Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2729 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1086 der Abgeordneten Dierk Homeyer und Rainer Genilke der CDU-Fraktion Drucksache 6/2514 Schadenersatzforderungen im Zusammenhang mit Genehmigungsverfahren für Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen Wortlaut der Kleinen Anfrage 1086 vom 08.09.2015: Bei Bauanträgen ist die zuständige Behörde nach einschlägiger Rechtsprechung neben der Pflicht zur sachgerechten Entscheidung auch dazu verpflichtet, den Antrag zügig zu bearbeiten und unverzüglich nach Abschluss der Prüfung ohne Verzögerung zu bescheiden. Kommt es bei dieser Bearbeitung des Antrags zu einer Verzögerung, so kann darin eine Amtspflichtverletzung begründet sein. Liegt seitens der Behörde ein Verschulden vor, so kann dies einen Amtshaftungsanspruch auslösen, welcher wiederum einen Anspruch auf Schadensersatz nach sich ziehen kann. Wir fragen die Landesregierung: 1. Unter welchen Bedingungen ist es nach Auffassung der Landesregierung möglich, dass bei einem Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen dem Antragssteller ein Anspruch auf Schadensersatz aufgrund von zeitlichen Verzögerungen bei der Bearbeitung des Antrags entsteht? 2. Inwiefern ist die Entstehung eines solchen Anspruchs möglich, wenn sich der das übliche Maß übersteigende Zeitbedarf nachvollziehbar aus der Prüfung und Abwägung außerordentlich komplexer Sachverhalte ergibt, die als öffentlicher Belang der Genehmigung entgegenstehen könnten? 3. Sind im Land Brandenburg bereits Klagen anhängig oder Verfahren abgeschlossen , welche Schadensersatzforderungen aufgrund der Verfahrensdauer bei der Bearbeitung von Anträgen auf Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen zum Inhalt hatten? (Falls ja, bitte jeweils die Anzahl der Klagen /Verfahren pro Jahr sowie gegebenenfalls deren Ausgang und die Höhe des gezahlten Schadensersatzes benennen.) 4. Wie ist die durchschnittliche Genehmigungsdauer für Anträge auf Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen im Land Brandenburg? Wie hat sich die durchschnittliche Genehmigungsdauer in den Jahren 2009-2014 entwickelt? 5. Welche Fristen gibt es für die Behandlung von Anträgen sowie für die Einbeziehung der Träger öffentlicher Belange? In wie vielen Fällen wurden diese Fristen in den Jahren 2009-2014 nicht eingehalten und warum war dies der Fall? 6. Steht aus Sicht der Landesregierung die Pflicht zur zügigen Bearbeitung eines Antrags in Konflikt zu einer intensiven Prüfung entgegenstehender Interessen Dritter, wie der Träger öffentlicher Belange oder betroffener Privatpersonen, wenn die Intensität der Prüfung einen zusätzlichen Zeitbedarf mit sich bringt? 7. Unter welchen Bedingungen ist es nach Auffassung der Landesregierung möglich, dass bei einem Antrag auf Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen dem Antragssteller bei Verweigerung der Genehmigung ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht? 8. Können sich Schadensersatzansprüche für den Antragssteller daraus ergeben , dass die Genehmigungsbehörde sich am Flächennutzungsplan einer Gemeinde und den darin enthaltenen Festlegungen bezüglich Windeignungsflächen und Ausschlusswirkungen orientiert und die Genehmigung versagt? 9. Unter welchen Bedingungen ist es nach Auffassung der Landesregierung möglich, dass Kommunen oder Privatpersonen Schadensersatzforderungen erwachsen, wenn diese sich gegen durch das Land erteilte Genehmigungen juristisch zur Wehr setzen? 10. Unter welchen Bedingungen ist bei Genehmigungsverfahren für Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen die sofortige Vollziehung anzuordnen? 11. Können dem Antragssteller Schadensersatzansprüche daraus erwachsen, dass keine sofortige Vollziehung angeordnet wird? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Windkraftanlagen (WKA) ab einer Höhe von 50 m bedürfen in der Regel einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die Baugenehmigung wird in dieses Verfahren integriert. Kleinere WKA werden heute i. d. R. nicht mehr beantragt. Daher beziehen sich die nachfolgenden Antworten auf immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren . Ob ein eingetretener Schaden zu ersetzen ist und von wem, bestimmt sich nach der gesetzlichen (oder ggf. vertraglichen) Anspruchsgrundlage. Die wohl bedeutendsten gesetzlichen Anspruchsgrundlagen im deutschen Recht enthalten die §§ 823 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches. Im Allgemeinen entsteht ein gesetzlicher Haftungsanspruch nur bei rechtswidrigem und schuldhaftem Handeln (oder ggf. Unterlassen) des Verpflichteten, also wenn dieser vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Frage 1: Unter welchen Bedingungen ist es nach Auffassung der Landesregierung möglich, dass bei einem Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen dem Antragssteller ein Anspruch auf Schadensersatz aufgrund von zeitlichen Verzögerungen bei der Bearbeitung des Antrags entsteht? Zu Frage 1: Die Entstehung eines Schadenersatzanspruchs setzt in der Regel voraus, dass die Überschreitung der Regelfrist rechtswidrig war und dem Träger des Vorhabens dadurch ein konkret zu beziffernder Schaden entstanden ist. Rechtswidrig wäre eine Verfahrensverzögerung nur dann, wenn sie nicht aufgrund der Schwierigkeit der Prüfung eingetreten ist. Frage 2: Inwiefern ist die Entstehung eines solchen Anspruchs möglich, wenn sich der das übliche Maß übersteigende Zeitbedarf nachvollziehbar aus der Prüfung und Abwägung außerordentlich komplexer Sachverhalte ergibt, die als öffentlicher Belang der Genehmigung entgegenstehen könnten? Zu Frage 2: In einem solchen Fall ist die Entstehung eines Anspruchs nicht möglich, da die Verzögerung nicht rechtswidrig wäre. Frage 3: Sind im Land Brandenburg bereits Klagen anhängig oder Verfahren abgeschlossen, welche Schadensersatzforderungen aufgrund der Verfahrensdauer bei der Bearbeitung von Anträgen auf Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen zum Inhalt hatten ? (Falls ja, bitte jeweils die Anzahl der Klagen/Verfahren pro Jahr sowie gegebenenfalls deren Ausgang und die Höhe des gezahlten Schadensersatzes benennen.) Zu Frage 3: Nein. Frage 4: Wie ist die durchschnittliche Genehmigungsdauer für Anträge auf Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen im Land Brandenburg? Wie hat sich die durchschnittliche Genehmigungsdauer in den Jahren 2009-2014 entwickelt? Zu Frage 4: Die durchschnittliche Dauer der Verfahren bis zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung lag in den Jahren 2009 bis 2014 bei 6,2 Monaten. Die Entwicklung der Verfahrensdauer ergibt sich aus folgender Tabelle. Jahr Anzahl der Genehmigungen Durchschnittliche Dauer der Verfahren in Monaten 2009 52 8,5 2010 47 10,1 2011 51 7,7 2012 55 4,2 2013 70 5,2 2014 54 1,6 2009 - 2014 329 6,2 Frage 5: Welche Fristen gibt es für die Behandlung von Anträgen sowie für die Einbeziehung der Träger öffentlicher Belange? In wie vielen Fällen wurden diese Fristen in den Jahren 2009-2014 nicht eingehalten und warum war dies der Fall? Zu Frage 5: Für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für WKA sind nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen vereinfachte oder förmliche Genehmigungsverfahren durchzuführen . Vereinfachte Verfahren sind für Windparks mit bis zu 19 WKA durchzuführen, förmliche Verfahren sind für Windparks mit 20 oder mehr WKA durchzuführen und für Windparks mit weniger Anlagen, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Gem. § 10 Abs. 6 a BImSchG gilt für die Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens eine Regelfrist von 3 Monaten und für förmliche Verfahren eine Regelfrist von 7 Monaten. Diese Frist kann bei besonderer Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, (auch mehrfach) um jeweils 3 Monate verlängert werden. Die Regelfristen wurden von 2009 bis 2014 in 121 Verfahren überschritten. Die Ursachen für die Fristüberschreitungen können vielfältig sein. Beispielhaft seien genannt: - mangelhafte Antragsunterlagen mit der Folge von Nachforderungen im laufenden Verfahren, - besondere Schwierigkeit bei der Prüfung von Sachverständigengutachten z. B. zum Naturschutz, - besonders großer Umfang von Gutachten zu einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen , - fehlende planungsrechtliche Grundlagen, Veränderungssperren bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, - sehr große Anzahl von Einwendungen im förmlichen Verfahren, - Ersetzung von rechtswidrig verweigertem gemeindlichen Einvernehmen gem. § 36 Baugesetzbuch. Beteiligte Behörden haben ihre Stellungnahme gem. § 11 der 9. BImSchG innerhalb von 1 Monat abzugeben. Frage 6: Steht aus Sicht der Landesregierung die Pflicht zur zügigen Bearbeitung eines Antrags in Konflikt zu einer intensiven Prüfung entgegenstehender Interessen Dritter, wie der Träger öffentlicher Belange oder betroffener Privatpersonen, wenn die Intensität der Prüfung einen zusätzlichen Zeitbedarf mit sich bringt? Zu Frage 6: Nein. Frage 7: Unter welchen Bedingungen ist es nach Auffassung der Landesregierung möglich, dass bei einem Antrag auf Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen dem An- tragssteller bei Verweigerung der Genehmigung ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht? Zu Frage 7: Ein Schadenersatzanspruch könnte entstehen, wenn sich die Ablehnung des Antrags nachträglich als rechtswidrig erweist. Frage 8: Können sich Schadensersatzansprüche für den Antragssteller daraus ergeben, dass die Genehmigungsbehörde sich am Flächennutzungsplan einer Gemeinde und den darin enthaltenen Festlegungen bezüglich Windeignungsflächen und Ausschlusswirkungen orientiert und die Genehmigung versagt? Zu Frage 8: Das ist in besonderen Konstellationen denkbar, insbesondere in den Fällen, in denen der Flächennutzungsplan offensichtlich rechtswidrig war. Frage 9: Unter welchen Bedingungen ist es nach Auffassung der Landesregierung möglich, dass Kommunen oder Privatpersonen Schadensersatzforderungen erwachsen, wenn diese sich gegen durch das Land erteilte Genehmigungen juristisch zur Wehr setzen ? Zu Frage 9: Es ist nicht ersichtlich, worin der materielle Schaden für eine Kommune oder einen betroffenen Dritten bestehen könnte. Für den Fall, dass eine Kommune oder ein betroffener Bürger sich gegen eine erteilte Genehmigung mit Erfolg zur Wehr setzten, fallen die ggf. durch das Verfahren entstandenen Kosten dem Land zur Last. Sollte die Anfechtung einer Genehmigung durch eine Kommune oder einen Dritten keinen Erfolg haben, erübrigt sich die Frage, da kein rechtswidriges Handeln der Behörde gegeben ist. Frage 10: Unter welchen Bedingungen ist bei Genehmigungsverfahren für Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen die sofortige Vollziehung anzuordnen? Zu Frage 10: Bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Genehmigung handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die die Genehmigungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles trifft. Die Anordnung kann grundsätzlich erfolgen, wenn an einer zügigen Ausschöpfung der Genehmigung ein öffentliches Interesse oder ein überwiegendes privates Interesse besteht. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, so dass hierzu keine generalisierenden Aussagen getroffen werden können. Frage 11: Können dem Antragssteller Schadensersatzansprüche daraus erwachsen, dass keine sofortige Vollziehung angeordnet wird? Zu Frage 11: Es gelten die allgemeinen Haftungsgrundsätze (s. oben).