkompetenzen, sozialen Kompetenzen und persönlichen Kompetenzen sowie deren Ausprägungen bei Einstellungen detailliert festgelegt sind. Frage 5: Liegen der Landesregierung Zahlen über die Anzahl von Beschwerden über die Qualität der Begutachtung von Versicherten vor? Zu Frage 5: Im Jahr 2014 hat das Beschwerdemanagement des MDK BB insgesamt 326 Beschwerden bearbeitet. Frage 6: An wen kann sich ein Betroffener oder Angehöriger wenden, wenn er mit dem Gutachter oder der Beurteilung unzufrieden ist? Zu Frage 6: Versicherte und Angehörige haben die Möglichkeit sich telefonisch, schriftlich oder per E-Mail an das Beschwerdemanagement des MDK BB, an ihre Kranken- oder Pflegekasse sowie an die zuständigen Rechtsaufsichten im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zu wenden. Frage 7: Sind die Gutachter gegenüber ihren Krankenkassen leistungsabhängig? Zu Frage 7: Nein. Nach § 275 Absatz 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sind die Ärztinnen und Ärzte des Medizinischen Dienstes bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt , in die ärztliche Behandlung einzugreifen. Dies gilt analog für alle gutachterlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MDK BB. Die Gutachterinnen und Gutachter erhalten Ihre Vergütung vom MDK BB und nicht von den Kranken-/Pflegekassen, die den MDK BB beauftragen und ihn über eine gesetzlich in Art und Höhe festgelegte Umlage finanzieren. Die Höhe der Vergütung basiert auf einem Arbeitsvertrag und ist unabhängig vom Begutachtungsergebnis oder der Begutachtungsmenge. Bei externen Gutachterinnen und Gutachtern, die eingesetzt werden, um Begutachtungsspitzen abzupuffern und für die Versicherten eine zügige Begutachtung sicherzustellen , ist die Höhe des Honorars auf der Basis eines Werkvertrages abhängig von der Anzahl der erstellten mängelfreien Gutachten. Frage 8: Wie viele externe Gutachter auf Honorarbasis sind beim MDK tätig? Zu Frage 8: Aktuell sind insgesamt 337 externe Gutachter (Stand 30. Juni 2015) für den MDK BB tätig. Frage 9: Welche Konsequenzen sieht die Landesregierung für den zukünftigen Begutachtungsvorgang bei der gesundheitlichen Beurteilung von Versicherten im Hinblick darauf, dass die Würde des Menschen unantastbar ist? Zu Frage 9: Der Kontakt der Versicherten mit dem MDK BB erfolgt in der Regel in einer Situation, in der sich die Betroffenen eingestehen müssen, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Das ist eine schwierige Lebensphase. Der MDK BB wird von der Kranken- oder Pflegekasse beauftragt um zu begutachten, ob diese die aus Sicht der Betroffenen notwendigen Leistungen auch erhalten können. Und diese Begutachtung erfolgt in einem komplexen Verfahren, das die Betroffenen in aller Regel nicht vollständig überblicken können. Diese Situation wird in vielfacher Hinsicht als Abhängigkeit von fremden Menschen erlebt. Die Landesregierung wird den MDK BB im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterhin dabei unterstützen, dass die Auswirkungen dieser Prüfsituation durch entsprechend empathische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitestgehend abgefangen werden können.