Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2781 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1101 der Abgeordneten Dierk Homeyer und Gordon Hoffmann der CDU-Fraktion Drucksache 6/2563 Nichtumsetzung der Schulplicht für Flüchtlingskinder in Fürstenwalde/Spree Wortlaut der Kleinen Anfrage 1101 vom 14.09.2015: Kinder von Flüchtlingen sind schulpflichtig, sobald sie die Erstaufnahmeeinrichtungen verlassen. Tatsächlich ist die Schulpflicht eine wichtige Voraussetzung für die Integration von Flüchtlingen in unsere Gesellschaft. Offenbar wird die Schulpflicht aber nicht immer durchgesetzt. So liegt uns folgender Fall vor: Der Sohn eines Asylbewerbers, der in wenigen Wochen acht Jahre alt wird, ist kürzlich allein dank des Einsatzes eines engagierten Anwohners einer Schule zugewiesen worden. Zuvor waren Vater und Sohn für einige Monate in Fürstenwalde /Spree untergebracht, ohne dass der Sohn zur Schule ging. Beide halten sich deutlich länger als sechs Monate in Deutschland auf. Aufgrund ihres Herkunftslandes besteht die berechtigte Hoffnung, dass ihr Antrag auf Asyl positiv beschieden wird. Wir fragen die Landesregierung: 1. Warum war ein Schulbesuch des Jungen in Fürstenwalde /Spree nicht möglich? 2. In wie vielen Fällen kann aktuell im Land Brandenburg die Schulpflicht nicht durchgesetzt werden? 3. Wie plant die Landesregierung die Einhaltung der Schulpflicht für Flüchtlingskinder in Zukunft sicherzustellen? 4. Welche Behörde ist nach dem Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung für die Erfassung der Flüchtlinge und die Verteilung im Land Brandenburg zuständig, und wie wird die Schulaufsicht in diesen Prozess eingebunden? 5. Auf welchem Wege werden Schulen über Flüchtlingskinder, die bei ihnen zu beschulen sind, informiert? Welche schulorganisatorischen und welche pädagogischen Hilfe können Schulen mit Flüchtlingskinder in Anspruch nehmen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Warum war ein Schulbesuch des Jungen in Fürstenwalde /Spree nicht möglich? Zu Frage 1: Durch Rückfrage an allen 4 Grundschulen in Fürstenwalde konnte das Landesamt für Schule und Lehrerbildung (LSA) Regionalstelle Frankfurt (Oder) einen Fall ermitteln, in dem zwischen dem Antrag auf einen Schulplatz (23.07.2015) und der Antwort (25.08.2015) durch die Regionalstelle Frankfurt (Oder) zeitliche Verzögerungen auftraten, die durch die Sommerferien bedingt waren. Der Schüler, der der Regionalstelle namentlich bekannt ist, besucht seit dem Schuljahr 2015/2016 regelmäßig die Grundschule „Sigmund Jähn“ in Fürstenwalde. Weitere Fälle sind der Regionalstelle Frankfurt (Oder) nicht bekannt. Die Regionalstelle Frankfurt (Oder) hält in Fürstenwalde engen Kontakt mit dem Interkulturellen Familiencentrum (Frau Harami). Frau Harami unterstützt und berät die Familien entsprechend und kümmert sich insbesondere um die schulischen Belange der Flüchtlingskinder. Frage 2: In wie vielen Fällen kann aktuell im Land Brandenburg die Schulpflicht nicht durchgesetzt werden? Zu Frage 2: Hier sind keine aktuellen Fälle bekannt. Es ist aber nicht generell auszuschließen, dass es bei der Schulanmeldung zeitliche Verzögerungen gibt, sodass die Schulpflicht nach der Verteilung in die Landkreise und kreisfreien Städte nicht unmittelbar umgesetzt werden kann. Frage 3: Wie plant die Landesregierung die Einhaltung der Schulpflicht für Flüchtlingskinder in Zukunft sicherzustellen? Zu Frage 3: Die Arbeitsgruppe Migration in der Schulaufsicht-Abteilung des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) plant eine veränderte und regelmäßig zu aktualisierende Datenerfassung der Einzugliedernden an den Schulen. Diese Datenerfassung soll u.a. die Grundlage für eine systematische und strukturelle Umsetzung der Schulpflicht darstellen. Dabei sollten sowohl die Regionalstellen des LSA als auch die Schulen des Landes unterstützt werden, um die Schulpflicht der Kinder und Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien umzusetzen und die Integration zu unterstützen. Frage 4: Welche Behörde ist nach dem Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung für die Erfassung der Flüchtlinge und die Verteilung im Land Brandenburg zuständig, und wie wird die Schulaufsicht in diesen Prozess eingebunden? Frage 5: Auf welchem Wege werden Schulen über Flüchtlingskinder, die bei ihnen zu beschulen sind, in-formiert? Welche schulorganisatorischen und welche pädagogischen Hilfe können Schulen mit Flüchtlingskinder in Anspruch nehmen? Zu den Fragen 4 und 5: Nach dem Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE), in der die Schulpflicht ruht, erfolgt die Zuweisung in die Landkreise und kreisfreien Städte. Die im LSA landesweit zuständige Koordinatorin für Migration erhält von der Zentralen Ausländerbehörde / EAE entsprechende Transferlisten mit Informationen u.a. zu Name, Geburtsdatum und Ort des Transfers. Diese werden durch die Koordinatorin mit den notwendigen Informationen an die Regionalstellen des LSA weitergeleitet. Nach dem Eintreffen in den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten beginnt die Schulpflicht. Mit Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern und Sozialarbeitern melden die Eltern ihre Kinder in der Schule an. Die Schulaufsicht ist in dieser Phase durch Beratung und Information der Schulen eingebunden. Die Schulleitung entscheidet über die Aufnahme und führt ein Aufnahmegespräch. Für die Schulen ist durch die Arbeitsgruppe Migration in der Schulaufsicht-Abteilung des MBJS eine Materialzusammenstellung zur Unterstützung bei der Aufnahme und Integration von Kindern und Jugendlichen aus Asylbewerber- und Flüchtlingsfamilien erarbeitet worden. Die Materialsammlung besteht aus zwei Ordnern. Der erste Ordner enthält neu erarbeitete Unterstützungsmaterialien für die Aufnahme und Integration der Kinder und Jugendlichen, der zweite Ordner bereits bekannte Informationen, die in diesem Ordner gebündelt werden. Im ersten Ordner finden die Schulen einen von der Otto-Buchwitz-Schule und der Astrid-Lindgren-Grundschule in Eisenhüttenstadt erarbeiteten Leitfaden zur schulischen Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen im schulfähigen Alter in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) in Eisenhüttenstadt und ihren Außenstellen. Der Leitfaden enthält ein Portfolio, das eine Grundlage im Aufnahmegespräch mit den Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern bzw. den Sozialarbeitern darstellt. Jedes Kind, das in einer Erstaufnahmeeinrichtung an Sprachförderkursen teilgenommen hat, erhält dieses Portfolio, das von den in der Erstaufnahmeeinrichtung unterrichtenden Lehrkräften und den Kindern und Jugendlichen gemeinsam ausgefüllt wird. Außerdem sind folgende weitere Materialien enthalten: Ordner 1 – Unterstützungsmaterialien o Leitfaden zur schulischen Integration o Kurzübersicht zur schulischen Integration o Materialempfehlungen o Rechtslage zur Finanzierung von Dolmetscherleistungen Ordner 2 – Informationsschreiben o Unterstützung Ehrenamt (LSA) o Erstuntersuchung (MASGF) o Schulärztliche Untersuchung (MASGF) o Ärztliche Untersuchung (LSA) Die Materialien werden stetig weiterentwickelt, ergänzt und den Schulen zugeschickt.