Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3215 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage. 1273 der Abgeordneten Rainer van Raemdonck und Birgit Bessin der AfD-Fraktion Drucksache 6/2999 Hörstörungen durch Umwelt- und Freizeitlärm im Kinder- und Jugendalter Bei Kindern und Jugendlichen haben Hörstörungen in den für Lärm typischen Frequenzbereichen durch Umwelt- und Freizeitlärm in den vergangenen Jahren weiter zugenommen. In einer Erklärung der Bundesärztekammer heißt es dazu:“ Erworbene Hörstörungen treten bereits bei Kindern und Jugendlichen in den für Lärm typischen Frequenzbereichen auf. Wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen in den letzten Jahren konstant geblieben ist oder sogar zugenommen hat. Zur Vermeidung einer solchen erworbenen Schwerhörigkeit sind Kinder und Jugendliche besonders zu schützen. Die bereits im Kindes- und Jugendalter erworbene Schwerhörigkeit durch Lärmbelastung. Vor diesem Hintergrund werden bundeseinheitliche Maßnahmen gefordert. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Empfehlungen der Bundesärztekammer zur Vermeidung von Umwelt- und Freizeitlärm? 2. Wie viele Erkrankungen wurden in den letzten 5 Jahren aufgrund von Umwelt- und Freizeitlärm bei Kindern und Jugendlichen im Land Brandenburg diagnostiziert? 3. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um Umwelt- und Freizeitlärm insbesondere in Kindertagesstätten und Schulen zu reduzieren? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung die Empfehlungen der Bundesärztekammer zur Vermeidung von Umwelt- und Freizeitlärm? Zu Frage 1: Die Landesregierung hält die Empfehlungen der Bundesärztekammer in den Bereichen „Kennzeichnungspflicht für lärminduzierende käufliche Artikel, verpflichtende Aufklärung der Nutzer tragbarer Musikabspielgeräte sowie Begrenzung der Dauer- schallpegel und Spitzenschallpegel bei Lärmbelastungen im öffentlichen Bereich“ für zielführend zur Vermeidung von dauerhaften Hörschäden (siehe http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/Freizeitlaerm_ 31102014.pdf). Allerdings sind zur Umsetzung dafür verbindliche bundesrechtliche Regelungen erforderlich . Frage 2: Wie viele Erkrankungen wurden in den letzten 5 Jahren aufgrund von Umwelt- und Freizeitlärm bei Kindern und Jugendlichen im Land Brandenburg diagnostiziert? Zu Frage 2: Der Landesregierung liegt keine Statistik zu Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen aus Brandenburg aufgrund von Umwelt- und Freizeitlärm vor. Im Rahmen der Untersuchungen nach der Verordnung über die Aufgaben des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes der Gesundheitsämter nach § 6 Absatz 2 des Brandenburgischen Gesundheitsdienstgesetzes werden bei den Schülerinnen und Schülern der 10. Klasse und bei den Schulabgängerinnen und Schulabgängern u.a. als medizinisch relevante Befunde die Hörstörungen erfasst. Diese diagnostizierten Hörstörungen haben jedoch keine ursächliche Zuordnung zu Umwelt- und Freizeitlärm. Bei den jugendärztlichen Untersuchungen der Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen des Schuljahrgangs 2012/2013 (12.027 Schülerinnen und Schüler) wurden bei 0,8% Hörstörungen diagnostiziert. Für das Schuljahr 2013/2014 betrug die Rate der diagnostizierten Hörstörungen 1,0% (12.206 Schülerinnen und Schüler). Frage 3: Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um Umwelt- und Freizeitlärm insbesondere in Kindertagesstätten und Schulen zu reduzieren? Zu Frage 3: Im Land Brandenburg gibt es eine funktionale Teilung der Zuständigkeiten in Bezug auf das Schulwesen. Das Land Brandenburg ist für die inneren Schulangelegenheiten zuständig, während die äußeren Schulangelegenheiten, zu denen auch die Schulgebäude und die Ausstattung einer Schule gehören, in der Verantwortung des jeweiligen Schulträgers liegen . Entsprechend § 99 des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG) verwaltet der Schulträger seine Schulangelegenheiten in eigener Verantwortung und hat für die Zurverfügungstellung der Schulanlagen, Gebäude und Einrichtungen Sorge zu tragen. Beim Bau von Schulen, die im Allgemeinen öffentliche Bauten sind, sind grundsätzlich bestimmte baurechtliche Anforderungen zu beachten, die u. a. in der Schulbau- Richtlinie festgelegt werden. In dieser Richtlinie sind vor allem sicherheitsrelevante Aspekte geregelt. Zusätzlich existiert eine Vielzahl an technischen Regeln, Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen, die weitere schulbaulich relevante Aspekte (Umwelt, Ergonomie etc.) regeln. Deren Überprüfung obliegt der jeweils zuständigen Bauaufsicht. Gemäß § 110 Abs. 2 BbgSchulG kann das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport „Empfehlungen über den Umfang und die Ausgestaltung der Schulgebäude und Schulanlagen (Raumprogramm) sowie über die sächliche Ausstattung der Schule herausgeben …“. Dementsprechend sieht die Verwaltungsvorschrift über die Organisation der Schulen in inneren und äußeren Schulangelegenheiten unter Punkt 26 – Raumausstattung Absatz 5 Folgendes vor: „Die Schule soll gegenüber dem Schulträger darauf hinwirken, dass im Rahmen geplanter Schulbaumaßnahmen auch Schallschutz- und Akustikmaßnahmen geplant und realisiert werden, die eine Geräuschübertragung innerhalb des Schulgebäudes sowie von außen in das Schulgebäude verhindern und eine optimale multifunktionale Nutzung der Unterrichtsräume in Bezug auf eine Senkung des Lärmpegels und die Verbesserung der Akustik gewährleisten . Für Unterrichtsräume ist dabei die empfohlene Nachhallzeit von 0,5 ± 0,05 Sekunden zu beachten.“ In allen Agenturen des Beratungs- und Unterstützungssystems für Schulen und Schulaufsicht (BUSS) sind BUSS-Schulberaterinnen und -berater tätig mit der Spezialkompetenz „Gute Gesunde Schule“. Diese sind im Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) im Rahmen des Modellprojekts „Anschub“ bzw. „Anschub-Transfer“ qualifiziert worden. Nähere Informationen sind auf dem Bildungsserver Berlin-Brandenburg unter http://bildungsserver.berlinbrandenburg .de/themen/thema-gesundheit/ bzw. im entsprechenden Steuerhandbuch Gute Gesunde Schule (LISUM 2014) zu finden. Darüber hinaus bietet das LISUM einmal im Schuljahr eine Gesundheitstagung an, die sich an das pädagogische Personal in Schulen und an BUSS-Beraterinnen und - berater richtet (siehe http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/themen/themagesundheit /lehrkraeftegesundheit/). Im neuen Rahmenlehrplan für die Jahrgangsstufen 1-10 der Länder Brandenburg und Berlin werden die Themen „Lärm“ und „Lärmschutz“ vorrangig in den Fächern Biologie, Physik und Musik sowie dem Wahlpflichtfach Naturwissenschaften 7-10 thematisiert. Mit der Verankerung des übergreifenden Themas „Gesundheitserziehung “ und anderer übergreifender Themen, z. B. der Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung , bieten sich weitere Anknüpfungspunkte für die Thematisierung von „Lärm“ und „Lärmschutz“. Der Rahmenlehrplan wird zum Schuljahresbeginn 2017/2018 unterrichtswirksam . Im Bereich der Kindertageseinrichtungen liegt die Verantwortung für die Minimierung von Gesundheitsgefährdungen durch Lärm - sowohl für Personal als auch für betreute Kinder - bei den Trägern der Kindertageseinrichtungen. Die Träger von Kindertageseinrichtungen unterliegen mit ihren in der Brandenburgischen Bauordnung als Sonderbauten aufgeführten Einrichtungen ebenfalls der Aufsicht von kommunalen Behörden. So sind für Fragen des Gesundheits- und Lärmschutzes die örtlichen Gesundheitsämter und Bauaufsichtsbehörden zuständig. Neben der allgemeinen Fürsorgepflicht der Träger, die sie als Arbeitgeber nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch haben, ist die Thematik „Lärm“ in Arbeitsschutzvorschriften und in Hygieneleitfäden der kommunalen Gesundheitsbehörden geregelt. Bezüglich Raumakustik und möglicher Lärmbelastung werden die Träger unter dem Aspekt sicherheitstechnischer , gesundheitlicher und hygienischer Anforderungen durch das Landesamt für Arbeitsschutz, durch die Unfallkasse Brandenburg sowie durch die Gesundheitsbehörden beaufsichtigt und beraten. Die Unfallkasse Brandenburg hat ein Projekt konzipiert, dass Kinder und Jugendliche mit den Folgen übermäßigen Lärmkonsums vertraut macht. Das Projekt ist modular aufgebaut. Vom zeitlichen Umfang her lassen sich die Bausteine so verbinden, dass sowohl Unterrichtsprojekte als auch ganze Projekttage gestaltet werden können. Mindestens müssen jedoch zwei Unterrichts- bzw. Zeitstunden (für Kita; inkl. entsprechender Pausen) zur Verfügung stehen. Auch von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt es gut aufbereitete Materialien zur Lärmproblematik, die von Kindern und Jugendlichen, dem pädagogischen Personal sowie Erziehungsberechtigten gleichermaßen zur gesundheitlichen Aufklärung genutzt werden können. Zum Thema Freizeitlärm bietet das Brandenburger Gesundheitsministerium auf seiner Internetseite http://www.masgf.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.345445.de dazu Informationen an und hat in diesem Jahr im Rahmen der Kampagne „Ein Satz für die Ohren“ 3000 Paar Ohrstöpsel anfertigen lassen, die über die Gesundheitsämter abgerufen und verteilt werden (siehe: http://www.masgf.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.368805.de). Das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft gibt darüber hinaus in seiner Broschüre „Lärmschutz“ einen Überblick über die von Lärmverursachern einzuhaltenden immissionsschutzrechtlichen Regelungen sowie ggf. zu treffende Minderungsmaßnahmen bei den verschiedensten Lärmquellen, siehe: http://www.mlul.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.3310.de/laerm.pdf. Durch die bestehenden Rechtsgrundlagen und Regelwerke zum Immissionsschutz, z.B. durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und seine Verordnungen, das Landesimmissionsschutzgesetz und das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm, wird für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft insgesamt ein hohes Niveau des Schutzes vor und der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Anlagen-, Verkehrs -, Geräte- und Maschinen-, Veranstaltungs- sowie verhaltensbezogene Geräusche gewährleistet.