Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3522 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1382 der Abgeordneten Inka Gossmann-Reetz der SPD-Fraktion Drucksache 6/3364 Rechtsextreme Aktivitäten im Internet und in den sozialen Netzwerken Wortlaut der Kleinen Anfrage 1382 vom 20.01.2016: Das Internet und die sozialen Netzwerke bieten einfache und vielfältige Möglichkeiten sich virtuell zu vernetzen, die zunehmend auch von Rechtsextremen für Rekrutierung , Mobilisierung und Agitation genutzt werden. Viele der jüngsten Demonstrationen gegen Geflüchtete und Flüchtlingsunterkünfte sogenannter „besorgter Bürger“, die häufig von Rechtsextremen unterwandert wurden, wurden über das Internet beworben und organisiert. Hierin zeichnet sich eine Entwicklung ab, die insbesondere für Kinder und Jugendliche eine Gefahr darstellt, die für rechtspopulistische Argumente zunächst empfänglicher sind. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über rechtsextreme Kommunikationsaktivitäten im Internet und in den sozialen Netzwerken? 2. Wie haben sich diese Aktivitäten angesichts der wachsenden Bedeutung sozialer Medien in den letzten Jahren (seit Beginn der Dokumentation) entwickelt? 3. Wie und in welchem Umfang erfolgt die Überwachung dieser Aktivitäten in Blogs und Chat-Gruppen (insbesondere Facebook)? 4. Welche Maßnahmen kann die Landesregierung ergreifen, um die Kommunikationskanäle rechter Agitatoren im Internet zu unterbinden? 5. Welche Präventionsmaßnahmen verfolgt die Landesregierung um Kinder und Jugendliche für die Rekrutierungsversuche rechter Parteien, sowie rechtsextremer Organisationen und Strukturen im Internet und in den sozialen Netzwerken zu sensibilisieren? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über rechtsextreme Kommunikationsaktivitäten im Internet und in den sozialen Netzwerken? zu Frage 1: Bei rechtsextremistischen Kommunikationsaktivitäten im Internet geht es um multimediale Informationskanäle, virtuelle Server als Kommunikations- und Arbeitsplattform , selbst generierbare Web-Applikationen, Cloud Computing und vor allem um mobile Echtzeitinformation. Es sind die Social Communities, wie Facebook und VK.com. Hinzu kommen Videoportale , wie YouTube und Vimeo oder Dienste, wie Twitter auf denen Rechtsextremisten ihre Propaganda verbreiten. Die sozialen Netzwerke steigern die Möglichkeiten ungemein, im Netz präsent zu sein und quasi in Echtzeit zu kommunizieren. Der Vorteil ist die Vernetzung der User untereinander und die enorme Verbreitungsmöglichkeit ihrer Inhalte. Schnell, unkompliziert und anonym werden hier eigene multimediale Informationskanäle erstellt und aufgebaut. Kommt es in einem Forum oder in einer Community, wie Facebook oder Twitter, zum Ausschluss extremistischer User, tauchen sie nach einiger Zeit mit neuem Usernamen oft wieder auf. Aufrufe „besorgter Bürger“ zu Aktionen und Demonstrationen gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte werden von der rechtsextremistischen Szene im Internet für regelrechte Medienoffensiven genutzt. Absprachen, Planungen und Organisation erfolgen zunächst konspirativ auf abgeschotteten Systemen (WhatsApp, Threema, Telegram). Hier wird abgesprochen, wie man vorgeht und Treffpunkte werden vereinbart . Hinzu kommen mobile Versionen für Smartphones und Internet-Tablets. Dafür werden extra eingerichtete „YouTube“-Kanäle genutzt. Der Microblogging-Dienst Twitter wird zum Live-Ticker, denn Twitter ermöglicht quasi eine Echtzeitinformation vor Ort auf Handys und Computer. Facebook-Profile mausern sich zu „Anti-Asyl- Initiativen“ („Nein zum Heim“). Hunderte User folgten ihnen. Aktionen und Demonstrationen werden im Netz intensiv ausgewertet und nachbetrachtet. Frage 2: Wie haben sich diese Aktivitäten angesichts der wachsenden Bedeutung sozialer Medien in den letzten Jahren (seit Beginn der Dokumentation) entwickelt? zu Frage 2: Während die Anzahl der herkömmlicher Homepages, Foren, Versand- und Vertriebsdienste eher stagniert, war im Jahr 2015 eine Zunahme rechtsextremistischer Aktivitäten in den sozialen Netzwerken zu beobachten. Insbesondere auf Facebook war eine Steigerung zu erkennen. Waren es Anfang 2014 nur etwa 50 Facebook- Profile, beobachtete der Verfassungsschutz Brandenburg im Januar 2016 ca. 320 Facebook-Profile. Eine nur sporadische Suche auf rechtsextremistischen Webseiten reicht nicht mehr aus. Vor allem die Community-Bereiche im Internet, insbesondere Facebook, sind auch bei Extremisten von wachsender Bedeutung. Auch Telefon- Kommunikationsdienste, wie WhatsApp, laufen über das Internet und werden von Extremisten immer stärker genutzt. Frage 3: Wie und in welchem Umfang erfolgt die Überwachung dieser Aktivitäten in Blogs und Chat-Gruppen (insbesondere Facebook)? zu Frage 3: Die Verfassungsschutzbehörde in Brandenburg verfolgt die Entwicklung extremistischer Aktivitäten im Internet aufmerksam und wertet dieses Medium gezielt und sehr zeitnah aus. Internetaktivitäten extremistisch orientierter Einzelpersonen und Kleinstgruppierungen (z. B. „Frei Kräfte Neuruppin / Osthavelland“, „Licht und Schatten“ / Potsdam) werden ebenso beobachtet, wie auch Internetaktivitäten großer, bundesweit agierender Bestrebungen („Der III. Weg“, „NPD“, „Identitäre Bewegung“), bis hin zu rechtsextremistischen Foren oder Webseiten von rechtsextremistischen Bands (z. B. „Exzess“, „Confident of Victory“, „Hausmannskost“, „Frontalkraft“). Momentan gibt es diverse Facebook-Profile und Facebook-Initiativen (z. B. „Patrioten Potsdam“, „Werder wach auf“, „Nein zum Heim in Nauen“, „Nein zum Heim in Guben“, „Oberspreewald -Lausitz wehrt sich“, „Eisenhüttenstadt wehrt sich“, „Fürstenwalde zeigt Flagge“, „Asylhütte in Ketzin? Kannste knicken!“), die zwar nicht immer von Rechtsextremisten betrieben werden, auf denen aber auch Personen aus der rechtsextremistischen Szene verstärkt agieren. Die Beobachtung der Internetseiten aller Phänomenbereiche erfolgt durch ein tägliches Monitoring. Um relevante Erkenntnisse zum Extremismus zu gewinnen, ist die Internetrecherche überaus lohnend und im Vergleich zu anderen nachrichtendienstlichen Mitteln relativ kostengünstig. Im Zuge der rasanten Entwicklungen im Internet ist das Erkenntnisaufkommen enorm und mit rasch steigender Tendenz. Derzeit werden täglich auf mehreren hundert Web-Seiten Recherchen betrieben. Ein sehr großer Anteil davon sind Facebook-Profile. Hinzu kommen zahlreiche Suchaufträge zur Identifizierung von Nicknames. Funde, die einen Anfangsverdacht für Straftaten begründen, werden dem LKA übermittelt und in den nachrichtendienstlichen Verbund gesteuert. Durch das LKA Brandenburg und die Polizeidirektionen erfolgt anlassbezogen und kontinuierlich eine Sichtung der relevanten Webinhalte in den sozialen Medien hinsichtlich strafrechtlich relevanter Sachverhalte. Bei entsprechenden Feststellungen werden Strafanzeigen erstellt und an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Anzeigen von Bürgern über entsprechende Feststellungen werden überprüft und recherchiert. Wenn sich der Verdacht einer Straftat bestätigt, werden Strafanzeigen dazu erstellt sowie im Weiteren die Ermittlungen dazu durchgeführt. Frage 4: Welche Maßnahmen kann die Landesregierung ergreifen, um die Kommunikationskanäle rechter Agitatoren im Internet zu unterbinden? zu Frage 4: Auf Grund der anarchischen Strukturen des Internets erschließen sich politischen Extremisten Freiräume, die nicht mehr allein im nationalstaatlichen Rahmen begrenzt werden können. Um Texte und Symbole, die in Deutschland strafwürdig sind, ins Internet einzustellen, nutzen Rechtsextremisten im Schutze der Anonymität ausländische Provider. Strafrechtlich zu ahndende Texte deutscher extremistisch orientierter Gruppierungen werden in der Regel von ausländischen Providern in das Netz eingespeist und unterliegen somit nicht dem Zugriff deutscher Behörden. Eine Verbreitung inkriminierter Texte zu verhindern ist daher nahezu unmöglich. Durch die techni- schen Gegebenheiten des Internets kann jede rein innerstaatliche Regelung von Internet -Nutzern umgangen werden. Werden strafrechtlich relevante Internet-Auftritte von Betreibern festgestellt, die der deutschen Gesetzgebung unterliegen, erfolgt eine Mitteilung an die zuständige Strafverfolgungsbehörde. Neben der Ermittlung und Verfolgung derartiger „Posts“ stellt auch die Abschaltung von Websites eine wirksame Methode dar. Wie dargelegt, ist hier aber Voraussetzung, dass die jeweilige Website auf einem Webserver in Deutschland gespeichert ist. Das Land Brandenburg ist auch führend, was die Beantragung von Indizierungen durch die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) betrifft. Die Verfassungsschutzbehörde Brandenburg ist aktiv in verschiedenen Bund- Länder-Gremien und Arbeitsgruppen vertreten. Hier werden Maßnahmen und Strategien entwickelt, die Internetrecherchen erleichtern und eine effektive Auswertung ermöglichen. Weitere zentrale Kompetenz- und Analysestellen zur Beobachtung extremistischer Internetaktivitäten, mit denen die Verfassungsschutzbehörde Brandenburgs kooperiert oder an denen sie mitwirkt, sind: die „Erweiterte Fachunterstützung Internet“ (EFI), die „Kommunikationstagung Internet“ (KTI), die Bund-Länder- Arbeitsgemeinschaft (BL-AG) „Technische Hilfsmittel“ sowie das „Gemeinsame Internetzentrum “ (GIZ) am „Gemeinsamen Terrorismus Abwehrzentrum“ (GTAZ) in Berlin und die „Koordinierte Internetauswertung“ (KIA) am „Gemeinsamen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum“ (GETZ) in Köln. Arbeitsteilige Vorgehensweisen, die Zusammenführung von fachlicher und technischer Expertise (Entwicklung von Beobachtungstools) und die Bündelung der Sprach- und Wissenskompetenz sollen unter der Vermeidung von Doppelarbeit zu Erfolgen führen. Darüber hinaus kommt der Zusammenarbeit mit Firmen wie z. B. Facebook erhebliche Bedeutung zu. Im September 2015 wurde durch das Bundesjustizministerium eine „Task-Force“ gegen Hetze im Internet gegründet. An dieser „Task-Force“ beteiligt sich als Wirtschaftspartner unter anderem die Firma Facebook. Frage 5: Welche Präventionsmaßnahmen verfolgt die Landesregierung um Kinder und Jugendliche für die Rekrutierungsversuche rechter Parteien, sowie rechtsextremer Organisationen und Strukturen im Internet und in den sozialen Netzwerken zu sensibilisieren ? zu Frage 5: Prävention und Öffentlichkeitsarbeit sind unerlässliche Säulen in der Auseinandersetzung mit Extremisten. Die Verfassungsschutzbehörde Brandenburg weist im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsschwerpunkt „Verfassungsschutz durch Aufklärung“ kontinuierlich auf die Aktivitäten von Rechtsextremisten im Internet hin und unterrichtet die Öffentlichkeit über die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich. Die Präventionsmaßnahmen der Polizei des Landes Brandenburg zielen darauf ab, zur Entwicklung des Demokratie- und Werteverständnis von Kindern und Jugendlichen beizutragen. Dieser Prozess ist insbesondere bei der Sensibilisierung für den Umgang mit extremistischem Gedankengut, nicht durch punktuelle Maßnahmen der polizeilichen Prävention allein zu erreichen. Insofern findet die Durchführung von Präventionsmaßnahmen und –projekten im Zusammenhang mit Politisch motivierter Kriminalität bzw. Extremismus insbesondere durch und in Zusammenarbeit mit Akteuren im Beratungsnetzwerk „Tolerantes Brandenburg“ statt, wie beispielsweise Opferperspektive e.V., Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sowie der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung. Die Polizei des Landes Brandenburg wird dabei auf der Grundlage des Gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums des Innern und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport vom 10. Mai 2013 „Partnerschaften Polizei und Schule – Kooperation bei Kriminal- und Verkehrsunfallprävention und Notfallplanung“ tätig und verweist bei Bedarf auch Informationsangebote des Verfassungsschutzes bzw. vermittelt Experten aus dem Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes. Für die Rechtsextremismusbekämpfung, Demokratiestärkung und Toleranzförderung wird auch auf Materialien (z. B. „Wölfe im Schafspelz – Die besten Spots gegen Rechts“) des bundesweiten Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) zurückgegriffen.