Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2905 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1161 der Abgeordneten Birgit Bessin, Dr. Rainer van Raemdonck und Steffen Königer der AfD-Fraktion Drucksache 6/2744 Verabreichung von Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen Wortlaut der Kleinen Anfrage 1161 vom 08.10.2015: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen hat ermittelt, dass in Deutschland 2,2 Millionen Pflegebedürftige zu versorgen sind, von denen 1,5 Millionen zu Hause leben und ambulant betreut werden und 700.000 stationär in Heimen betreut werden. Bundesweit leben 1,1 Millionen Demenzkranke, von denen 240.000 Menschen zu Unrecht mit Psychopharmaka behandelt werden. Dies hat die Studie des Zentrums für Sozialpolitik der Uni Bremen ergeben. (Quelle Pressemitteilung des Amtsgericht München vom 27.06.2014) Unter der psychopharmakologischen Wirkung von neuroleptikabehandelten Patienten kommt es, medizinisch nachgewiesen, überdurchschnittlich oft zu folgenden Vorfällen: Verbrühungen; gegen Möbel prallen, umfallen, aus dem Bett fallen, beim Gang zur Toilette stürzen, sich Schürfwunden, Blutungen und Brüche zuziehen, insbesondere Oberschenkelhalsbrüche. Angehörige bestätigen immer wieder, dass im Blut ihrer Angehörigen Substanzen von Psychopharmaka gefunden wurden, die nicht vom Arzt verschrieben waren. Darüber hinaus hat die Analyse diverser Langzeitstudien aus verschiedenen europäischen Ländern gezeigt, dass eine Langzeitbehandlung mit Neuroleptika die Lebenserwartung der Betroffenen um bis zu 30 Jahre verkürzt. Quelle: "Mortalität durch Neuroleptika" von Dr. med. Volkmar Aderhold, veröffentlicht in Soziale Psychiatrie 04/2007 Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Pflegebedürftige im Land Brandenburg werden mit Psychopharmaka behandelt? Bitte unterteilen nach Art der Pflege. (häuslich, stationär, im Pflegeheim) 2. Wie viele davon sind Demenzkranke? 3. Prozentual wie viele Pflegebedürftige wurden vor der Behandlung umfassend über die Nebenwirkungen und Gefahren dieser stark seditativ wirkenden Medikamente aufgeklärt? Wie wird diese Aufklärung jeweils dokumentiert? 4. Wie viel Prozent der mit Psychopharmaka behandelten Patienten nehmen diese freiwillig, wie viele gegen ihren erklärten Willen? 5. Wie viele Pflegebedürftige verstarben in den Heimen in den letzten 10 Jahren? 6. Wie viele Pflegebedürftige standen vor ihrem Tod unter Psychopharmaka? Bitte geben Sie hier Anzahl und Dosierung der jeweiligen Mittel an. 7. Wie oft stellten in den letzten 10 Jahren psychiatrisches Gutachten die Grundlage zur Einschätzung einer Person als "Pflegefall" bzw. "Pflegebedürftige Person" dar? 8. Wie wird bei der Vergabe von Gutachteraufträgen die Qualifikation der Gutachter geprüft? 9. Wie viele dieser Gutachten waren durch das Land ausgelöste Zwangsgutachten? 10. Durch wen wurden diese Gutachten jeweils finanziert? 11. Wie viele dieser Gutachten stellten psychische Störungen aus dem psychiatrischen Diagnosebuch DSM-V bzw. der ICD-10 beim Betroffenen fest? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Pflegebedürftige im Land Brandenburg werden mit Psychopharmaka behandelt? Bitte unterteilen nach Art der Pflege. (häuslich, stationär, im Pflegeheim ) Frage 2: Wie viele davon sind Demenzkranke? Frage 5: Wie viele Pflegebedürftige verstarben in den Heimen in den letzten 10 Jahren ? Frage 6: Wie viele Pflegebedürftige standen vor ihrem Tod unter Psychopharmaka? Bitte geben Sie hier Anzahl und Dosierung der jeweiligen Mittel an. zu den Fragen 1, 2, 5 und 6: Entsprechende Daten liegen der Landesregierung nicht vor. Frage 3: Prozentual wie viele Pflegebedürftige wurden vor der Behandlung umfassend über die Nebenwirkungen und Gefahren dieser stark seditativ wirkenden Medikamente aufgeklärt? Wie wird diese Aufklärung jeweils dokumentiert? Frage 4: Wie viel Prozent der mit Psychopharmaka behandelten Patienten nehmen diese freiwillig, wie viele gegen ihren erklärten Willen? zu den Fragen 3 und 4: Die erfragten Daten liegen der Landesregierung ebenfalls nicht vor. Die medizinische Versorgung in Alten- und Pflegeheimen wird primär durch das System der ambulanten Versorgung, in der Mehrzahl niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, geleistet . Hierzu gehört auch die Verordnung von Medikamenten einschließlich der Medikamente zur Behandlung von psychischen Störungen. Eine psychopharmakologische Behandlung bedarf, genauso wie jede andere medizinische Behandlung oder Maßnahme, der Einwilligung der Patientin oder des Patienten . Sollte ein Mensch aufgrund einer Krankheit oder einer Behinderung nicht in der Lage sein, in eine medizinisch indizierte Behandlung einzuwilligen, so ist es nur unter bestimmten und engen Voraussetzungen möglich, eine solche durchzuführen. Dies wird – nach der im Februar 2013 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Novellierung des Betreuungsrechtes – explizit in den §§ 1896, 1906 Absatz 3 und Absatz 3a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Soll eine ärztliche Zwangsmaßnahme durchgeführt werden, so ist immer die explizite Genehmigung des zuständigen Betreuungsgerichtes notwendig. Frage 7: Wie oft stellten in den letzten 10 Jahren psychiatrisches Gutachten die Grundlage zur Einschätzung einer Person als "Pflegefall" bzw. "Pflegebedürftige Person" dar? zu Frage 7: Die Pflegekassen beauftragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung oder andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Vorgaben zur Durchführung dieser Prüfung sind in § 18 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie in den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (http://www.mdk.de/media/pdf/BRi_Pflege_090608.pdf) festgelegt. Die Begutachtung erfolgt in aller Regel durch persönliche Inaugenscheinnahme der oder des Antragstellenden . Auf ein psychiatrisches Gutachten allein kann die Prüfung nicht gestützt werden. Umgekehrt sind die Angewiesenheit auf Pflege bzw. das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit keine ausreichenden Kriterien, um eine ärztliche Zwangsmaßnahme nach § 1906 Absatz 3 BGB oder gar eine Unterbringung nach § 1906 Absatz 1 und 2 BGB bzw. nach § 8 des Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetzes (BbgPsychKG) zu begründen. Frage 8: Wie wird bei der Vergabe von Gutachteraufträgen die Qualifikation der Gutachter geprüft? zu Frage 8: In den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches ist hierzu ausgeführt: „Die Begutachtungen sind durch geschulte und qualifizierte Gutachter durchzuführen . Sie erfolgen durch Ärzte, Pflegefachkräfte und andere Fachkräfte, die der Medi- zinische Dienst für die Bewältigung des laufenden Arbeitsanfalls vorhält. Der Medizinische Dienst kann zur Bewältigung von Antragsspitzen und zu speziellen gutachterlichen Fragestellungen Ärzte, Pflegefachkräfte oder andere geeignete Fachkräfte bei der Erstellung des Gutachtens als externe Kräfte beteiligen. Die Verantwortung für die Begutachtung trägt der Medizinische Dienst auch dann, wenn externe Sachverständige beteiligt waren. Als externe Kräfte sind vorrangig Mitarbeiter anderer Gutachterdienste , insbesondere des öffentlichen Gesundheitswesens und der Versorgungsverwaltung oder anderer Sozialleistungsträger zu beauftragen. Sofern ausnahmsweise niedergelassene Ärzte oder Pflegefachkräfte von Sozialstationen, gewerblichen Pflegediensten sowie in der Pflege selbständig Tätige als externe Kräfte beauftragt werden, ist sicherzustellen, dass keine Interessenkollisionen entstehen.“ Frage 9: Wie viele dieser Gutachten waren durch das Land ausgelöste Zwangsgutachten ? zu Frage 9: Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI können nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Sie erfolgen nach Antrag der versicherten Person auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Erteilt die versicherte Person zu der Begutachtung nicht ihr Einverständnis, kann die Pflegekasse die beantragten Leistungen gemäß § 18 Absatz 2 Satz 2 SGB XI verweigern. Frage 10: Durch wen wurden diese Gutachten jeweils finanziert? zu Frage 10: Die Finanzierung der Aufgaben des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – hierzu gehören die Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung oder durch ihn beauftragte externe Gutachter – erfolgt über eine von den Krankenkassen aufzubringende Umlage. Die Pflegekassen tragen die Hälfte dieser Umlage. Frage 11: Wie viele dieser Gutachten stellten psychische Störungen aus dem psychiatrischen Diagnosebuch DSM-V bzw. der ICD-10 beim Betroffenen fest? zu Frage 11: Die angesprochene Begutachtung hat zum Ziel, das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI festzustellen. Nach § 14 SGB XI ist Voraussetzung hierfür das Vorliegen eines je nach Pflegestufe unterschiedlich hohen Zeitaufwandes für erforderliche verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Die Diagnose von Erkrankungen gehört nicht zu den Aufgaben und Inhalten dieser Begutachtung .