Datum des Eingangs: 02.01.2015 / Ausgegeben: 07.01.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/354 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 102 der Abgeordneten Dr. Saskia Ludwig und Raik Nowka der CDU-Fraktion Drucksache 6/219 Jodprophylaxe in Brandenburg mit Kalium 65 AApot Tabletten Wortlaut der Kleinen Anfrage 102 vom 04.12.2014: In der Schweiz wurden im Auftrag des Bundes kostenlos und vorsorglich Kaliumiodid 65 AApot Tabletten an die Bevölkerung ausgegeben. Diese Tabletten sollen im Fall eines schweren Kernkraftwerk-Zwischenfalls mit Austritt von radioaktiven Stoffen die Anreicherung von Jod in der Schilddrüse verhindern. Auch in Österreich erhalten nach Angaben des Otto Hug Strahleninstituts alle Bürger in ihren Apotheken die Tabletten zur Jodblockade kostenlos oder sehr kostengünstig, obwohl Österreich kein Atomkraftwerk hat. Der Strahlenbiologe Prof. Lengfelder aus München sagt: „Durch Jodblockade der Schilddrüse kann die Erkrankung einschließlich Krebs der Schilddrüse infolge der Inhalation oder der Ingestition von Radiojod verhindert werden.“ Da die Landesregierung im Bereich der Prävention eigene Entscheidungs- und Handlungsspielräume besitzt, fragen wir die Landesregierung: 1. Welche präventiven Maßnahmen hat die Landesregierung Brandenburg ergriffen, um die Brandenburger Bevölkerung bei einem möglichen Kernkraftwerk-Zwischenfall o. ä. Zwischenfällen mit Austritt von radioaktiven Stoffen zu schützen? 2. Wie sieht der Notfall-Maßnahmenplan der Brandenburger Landesregierung im Falle eines Kernkraftwerk-Zwischenfalls mit Austritt von radioaktiven Stoffen in Deutschland oder einem europäischen Anrainerstaat aus? 3. Ist in dem Notfall-Maßnahmenplan die kostenlose Verteilung von Kaliumiodid 65 AApot Tabletten an die Brandenburger Bevölkerung vorgesehen? 4. Welche weiteren präventiven Maßnahmen wird die Landesregierung Brandenburg in Zukunft ergreifen, um die Brandenburger Bevölkerung bei einem schweren Kernkraftwerk-Zwischenfall mit Austritt von radioaktiven Stoffen bestmöglich zu schützen? 5. Warum haben die Brandenburger Bürger - nach den Erfahrungen aus der Nuklearkatastrophe in Japan - keine kostenlosen Kaliumiodid 65 AApot Tabletten bekommen, wie es in der Schweiz der Fall ist? 6. Wie hoch wären die Kosten, um alle Brandenburger Bürger vorsorglich mit Kaliumiodid 65 AApot Tabletten auszustatten? 7. Warum sind in Brandenburger Apotheken nur Jodtabletten mit einer Dosierung im 100 Mikrogrammbereich erhältlich, die für eine Jodblockade unwirksam sind? 8. Wo können Brandenburger Bürger Kaliumiodid 65 AApot Tabletten erwerben? 9. Sind Kaliumiodid 65 AApot Tabletten in Brandenburger Kliniken verfügbar? Wenn ja, wo? 10. Ist die Einfuhr von Kaliumiodid 65 AApot Tabletten aus dem europäischen Ausland genehmigungspflichtig? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche präventiven Maßnahmen hat die Landesregierung Brandenburg ergriffen, um die Brandenburger Bevölkerung bei einem möglichen Kernkraftwerk-Zwischenfall o. ä. Zwischenfällen mit Austritt von radioaktiven Stoffen zu schützen? zu Frage 1: Das Land BB wäre unmittelbar lediglich durch einen eventuellen nuklearen Unfall im Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums Berlin betroffen. Hier existieren abgestimmte Katastrophenschutzpläne. Frage 2: Wie sieht der Notfall-Maßnahmenplan der Brandenburger Landesregierung im Falle eines Kernkraftwerk-Zwischenfalls mit Austritt von radioaktiven Stoffen in Deutschland oder einem europäischen Anrainerstaat aus? zu Frage 2: Gegenwärtig gibt es außer für den Berliner Forschungsreaktor keine weitergehenden Katastrophenschutzplanungen. Frage 3: Ist in dem Notfall-Maßnahmenplan die kostenlose Verteilung von Kaliumiodid 65 AApot Tabletten an die Brandenburger Bevölkerung vorgesehen? zu Frage 3: Eine kostenlose Ausgabe von Kalium-Iodid-Tabletten würde bei Erfordernis nach einem nuklearen Unfall im Berliner Forschungsreaktor erfolgen. Frage 4: Welche weiteren präventiven Maßnahmen wird die Landesregierung Brandenburg in Zukunft ergreifen, um die Brandenburger Bevölkerung bei einem schweren Kernkraftwerk-Zwischenfall mit Austritt von radioaktiven Stoffen bestmöglich zu schützen? zu Frage 4: Gegenwärtig werden die Erfahrungen aus dem Nuklearunfall in Fukushima auf Bund-Länder-Ebene ausgewertet. Sobald abschließende Ergebnisse vorliegen, werden diese durch die Landesregierung bewertet. Ggf. erforderliche Maßnahmen werden dann planerisch vorbereitet. Frage 5: Warum haben die Brandenburger Bürger – nach den Erfahrungen aus der Nuklearkatastrophe in Japan – keine kostenlose Kaliumiodid 65 AApot Tabletten bekommen, wie es in der Schweiz der Fall ist? zu Frage 5: Eine Vorab-Verteilung der Kalium-Iodid-Tabletten ist gegenwärtig aufgrund der Regelungen des Arzneimittelrechts nicht möglich. Frage 6: Wie hoch wären die Kosten, um alle Brandenburger Bürger vorsorglich mit Kaliumiodid 65 AApot Tabletten auszustatten? zu Frage 6: „Kaliumiodid 65 AApot“ ist arzneimittelrechtlich in der Schweiz zugelassen und kann dort rezeptfrei in Apotheken und Drogerien als Packung mit 2 x 6 Tabletten zum Preis von CHF 5 entsprechend 4,16 EUR bezogen werden. Bei Zugrundelegung dieses Preises würde die vorsorgliche Ausstattung aller 2.449.200 Brandenburger Bürger (Bevölkerungsstand – Zensus 2013) 10.188.672 EUR Kosten verursachen. Frage 7: Warum sind in Brandenburg Apotheken nur mit Jodtabletten mit einer Dosierung im 100 Mikrogrammbereich erhältlich, die für eine Jodblockade unwirksam sind? zu Frage 7: Durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Zulassungsstelle für Arzneimittel wurden zwei Arzneimittel mit 65 mg Kaliumiodid zum Einsatz bei Reaktorkatastrophen zugelassen, die als äquivalent zu dem Arzneimittel „Kaliumiodid 65 AApot“ angesehen werden können:  Kaliumiodid "Lannacher" 65 mg - Tabletten  Kaliumiodid Recipharm 65 mg - Tabletten Eine Internetrecherche ergab, dass diese Arzneimittel bei führenden Versandhandelsapotheken auf Lager liegen und durch den Endverbraucher ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung erworben werden können. Grundsätzlich berechtigen erteilte Arzneimittelzulassungen die jeweiligen Pharmazeutischen Unternehmen dazu, die betreffenden Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, verpflichten diese jedoch nicht dazu. Insofern obliegt es im Wesentlichen der unternehmerischen, marktwirtschaftlichen Entscheidung dieser Unternehmen, ob und in welchem Umfang die Produkte auf dem Markt verfügbar sind. Die Annahme, dass in Brandenburger Apotheken nur Jodtabletten mit einer Dosierung von 100 µg Kaliumiodid erhältlich sind, entspricht nicht den Gegebenheiten. Die Einnahme von hochdosiertem Kaliumiodid ist jedoch ausschließlich für den Fall eines kerntechnischen Unfalles indiziert und wird im Ereignisfall von den zuständigen Behörden lageabhängig auf der Basis aktueller Kontaminationsmessdaten empfohlen. Im Land Brandenburg wird entsprechend der Empfehlungen der Strahlenschutzkommission keine Bevorratung von hochdosiertem Kaliumiodid in Privathaushalten empfohlen, sondern es ist eine ereignisbezogene Verteilung aus der dezentralen Landesbevorratung vorgesehen. Frage 8: Wo können Brandenburger Bürger Kaliumiodid 65 AAPot Tabletten erwerben? Frage 10: Ist die Einfuhr von Kaliumiodid 65 AApot Tabletten aus dem europäischen Ausland genehmigungspflichtig? zu den Fragen 8 und 10: Das Arzneimittel „Kaliumiodid 65 AApot“ kann gem. § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz durch Apotheken aus der Schweiz eingeführt werden. Grundvoraussetzungen sind hierfür:  Die Arzneimittel werden von Apotheken auf vorliegende Bestellung einzelner Personen in geringer Menge bestellt und von diesen Apotheken im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis abgegeben. Für die Einfuhr aus einem Drittstaat – Schweiz – ist das Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung für das betreffende Arzneimittel Voraussetzung.  Die Arzneimittel dürfen in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden, aus dem sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden. Dies wäre bei dem oben genannten Arzneimittel uneingeschränkt der Fall.  Für die Arzneimittel stehen hinsichtlich des Wirkstoffs identische und hinsichtlich der Wirkstärke vergleichbare Arzneimittel für das betreffende Anwendungsgebiet im Geltungsbereich des Gesetzes nicht zur Verfügung. Dies wäre der Fall, wenn die beiden oben genannten in Deutschland zugelassenen Arzneimittel z. B. wegen Lieferengpässen nicht beschafft werden können. Eine direkte Einfuhr von Arzneimitteln durch Endverbraucher (z. B. im Rahmen des Versandhandels) ist aus der Schweiz nicht möglich. Frage 9: Sind Kaliumiodid 65 AApot Tabletten in Brandenburger Kliniken verfügbar? zu Frage 9: Der Landesregierung liegen hierüber keine Erkenntnisse vor.