Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3071 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1241 der Abgeordneten Ina Muhß der Fraktion der SPD Drucksache 6/2904 Ende des besonderen Kündigungsschutzes von Erholungsgrundstücken nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) Wortlaut der Kleinen Anfrage 1241 vom 4. November 2015: Das SchuldRAnpG ist die rechtliche Grundlage für Wochenendhäuser aus DDR- Zeiten, die auf fremdem Grund und Boden errichtet wurden. Nach dem DDR-Recht waren die Nutzungsverträge für bebaute Erholungsgrundstücke (sog. Datschen) faktisch unkündbar. Mit der Novellierung des Gesetzes endet der besondere Kündigungsschutz mit dem 3. Oktober 2015 für nach dem Recht der DDR abgeschlossene Nutzungsverträge für Datschen, die vor dem 3. Oktober 1990 abgeschlossen wurden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Pachtverträge für bebaute Erholungsgrundstücke , die vor dem 3. Oktober 1990 abgeschlossen wurden, mit a) dem Land als Eigentümer, b) Kommunen als Eigentümer, c) privaten Eigentümern bestehen? 2. Ist bekannt, ob Kündigungen der Pachtverträge im nennenswerten Umfang zu erwarten sind? 3. Wenn eine Kündigung zu erwarten ist (z. B. im Naturschutzgebiet oder weil ein B-Plan es vorsieht), gibt es rechtliche und/oder wirtschaftliche Unterschiede, ob a) der Bodeneigentümer, b) der Nutzer kündigt? 4. Welche unterschiedlichen Auswirkungen einer Kündigung durch Eigentümer oder Nutzer kommen zum Tragen a) innerhalb der Investitionsschutzfrist (bis 3. Oktober 2022), b) danach? 5. a) Wer ist in den unterschiedlichen Fällen für den Rückbau der Datsche zuständig? b) Welche finanziellen Belastungen kommen auf den Nutzer zu? c) Kann der Nutzer eine Entschädigung verlangen? 6. Unter welchen Bedingungen besteht die Möglichkeit für den Nutzer, ohne finanzielle Aufwendungen das Grundstück zu verlassen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Pachtverträge für bebaute Erholungsgrundstücke , die vor dem 3. Oktober 1990 abgeschlossen wurden, mit a) dem Land als Eigentümer, b) Kommunen als Eigentümer, c) privaten Eigentümern bestehen? zu Frage 1: Die Zahl der dem SchuldRAnpG unterliegenden Rechtsverhältnisse lässt sich nicht konkret beziffern, da keine flächendeckenden Erhebungen erfolgt sind. Frage 2: Ist bekannt, ob Kündigungen der Pachtverträge im nennenswerten Umfang zu erwarten sind? zu Frage 2: Hierzu liegen der Landesregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor. Nach einer Presseverlautbarung des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer e. V. ist nicht mit einer großen Kündigungswelle zu rechnen. Frage 3: Wenn eine Kündigung zu erwarten ist (z. B. im Naturschutzgebiet oder weil ein B- Plan es vorsieht), gibt es rechtliche und/oder wirtschaftliche Unterschiede, ob a) der Bodeneigentümer, b) der Nutzer kündigt? zu Frage 3: Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass der Nutzer den Nutzungsvertrag nach dem SchuldRAnpG jederzeit außerordentlich oder ordentlich unter Einhaltung etwaiger vertraglich getroffener Kündigungsfristen oder gemäß den gesetzlichen Kündigungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beenden kann, während die Kündigungsmöglichkeiten des Grundstückseigentümers bis zum Ablauf des besonderen Kündigungsschutzes am 3. Oktober 2015 nach § 23 Abs. 4 SchuldRAnpG begrenzt waren. Seit dem 4. Oktober 2015 kann der Grundstückseigentümer den Nutzungsvertrag uneingeschränkt nach den miet- bzw. pachtrechtlichen Bestimmungen des BGB und damit auch ordentlich kündigen. Gemeinsame Rechtsfolge ist in beiden Fällen, also unabhängig davon, wer den Nutzungsvertrag beendet, dass das Eigentum des Nutzers an den vom ihm geschaffenen Baulichkeiten (z. B. einer sog. Datsche) auf den Grundstückseigentümer übergeht und eine mit Grund und Boden nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck verbundene Baulichkeit wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird (vgl. § 11 Abs. 1 SchuldRAnpG). Rechtliche Unterschiede können sich allerdings hinsichtlich der Frage eines etwaigen Entschädigungsanspruchs des Nutzers für das von ihm errichtete Bauwerk sowie für die Verteilung der für die Beseitigung des Bauwerks entstehenden Kosten ergeben. Hierfür ist entscheidend, ob der Grundstückseigentümer oder der Nutzer den Nutzungsvertrag gekündigt hat und zu welchem Zeitpunkt das Vertragsverhältnis beendet wurde. Frage 4: Welche unterschiedlichen Auswirkungen einer Kündigung durch Eigentümer oder Nutzer kommen zum Tragen a) innerhalb der Investitionsschutzfrist (bis 3. Oktober 2022), b) danach? zu Frage 4: Die Rechtsfolgen einer Kündigung des Nutzungsvertrages sind unterschiedlich, je nachdem durch wen (Grundstückseigentümer oder Nutzer) und wann das Vertragsverhältnis beendet wird. Beim Beendigungszeitpunkt werden die folgenden drei Zeiträume unterschieden: der Zeitraum nach Ablauf der besonderen Kündigungsschutzfrist am 4. Oktober 2015 bis zum Ende der sog. Investitionsschutzfrist am 3. Oktober 2022 (Phase 1), der Zeitraum nach Ablauf der sog. Investitionsschutzfrist am 4. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2022 (Phase 2) und der Zeitraum ab dem 1. Januar 2023 (Phase 3). Erfolgt die Beendigung des Nutzungsvertrages durch ordentliche Grundstückseigentümerkündigung zwischen dem 4. Oktober 2015 und dem 3. Oktober 2022 (Phase 1), kann der Nutzer für das von ihm errichtete Bauwerk einen Entschädigungsanspruch gegen den Grundstückseigentümer geltend machen, dessen Höhe sich nach dem Zeitwert des Bauwerks im Zeitpunkt der Rückgabe des Grundstücks bemisst (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 SchuldRAnpG). Ein Entschädigungsanspruch für vom Nutzer getätigte Anpflanzungen orientiert sich ebenfalls am Zeitwert (vgl. § 27 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Satz 1 SchuldRAnpG). Etwas anderes gilt, wenn der Nutzungsvertrag durch ordentliche Grundstückseigentümerkündigung während der Phase 2 und der Phase 3 beendet wird. Der Nutzer kann einen Entschädigungsanspruch für das von ihm errichtete Bauwerk und für von ihm durchgeführte Anpflanzungen nur verlangen, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk bzw. die Anpflanzungen erhöht ist (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 Var. 2, Abs. 3 in Verbindung mit § 27 SchuldRAnpG). Der Nutzer ist bei einer Beendigung des Nutzungsvertrages durch ordentliche Grundstückseigentümerkündigung bis zum 31. Dezember 2022 (Phase 1 und Phase 2) nicht zur Beseitigung des Bauwerks verpflichtet (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 SchuldRAnpG). Allerdings kann der Grundstückseigentümer das Bauwerk abreißen lassen, wobei er gegenüber dem Nutzer immer verpflichtet ist, den beabsichtigten Abbruch des Bauwerks rechtzeitig anzuzeigen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 SchuldRAnpG). Bei Vertragsbeendigung durch ordentliche Grundstückseigentümerkündigung innerhalb der Phase 1 trägt der Grundstückseigentümer die Abbruchkosten allein (vgl. § 15 Abs. 1 SchuldRAnpG). Bei Vertragsbeendigung während der Phase 2 trägt der Nutzer die zur Beseitigung des Bauwerks anfallenden Abbruchkosten zur Hälfte, wenn der Abbruch innerhalb eines Jahres nach Besitzübergang vorgenommen wurde (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 Var. 2 SchuldRAnpG). Für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2023 (Phase 3) bestimmt § 15 Abs. 3 SchuldRAnpG, dass die allgemeinen Vorschriften des BGB gelten. Nach allgemeinem Miet- und Pachtrecht besteht grundsätzlich die Verpflichtung zur Rückgabe der Sache in ihrem ursprünglichen Zustand . Etwaige Bauwerke müssen vom Nutzer also auf seine Kosten beseitigt werden . Bei einer Beendigung des Nutzungsvertrages durch ordentliche Nutzerkündigung richtet sich ein etwaiger Entschädigungsanspruch des Nutzers für das von ihm errichtete Bauwerk nach dem durch das Bauwerk erhöhten Verkehrswert des Grundstücks (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 in Verbindung mit Abs. 3 SchuldRAnpG). Gleiches gilt für einen etwaigen Entschädigungsanspruch für von ihm getätigte Anpflanzungen (vgl. § 27 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 und Abs. 3 SchuldRAnpG). Endet der Nutzungsvertrag aufgrund der ordentlichen Nutzerkündigung bis zum 31. Dezember 2022 (Phase 1 und Phase 2), ist der Nutzer nicht zur Beseitigung des Bauwerks verpflichtet. Er trägt aber die Hälfte der Abbruchkosten, wenn der Abbruch innerhalb eines Jahres nach Besitzübergang vorgenommen wird und der Grundstückseigentümer dem Nutzer den beabsichtigten Abbruch rechtzeitig angezeigt hat (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 Var. 2 SchuldRAnpG). Endet der Nutzungsvertrag durch Kündigung des Nutzers in dem Zeitraum ab dem 1. Januar 2023 (Phase 3) sind die Regelungen des § 15 SchuldRAnpG nicht mehr anzuwenden (vgl. § 15 Abs. 3 SchuldRAnpG). Dies hat zur Folge, dass die allgemeinen miet- und pachtrechtlichen Vorschriften des BGB einschlägig sind, wonach der Nutzer zur Beseitigung des Bauwerks verpflichtet ist und die Abbruchkosten allein zu tragen hat. Frage 5: a) Wer ist in den unterschiedlichen Fällen für den Rückbau der Datsche zuständig? b) Welche finanziellen Belastungen kommen auf den Nutzer zu? c) Kann der Nutzer eine Entschädigung verlangen? zu Frage 5: Die Fragen, wer für den Rückbau der Datsche zuständig ist, welche finanziellen Belastungen auf den Nutzer zukommen und ob dieser eine Entschädigung verlangen kann, sind vom Zeitpunkt der Vertragsbeendigung und davon abhängig, ob der Grundstückseigentümer oder der Nutzer den Nutzungsvertrag kündigt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Frage 6: Unter welchen Bedingungen besteht die Möglichkeit für den Nutzer, ohne finanzielle Aufwendungen das Grundstück zu verlassen? zu Frage 6: Der Nutzer kann in zwei Fällen das Grundstück ohne finanzielle Aufwendungen verlassen . Zum einen treffen ihn keine finanziellen Aufwendungen nach dem SchuldRAnpG, wenn der Nutzungsvertrag durch Grundstückseigentümer- oder Nutzerkündigung beendet wird und der Grundstückseigentümer den Abbruch des vom Nutzer errichteten Bauwerks nicht wünscht. Zum anderen trifft ihn dann keine Kostentragungspflicht nach dem SchuldRAnpG, wenn der Nutzungsvertrag durch Kündigung des Grundstückseigentümers bis zum 3. Oktober 2022 beendet wird. In diesem Fall besteht keine Beseitigungspflicht des Nutzers und der Grundstückseigentümer trägt die Abbruchkosten allein.