Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3500 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1369 der Abgeordneten Steeven Bretz und Björn Lakenmacher der CDU-Fraktion Drucksache 6/3336 Ausschreitungen bei "PogIdA"-Veranstaltung in Potsdam Wortlaut der Kleinen Anfrage 1369 vom 14.01.2016: Gewalttätige Auseinandersetzungen und Krawalle während der Veranstaltung der Pegida-Anhänger am vergangenen Montagabend in Potsdam führten laut Presseberichten zu Verstößen gegen das Versammlungsrecht und zur Begehung von weiteren Straftaten. Die Polizei spricht gemäß den Berichten von einer „neuen Dimension der Gewalt“. Die Potsdamer Polizei musste laut Berichterstattung zusätzliche Einsatzkräfte , unter anderem Kräfte der Bereitschaftspolizei Berlin, zur Verstärkung anfordern . Die Pegida-Anhänger haben bereits eine nächste Kundgebung in Potsdam angekündigt . Wir fragen die Landesregierung: 1. War die Versammlung der „PogIdA“ angemeldet? Wenn ja, welche konkreten Anmeldedaten wurden angegeben (Anmelder, Dauer der Versammlung, Thema der Versammlung, erwartete Teilnehmerzahl)? 2. War die Protestversammlung gegen die „PogIdA“ angemeldet? Wenn ja, welche konkreten Anmeldedaten wurden angegeben (Anmelder, Dauer der Versammlung , Thema der Versammlung, erwartete Teilnehmerzahl)? 3. Wie viele und welche Einsatzkräfte der Polizei Brandenburg und anderer Polizeien wurden zur Einsatzbewältigung vorab aufgrund welcher Erwägungen eingeplant (bitte einzelne Dienststellen und insgesamt angeben)? 4. Wie viele und welche Einsatzkräfte der Polizei Brandenburg und anderer Polizeien wurden zur Einsatzbewältigung während des Einsatzes aufgrund welcher konkreten Lagebeurteilungen angefordert und eingesetzt (bitte einzelne Dienststellen und insgesamt angeben)? 5. Wie viele Polizeibedienstete wurden während der Einsatzbewältigung in jeweils welchem Ausmaß verletzt? 6. Wie viele Versammlungsteilnehmer wurden in welchem Ausmaß verletzt? 7. Wie hoch ist der durch den Versammlungsablauf entstandene Sachschaden? 8. Wie viele und welche Verstöße gegen das Versammlungsrecht wurden während der Einsatzbewältigung registriert? Wie viele und welche dieser Verstöße werden strafrechtlich verfolgt? 9. Wie viele und welche weiteren Rechtsverstöße wurden während der Einsatzbewältigung registriert? Wie viele und welche dieser Verstöße werden strafrechtlich verfolgt? 10. Wie viele Festnahmen wurden während der Einsatzbewältigung aus welchen Gründen vollzogen? 11. Wie beurteilt die Landesregierung die Einsatzplanung und -bewältigung durch die Polizei Brandenburg insgesamt? 12. Werden aus dem konkreten Versammlungs- und Einsatzablauf Konsequenzen für zukünftige Versammlungen der PogIdA in Potsdam gezogen? Wenn ja, welche? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: War die Versammlung der „PogIdA“ angemeldet? Wenn ja, welche konkreten Anmeldedaten wurden angegeben (Anmelder, Dauer der Versammlung, Thema der Versammlung, erwartete Teilnehmerzahl)? zu Frage 1: Am 05.01.2016 wurde durch einen namentlich bekannten 32-Jährigen für den 11.01.2016 eine Versammlung unter freiem Himmel in Form eines Aufzuges angemeldet . Aus Datenschutzgründen können die Personalien des Anmelders hier nicht benannt werden. Ein Kooperationsgespräch fand am 08.01.2016 statt, u.a. mit folgendem Ergebnis: Dauer: 20:00 bis 22:30 Uhr Ort: Potsdam, Bassinplatz (Auftaktkundgebung) mit anschließendem Aufzug über Am Bassin, Charlottenstraße, Schopenhauerstraße, Breite Straße bis Schloßstraße (Abschlusskundgebung) Thema: „Abendspaziergang – gegen Islamisierung des Abendlandes!!!“ Art: Aufzug Teilnehmer: 200 Frage 2: War die Protestversammlung gegen die „PogIdA“ angemeldet? Wenn ja, welche konkreten Anmeldedaten wurden angegeben (Anmelder, Dauer der Versammlung, Thema der Versammlung, erwartete Teilnehmerzahl)? zu Frage 2: Zwei namentlich bekannte Personen (58-Jährige und 33-Jähriger) vom Bündnis „Potsdam! bekennt Farbe“ meldeten am 07.01.2016 je eine Versammlung mit einer möglichen Teilnehmerzahl von jeweils 80 Personen für den Luisenplatz und den Alten Markt in Potsdam an. Ein gemeinsames Kooperationsgespräch fand am 08.01.2016 statt, u.a. mit folgendem Ergebnis: Die beiden Versammlungen werden zusammengelegt. Dauer 20:00 bis 22:30 Uhr Ort: Am Lustgarten/Schloßstraße; Thema: „Refugees welcome – für Weltoffenheit und Toleranz“ Art: Kundgebung Teilnehmer: 150 Durch einen namentlich bekannten Anmelder (59-Jähriger) wurden im Dezember 2015 mehrere Versammlungen (fortlaufend für das Jahr 2016, u.a. auch für den 11.01.2016) unter freiem Himmel in Form von Mahnwachen angemeldet. Ein Kooperationsgespräch fand am 16.12.2015 statt, u.a. mit folgendem Ergebnis: Dauer: 18:00 bis 20:00 Uhr Ort: Potsdam, auf der Freifläche vor dem Filmmuseum in Richtung Am Lustgarten Thema: „Für Frieden und Menschenrechte“ Art: Kundgebung Teilnehmer: 30 Frage 3: Wie viele und welche Einsatzkräfte der Polizei Brandenburg und anderer Polizeien wurden zur Einsatzbewältigung vorab aufgrund welcher Erwägungen eingeplant (bitte einzelne Dienststellen und insgesamt angeben)? zu Frage 3: Auf Grundlage vorhandener Erkenntnisse und der Tatsache, dass Aufklärungsergebnisse über bevorstehende Störung nicht vorlagen, wurden für den Einsatz die Bereitschaftspolizeiabteilungsführung mit zwei Einsatzhundertschaften der Direktion Besondere Dienste (198 Beamte) sowie ergänzend 64 Beamte der Polizeidirektion West geplant. Frage 4: Wie viele und welche Einsatzkräfte der Polizei Brandenburg und anderer Polizeien wurden zur Einsatzbewältigung während des Einsatzes aufgrund welcher konkreten Lagebeurteilungen angefordert und eingesetzt (bitte einzelne Dienststellen und insgesamt angeben)? zu Frage 4: Die tatsächliche Einsatzlage entsprach nicht der Planlage. U. a. fand zeitgleich auf dem Bassinplatz, in unmittelbarer Nähe zum Antreteplatz der PogIdA, die Veranstaltung „Block(t) Bassi-Party“ des Stadtjugendring Potsdam e.V. statt. Dies wurde erst am Einsatztag der Polizei durch die Stadtverwaltung Potsdam mitgeteilt. An dieser Veranstaltung nahmen bis zu 300 Personen, vorzugsweise der linken Szene, teil, von denen sich etwa 200 Personen im Einsatzraum bewegten. Überdies hielten sich viele Störer mit aggressiver Grundstimmung an der Versammlung „PogIdA“ auf. An der Gegenversammlung „Refugees welcome – für Weltoffenheit und Toleranz“ nahmen, entgegen der prognostizierten 300 Teilnehmern, bis zu 500 Personen teil. Aus Berlin reisten zudem unplanmäßig Teilnehmer und Gegendemonstranten der Versammlung Bärgida an. Die polizeiliche Aufklärung während des Einsatzes ergab, dass sich in der Stadt mehrere Kleingruppen der linken Szene mit aggressiver Grundstimmung und hoher Gewaltbereitschaft bewegten. Der Polizeiführer erhöhte die Einsatzstärke frühzeitig mit Kräften der Direktion West (18 Beamte), forderte eine landeseigene Einsatzhundertschaft aus Strausberg (106 Beamte) sowie eine Einsatzhundertschaft des Polizeipräsidiums Berlin aus dortigem „BärGiDa-Einsatz“ (65 Beamte) an. Insgesamt waren 451 Beamte im Einsatz. Frage 5: Wie viele Polizeibedienstete wurden während der Einsatzbewältigung in jeweils welchem Ausmaß verletzt? zu Frage 5: Nach derzeitigem Stand wurden in dem Einsatz 12 Beamte verletzt (einer durch Sturz auf Eisglätte, einem Beamten wurde heißer Tee ins Gesicht geschüttet, die übrigen Beamten erlitten Prellungen an Kopf, Armen und Beinen durch Tritte, Schläge bzw. Steinwürfe). Frage 6: Wie viele Versammlungsteilnehmer wurden in welchem Ausmaß verletzt? zu Frage 6: Nach gegenwärtigem Stand wurden mindestens zwei Versammlungsteilnehmer „Pog IdA“ (ein Teilnehmer durch Wurfgeschosse am Kopf und eine Person durch Tritte, u.a. in den Genitalbereich) sowie eine unbekannte Anzahl Gegendemonstranten, u.a. durch Pfeffersprayeinsatz, verletzt. In diesem Zusammenhang wurden zwei Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt gegen Polizeibeamte (Anwendung Pfefferspray, Anwendung einfacher körperlicher Gewalt) erstattet, die Ermittlungen dazu dauern noch an. Frage 7: Wie hoch ist der durch den Versammlungsablauf entstandene Sachschaden? zu Frage 7: Der Polizei sind derzeit folgende Schäden bekannt: Drei Einsatzfahrzeuge der Polizei, einer der Reisebusse mit den aus Berlin angereisten Versammlungsteilnehmern „Abendspaziergang – gegen die Islamisierung des Abendlandes!!!“ sowie ein Kleinbus eines Versammlungsteilnehmers „PogIdA“ wurden beschädigt. Die Schadenshöhe kann mangels abgeschlossener gutachterlicher Bewertung derzeit nicht beziffert werden. Frage 8: Wie viele und welche Verstöße gegen das Versammlungsrecht wurden während der Einsatzbewältigung registriert? Wie viele und welche dieser Verstöße werden strafrechtlich verfolgt? zu Frage 8: Bisher wurden keine Verstöße „gegen das Versammlungsrecht“ bekannt; vielmehr werden bekannt gewordene Tatbestände im Rahmen von Ermittlungen zu spezielleren Normen aus dem StGB bearbeitet (siehe Antwort zu Frage 9). Frage 9: Wie viele und welche weiteren Rechtsverstöße wurden während der Einsatzbewältigung registriert? Wie viele und welche dieser Verstöße werden strafrechtlich verfolgt ? zu Frage 9: Es wurde ein Strafverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs (§ 125 a StGB), in dem gegenwärtig gegen fünf Personen ermittelt wird, eingeleitet. Zu diesem Verfahrenskomplex zählen darüber hinaus aktuell vier Sachbeschädigungen und 14 Körperverletzungsdelikte . Die Ermittlungen dazu dauern noch an. Zur Identifizierung von weiteren Tatverdächtigen sind Auswertungen vorhandener Videoaufzeichnungen der Beweissicherungskräfte sowie im Internet veröffentlichter Videos noch nicht abgeschlossen . Des Weiteren wurde ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz registriert . Frage 10: Wie viele Festnahmen wurden während der Einsatzbewältigung aus welchen Gründen vollzogen? zu Frage 10: Das Polizeipräsidium berichtet, dass keine Personen (strafprozessual) „festgenommen “ wurden; eine Person wurde zur Verhinderung weiterer Straftaten (polizeirechtlich ) in Gewahrsam genommen. Frage 11: Wie beurteilt die Landesregierung die Einsatzplanung und -bewältigung durch die Polizei Brandenburg insgesamt? zu Frage 11: Die Beurteilung der Lage, die Kräftedisposition sowie das taktische Einsatzkonzept der Planlage waren schlüssig und sind nicht zu beanstanden. Der Polizeiführer hat angemessen und schnell auf die veränderte, tatsächliche Lage reagiert und frühzeitig Kräfte verstärkt. Bei der Einsatzbewältigung erfolgte eine sachgerechte Priorisierung der Gefahrenabwehr zum Schutz von Versammlungsteilnehmern. Frage 12: Werden aus dem konkreten Versammlungs- und Einsatzablauf Konsequenzen für zukünftige Versammlungen der „PogIdA“ in Potsdam gezogen? Wenn ja, welche? zu Frage 12: Die festzustellende Aggressivität und Gewaltbereitschaft von Störern der linken Szene , auch gegen-über der Polizei, ist auch zukünftig einsatztaktisch zu berücksichtigen . Dies bedingt – am Einzelfall orientiert und abhängig von der konkreten Beurteilung der Lage – eine angepasste, grundsätzlich niedrige Einschreitschwelle mit konsequenter Gefahrenabwehr und Strafverfolgung mit ausreichender Kräftelage.