Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3032 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1201 des Abgeordneten Péter Vida BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/2815 Rechtswidrige und undemokratische Besetzung der Ausschussvorsitze in der SVV Liebenwalde Wortlaut der Kleinen Anfrage 1201 vom 21.10.2015: Entgegen der eindeutigen Regelung des § 43 Abs. 5 BbgKVerf werden die Vorsitze in den Fachausschüssen der Stadtverordnetenversammlung Liebenwalde seit der Kommunalwahl 2014 nicht nach D'Hondt-Höchstzählverfahren vergeben. Unter kompletter Ignorierung des auf Beteiligung der Opposition setzenden Gesetzeswortlautes werden die Ausschussvorsitzenden jeweils getrennt in den Ausschüssen gewählt, mit der Folge, dass die CDU-LGU-Mehrheit in SVV und Fachausschuss jeweils ihren Kandidaten durchgesetzt hat. Alle Fachausschussvorsitzenden werden ausschließlich von Vertretern der CDU-Fraktion gestellt. Die SVV ist wie folgt zusammengesetzt: CDU: 6 Sitze Linke: 3 Sitze LGU: 3 Sitze BfL: 2 Sitze SPD: 2 Sitze Dennoch wurden sämtliche Ausschussvorsitze an die CDU gegeben, indem in jedem Ausschuss entgegen der klaren gesetzlichen Bestimmung getrennte Wahlen durchgeführt worden sind, bei denen jeweils der CDU-Kandidat gewann. Trotz mehrfacher Beschwerden zahlreicher Stadtverordneten und kleinerer Fraktionen verweigert der Bürgermeister samt der SVV-Mehrheit die gesetzesmäßige Besetzung der Ausschussvorsitze . Um diesem grob rechtswidrigen Vorgehen den Anschein der Legalität zu verleihen, wurde sogar per Mehrheitsbeschluss (natürlich nicht einstimmig) die Geschäftsordnung der SVV dahingehend geändert, dass die Ausschussvorsitze entgegen § 43 Abs. 5 BbgKVerf gewählt werden, sodass die Beteiligungsmöglichkeiten der Opposition bei der Besetzung der Vorsitze komplett ausgeschaltet sind. Die Änderung der Geschäftsordnung wurde unter krassem Verstoß gegen die Kommunalverfassung beschlossen. Bisherige Versuche der betroffenen kleineren Fraktionen, ein Einschreiten der Kommunalaufsicht zu erzwingen, waren ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt. So wurde von mehreren kleineren Fraktionen ein Antrag auf Einberufung der SVV gestellt, um die Neubesetzung der Ausschussvorsitze vorzunehmen. Der Vorsitzende der SVV (CDU-Fraktion) verweigerte entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf die Einberufung der Sitzung. Auch die Kommunalaufsicht des Landkreises Oberhavel sah keine Veranlassung, aufsichtsrechtlich tätig zu werden und erklärte in ihrem Schreiben vom 29.07.2015 unter grober Falschwiedergabe des Gesetzestextes, dass die Einberufung auch beim Verlangen von einem Fünftel der SVV-Mitglieder nur zu erfolgen habe, wenn mindestens 3 Monate seit der letzten Sitzung der SVV vergangen wären (sic!). Hierzu wurde durch den Sachbearbeiter der Kommunalaufsicht der Gesetzestext erkennbar falsch formatiert und wiedergegeben, sodass der Eindruck entsteht, dass die Einschränkung „frühestens drei Monate nach...“ sowohl zu Nr. 1 als auch zu Nr. 2 des § 34 Abs. 2 gehört (sic!), was offensichtlich nicht richtig ist. Auf diesem Wege beflügelte die Kommunalaufsicht (allgemeine untere Landesbehörde!) durch fehlerhafte Wiedergabe des Gesetzestextes den Beibehalt des rechtswidrigen Zustandes in der SVV Liebenwalde . Bis zum heutigen Tag (anderthalb Jahre nach der Kommunalwahl) besteht in Liebenwalde eine eindeutig rechtswidrige Lage bei der Besetzung der Ausschussvorsitze . Ich frage die Landesregierung: 1. Wie ist es möglich, dass in der SVV Liebenwalde seit anderthalb Jahren derart offensichtlich gegen die Bestimmungen der Kommunalverfassung verstoßen wird? 2. Wie ist es möglich, dass die Kommunalaufsicht des Landkreises Oberhavel als allgemeine untere Landesbehörde diesen Zustand duldet und trotz mehrfacher Beschwerden bisher keine konkreten, den Zustand in eine rechtmäßige Lage versetzenden Maßnahmen ergriffen hat? 3. Ist die Gesetzesinterpretation der Kommunalaufsicht des Landkreises Oberhavel als allgemeine untere Landesbehörde, wonach eine Einberufung der SVV gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf erst 3 Monate nach der letzten Sitzung erfolgen müsse , richtig? 4. Wenn Frage 3 mit Nein beantwortet wird: Wer trägt die Verantwortung für die fehlerhafte Gesetzesanwendung und die damit einhergehende Beibehaltung des rechtswidrigen Zustandes? 5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung – konkret das Innenministerium als obere Kommunalaufsicht – ergriffen, um die einheitliche und rechtmäßige Anwendung von Landesrecht in Liebenwalde durchzusetzen? 6. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Besetzung der Ausschussvorsitze nach dem D'Hondt-Höchstzählverfahren auch dazu dienen soll, der politischen Opposition angemessene Mitwirkungsrechte zu geben? Wird diesem Prinzip der Mitwirkungsmöglichkeit noch Rechnung getragen, wenn alle Ausschuss- vorsitze nur einer einzigen Fraktion (deren Wahlergebnis im Übrigen: 35,2 %) anheimfallen ? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie ist es möglich, dass in der SVV Liebenwalde seit anderthalb Jahren derart offensichtlich gegen die Bestimmungen der Kommunalverfassung verstoßen wird? Frage 2: Wie ist es möglich, dass die Kommunalaufsicht des Landkreises Oberhavel als allgemeine untere Landesbehörde diesen Zustand duldet und trotz mehrfacher Beschwerden bisher keine konkreten, den Zustand in eine rechtmäßige Lage versetzenden Maßnahmen ergriffen hat? zu den Fragen 1 und 2: Das 2014 in der Stadt Liebenwalde praktizierte Verfahren zur Besetzung der Ausschussvorsitze jeweils durch Wahlbeschluss in den Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung (SVV) zeigt anhand der Sitzungsniederschriften, dass eine Fraktion der Stadtverordnetenversammlung zumindest in einem der Ausschüsse zu Unrecht den Vorsitz durch ihr Fraktionsmitglied wahrnimmt. Die Sitzungsniederschriften zeigen aber auch, dass alle Beschlussfassungen im Zusammenhang mit der Besetzung der Ausschüsse wie auch mit der Besetzung der Vorsitze der Ausschüsse mit einstimmigem Beschlussergebnis vorgenommen wurden. Laut Auskunft der Stadt Liebenwalde erfolgte seit der Ausschussbesetzung 2014 eine inhaltliche Arbeit. Alle Ausschüsse haben seit dem Zeitpunkt mehrfach getagt. Die Kommunalaufsicht des Landkreises Oberhavel hat zu keiner Zeit einen rechtswidrigen Zustand geduldet. Neben einer reinen Gesetzmäßigkeitskontrolle hat die Aufsicht aus dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses heraus auch eine positive Schutz- und Förderungsfunktion. Die Aufsicht hat die Aufgabenerfüllung der Gemeinde zu sichern und durch Beratung und Förderung der gemeindlichen Belange die Voraussetzungen für eine Aufgabenerfüllung durch die Gemeinde zu schaffen. Die Kommunalaufsicht unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, was auch das Übermaßverbot beinhaltet. Vor jedwedem Vorgehen gegen rechtswidriges Tun oder Unterlassen muss die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde der Kommune die Möglichkeit der Selbstkorrektur einräumen. Vor diesem Hintergrund wurden seit Kenntnis des Sachverhaltes durch die zuständige Kommunalaufsicht des Landkreises Oberhavel im Februar 2015 mit der Stadt Liebenwalde andauernde Gespräche geführt sowie schriftliche Hinweise zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustands gegeben . Die Stadt Liebenwalde hat immer wieder versichert, selbst rechtmäßige Zustände herstellen zu wollen. Frage 3: Ist die Gesetzesinterpretation der Kommunalaufsicht des Landkreises Oberhavel als allgemeine untere Landesbehörde, wonach eine Einberufung der SVV gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf erst 3 Monate nach der letzten Sitzung erfolgen müsse, richtig ? zu Frage 3: Nach § 34 Abs. 2 BbgKVerf ist die Gemeindevertretung unverzüglich einzuberufen, wenn 1. mindestens ein Fünftel der gesetzlichen Anzahl der Gemeindevertreter oder der Hauptverwaltungsbeamte oder 2. mindestens ein Zehntel der gesetzlichen Anzahl der Gemeindevertreter oder einer Fraktion unter Angabe des Beratungsgegenstandes frühestens drei Monate nach der letzten Gemeindevertretersitzung die Einberufung verlangen. Frage 4: Wenn Frage 3 mit Nein beantwortet wird: Wer trägt die Verantwortung für die fehlerhafte Gesetzesanwendung und die damit einhergehende Beibehaltung des rechtswidrigen Zustandes? zu Frage 4: Eine fehlerhafte Gesetzesanwendung ist nicht erfolgt. Durch die Antragsteller wurde eine Einberufung der Stadtverordnetenversammlung unter verkürzter Ladungsfrist beantragt. Diese Form der Einberufung ist nach der Gesetzessystematik und der Gesetzesbegründung dringenden Angelegenheiten vorbehalten , die nicht bis zu einer in regelmäßiger Ladungsfrist einberufenen Gemeindevertretungssitzung aufgeschoben werden können und in denen anderenfalls zur Abwendung einer Gefahr oder eines erheblichen Nachteils eine Eilentscheidung nach § 58 BbgKVerf getroffen werden müsste. Die Entscheidung, dass ein solcher Fall der Dringlichkeit nicht vorlag, ist nachvollziehbar. Darüber hinaus war der Antrag von drei Gemeindevertretern unterzeichnet. Dies entspricht keinem Fünftel der gesetzlichen Anzahl der Gemeindevertreter. Frage 5: Welche Maßnahmen hat die Landesregierung – konkret das Innenministerium als obere Kommunalaufsicht – ergriffen, um die einheitliche und rechtmäßige Anwendung von Landesrecht in Liebenwalde durchzusetzen? zu Frage 5: Nach § 110 Abs. 1 BbgKVerf führt der Landrat als allgemeine untere Landesbehörde die Aufsicht über die kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Die Kommunalaufsicht über die Stadt Liebenwalde obliegt daher dem Landrat des Landkreises Oberhavel . Frage 6: Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Besetzung der Ausschussvorsitze nach dem D'Hondt-Höchstzählverfahren auch dazu dienen soll, der politischen Opposition angemessene Mitwirkungsrechte zu geben? Wird diesem Prinzip der Mitwirkungsmöglichkeit noch Rechnung getragen, wenn alle Ausschussvorsitze nur einer einzigen Fraktion (deren Wahlergebnis im Übrigen: 35,2 %) anheimfallen? zu Frage 6: Nach § 43 Abs. 5 BbgKVerf werden die Ausschussvorsitze nach dem Höchstzahlverfahren nach d’Hondt in der Reihenfolge der Höchstzahlen auf die Fraktionen verteilt. Bei gleichen Höchstzahlen entscheidet das Los, sofern die betroffenen Fraktionen keine Einigung erzielen. Die Verteilung nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren erfolgt, weil dies eine Reihenfolge des Zugriffsrechts zulässt. Die Geschäftsordnung kann jedoch ein abweichendes Verfahren vorsehen, wobei das Stärkeverhältnis der Fraktionen hierbei berücksichtigt werden soll. Die Gemeindevertretung kann einstimmig eine andere Verteilung beschließen. Macht die Gemeindevertretung von der Möglichkeit Gebrauch, durch Geschäftsordnungsregel ein abweichendes Verfahren festzulegen, so soll das Stärkeverhältnis der Fraktionen berücksichtigt werden. Diese Vorgabe ist daher grundsätzlich verpflichtend , es sei denn, aufgrund der Besonderheiten in der jeweiligen Gemeindevertretung ergeben sich hinreichende Gründe für eine abweichende Verfahrensweise. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine Fraktion von vornherein auf die Einbeziehung bei Ausschussvorsitzenden verzichtet. In den meisten Fällen dürfte dann aber auch ein einstimmiger Beschluss zu erzielen sein, bei welchem das Stärkeverhältnis nicht zu berücksichtigen ist. Das Stärkeverhältnis wird nicht ausreichend berücksichtigt , wenn die Ausschüsse den Vorsitzenden aus ihrer Mitte bestimmen, da sich in diesem Fall die Mehrheit in jedem Ausschuss durchsetzen könnte.