Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3148 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1264 der Abgeordneten Danny Eichelbaum und Björn Lakenmacher der CDU-Fraktion Drucksache 6/2979 Schleusungskriminalität in Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage 1264 vom 13. November 2015: Der Bereich der Schleusungskriminalität umfasst alle mit unerlaubter Einreise und dem Einschleusen von Ausländern in Zusammenhang stehende Delikte. Hierzu zählen insbesondere Urkundendelikte zur Ermöglichung unerlaubter Einreise, unerlaubter Aufenthalt von Ausländern, Erschleichung von Aufenthaltstiteln, Menschenhandel im Zusammenhang mit dem Einschleusen von Ausländern durch Fluchthelfer oder Schleuser und Formen der illegalen Beschäftigung durch irreguläre Migranten. Aufgrund der angestiegenen Flüchtlingszahlen ist auch mit einem Anstieg der Schleusungskriminalität zu rechnen. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Fälle der Schleusungskriminalität hat es jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 in Brandenburg gegeben (bitte aufschlüsseln nach den einzelnen Straftatbeständen)? 2. Gegen wie viele Schleuser und Fluchthelfer wurde jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 wegen welcher Straftaten ein Ermittlungsverfahren geführt? 3. Wie viele Schleuser und Fluchthelfer wurden jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 aufgrund welcher Straftatbestände zu Geld-, Bewährungs - und Freiheitsstraften verurteilt? 4. Wie viele Verfahren wurden jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 eingestellt ? 5. Wie viele verurteilte Schleuser aus anderen Ländern sind in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg untergebracht (bitte aufschlüsseln nach Staatsangehörigkeit und Straftatbeständen)? 6. Wie viele Migranten sind jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 Opfer von Schleusungskriminalität geworden? 7. Wie viele dieser Migranten sind ausreisepflichtige Personen? Wie viele von ihnen sind freiwillig ausgereist oder abgeschoben worden? 8. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Strafverfolgung bei Schleusungskriminalität zu verbessern? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Fälle der Schleusungskriminalität hat es jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 in Brandenburg gegeben (bitte aufschlüsseln nach den einzelnen Straftatbeständen )? zu Frage 1: Der Bekämpfung der Schleuserkriminalität dienen die Straftatbestände des § 96 (Einschleusen von Ausländern) und des § 97 (Einschleusen mit Todesfolge; gewerbs - und bandenmäßiges Einschleusen) des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Diese Delikte werden im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister MESTA mit dem Sachgebietsschlüssel 55 erfasst. Die Anzahl der bei den Staatsanwaltschaften des Landes geführten Ermittlungsverfahren in den Jahren 2010 bis 2015 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Soweit im Zusammenhang mit dem Einschleusen von Ausländern weitere allgemeine Delikte (z. B. Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB) oder Sonderdelikte aus anderen strafrechtlichen Nebengesetzen (z. B. Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung oder ohne Aufenthaltstitel und zu ungünstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 10 SchwarzArbG) begangen werden, sind in Ermangelung einer gesonderten statistischen Erfassung diesbezüglich keine spezifischen Angaben für den Bereich der Schleuserkriminalität möglich. Straftatbestände 2010 2011 2012 2013 2014 2015* § 96 Abs. 1 AufenthG (Einschleusen von Ausländern) 117 103 122 281 90 70 § 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG (Gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern) 13 7 11 38 4 1 § 96 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern ) 5 3 5 4 2 1 § 96 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (Einschleusen von Ausländern unter Mitführung einer Schusswaffe) 1 0 0 0 0 0 § 96 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG (Einschleusen von Ausländern unter Mitführung einer anderen Waffe) 3 1 1 2 2 1 § 96 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG (Einschleusen von Ausländern mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung ) 0 1 0 1 3 1 § 97 Abs. 1 AufenthG (Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge ) 0 0 0 0 1 0 § 97 Abs. 2 AufenthG (Gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern) 19 8 13 17 8 2 Summe 158 123 152 343 110 76 * Die Spalte für das Jahr 2015 erfasst den Zeitraum bis zum 18. November 2015. Frage 2: Gegen wie viele Schleuser und Fluchthelfer wurde jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 wegen welcher Straftaten ein Ermittlungsverfahren geführt? zu Frage 2: Die Anzahl der Beschuldigten - aufgeschlüsselt nach den Straftatbeständen - ergibt sich aus MESTA wie folgt: Straftatbestände 2010 2011 2012 2013 2014 2015* § 96 Abs. 1 AufenthG (Einschleusen von Ausländern) 137 141 146 300 104 96 § 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG (Gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern) 14 8 13 42 10 1 § 96 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern ) 5 5 9 4 3 1 § 96 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (Einschleusen von Ausländern unter Mitführung einer Schusswaffe) 1 0 0 0 0 0 § 96 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG (Einschleusen von Ausländern unter Mitführung einer anderen Waffe) 3 1 1 2 3 1 § 96 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG (Einschleusen von Ausländern mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung ) 0 1 0 2 3 2 § 97 Abs. 1 AufenthG (Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge ) 0 0 0 0 1 0 § 97 Abs. 2 AufenthG (Gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern) 37 31 31 38 55 4 Summe 197 187 200 388 179 105 * Die Spalte für das Jahr 2015 erfasst den Zeitraum bis zum 18. November 2015. Frage 3: Wie viele Schleuser und Fluchthelfer wurden jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 aufgrund welcher Straftatbestände zu Geld-, Bewährungs- und Freiheitsstraften verurteilt ? Frage 4: Wie viele Verfahren wurden jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 eingestellt? zu Fragen 3 und 4: Die in MESTA erfasste Anzahl der Beschuldigten, gegen die Geldstrafe oder Freiheitsstrafe verhängt worden ist bzw. gegen die ein wegen § 96 oder § 97 AufenthG geführtes Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, ergibt sich aus der folgenden Tabelle : Verurteilungen 2010 2011 2012 2013 2014 2015* Geldstrafe 21 27 27 129 13 12 Freiheitsstrafe mit Bewährung 11 10 9 27 6 1 Freiheitsstrafe ohne Bewährung 2 0 1 0 0 1 Summe 34 37 37 156 19 14 Einstellungen 9. 13 8 10. 12 0 11. 14 6 12. 18 3 13. 13 9 14. 5 8 * Die Spalte für das Jahr 2015 erfasst den Zeitraum bis zum 18. November 2015. Frage 5: Wie viele verurteilte Schleuser aus anderen Ländern sind in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg untergebracht (bitte aufschlüsseln nach Staatsangehörigkeit und Straftatbeständen)? zu Frage 5: Derzeit befindet sich niemand wegen einer Verurteilung gemäß den §§ 96 und 97 AufenthG in einer Justizvollzugsanstalt des Landes Brandenburg. Nachdem die Landesjustizverwaltung Bayern im Rahmen der letzten Sitzung des Strafvollzugsausschusses der Justizministerkonferenz im September 2015 die anderen Bundesländer um Übernahme von 41 verurteilten „Schleusern“ gebeten hatte, haben die Landesjustizverwaltungen Berlin, Niedersachsen und Mecklenburg- Vorpommern ihre entsprechende Bereitschaft erklärt. Frage 6: Wie viele Migranten sind jeweils in den Jahren 2010 bis 2015 Opfer von Schleusungskriminalität geworden? zu Frage 6: Angaben zu der Anzahl der Opfer von Schleuserkriminalität sind mangels statistischer Erhebungen nicht möglich. Da die Verfahren wegen §§ 96 und 97 AufenthG regelmäßig von Amts wegen eingeleitet werden, sind Daten zu den Geschädigten dieser Taten in dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister MESTA nicht erfasst . Auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden keine Angaben zu Opfern bzw. Geschädigten in Fällen der Schleuserkriminalität erfasst. Eine Ausnahme bildet hier nur der Straftatenschlüssel Einschleusen mit Todesfolge, welches ein Opferdelikt im Sinne der PKS ist. Im Zeitraum 2010 bis 2014 gab es nach der PKS kei- nen Fall des Einschleusens mit Todesfolge. Soweit ausweislich der Tabellen zu den Fragen 1 und 2 im Jahr 2014 ein Verfahren wegen Einschleusens von Ausländern mit Todesfolge gemäß § 97 Abs. 1 AufenthG im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister eingetragen, ein entsprechender Vorgang jedoch nicht in der PKS erfasst worden ist, handelt es sich um ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder ), das direkt von der Bundespolizei übernommen worden war. Dem wegen der zwischenzeitlichen Auslieferung des Beschuldigten aufgrund paralleler Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bologna (Italien) eingestellten Verfahren lag der Tatvorwurf einer Schleusung von afrikanischen, mutmaßlich im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingen per Boot von Libyen nach Italien am 26. Juni 2014 zugrunde, die der eritreische Beschuldigte mitorganisiert haben soll. Frage 7: Wie viele dieser Migranten sind ausreisepflichtige Personen? Wie viele von ihnen sind freiwillig ausgereist oder abgeschoben worden? zu Frage 7: Hierzu liegen weder polizeiliche noch staatsanwaltschaftliche Erkenntnisse oder statistische Erfassungen vor. Frage 8: Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Strafverfolgung bei Schleusungskriminalität zu verbessern? zu Frage 8: Die hohe Zahl von Flüchtlingen bietet auch weiterhin Möglichkeiten für Schleuserorganisationen , erhebliche kriminelle Gewinne unter Ausnutzung der Not der Flüchtlinge zu erzielen. Diese Formen der Kriminalität sind regelmäßig im Bereich der Banden - und Strukturkriminalität angesiedelt, deren Bekämpfung in Brandenburg insbesondere durch spezielle Organisationseinheiten „Organisierte Kriminalität“ bei der Fachdirektion Landeskriminalamt unter Sachleitung der entsprechenden Schwerpunktstaatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erfolgt. Erkenntnisse zu Schleusungsaktivitäten , die vom Brandenburger Territorium ausgehen, liegen nicht vor. Weitergehende Maßnahmen sind derzeit nicht geboten.