Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3549 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1390 des Abgeordneten Sven Petke der CDU-Fraktion Drucksache 6/3383 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum KAG Wortlaut der Kleinen Anfrage 1390 vom 22.01.2016: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14 - Rn. (1-70)) zu den Cottbuser Beitragsfällen wirft vielfältige Fragen auf. In der Presse werden viele Mutmaßungen angestellt. Die Menschen fragen sich, wie die Rechtslage nun ist und was sie erwarten können. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ? 2. Rechnet die Landesregierung damit, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung noch einmal durch eine Senatsentscheidung korrigieren wird? 3. Für welche Fallgruppen gilt das ausgesprochene Rückwirkungsverbot? 4. Gilt das Rückwirkungsverbot auch für die Fälle mit einer Anschlussmöglichkeit ab dem Jahr 2000, bei denen die Festsetzungsverjährung mit der Neuregelung des KAG im Jahr 2004 noch nicht eingetreten war? Zu welchem Zeitpunkt verjähren diese Fälle? 5. Haben die Bürger und Unternehmen mit bestandskräftigen Beitragsbescheiden , der jedoch gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, einen Anspruch auf Rücknahme dieser Verwaltungsakte, weil beispielsweise deren Aufrechterhaltung wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit, der Selbstbindung der Verwaltung durch die Rücknahmepraxis nach Art. 3 Absatz 1 GG oder wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben schlechthin unerträglich ist? 6. Wie sind die Rückzahlungsforderungen der Bürger und Unternehmer zu verzinsen ? Nach welchen Rechtsvorschriften richtet sich die Verzinsung? 7. Rechnet die Landesregierung damit, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung noch einmal durch eine Senatsentscheidung korrigieren wird? 8. Welche Wasser- und Abwasserverbände und Kommunen sind in welchem Umfang von dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes betroffen ? 9. Auf welche Höhe belaufen sich die Rückforderungsansprüche der Bürger und Unternehmen in Brandenburg insgesamt und gegenüber den jeweiligen Wasser - und Abwasserverbände und Kommunen? 10. Welche verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten haben die betroffenen Wasser- und Abwasserverbände sowie die betroffenen Kommunen , mit den anfallenden Kosten umzugehen und wie bewertet die Landesregierung diese Möglichkeiten? 11. Wie schätzt die Landesregierung das sogenannte Gebührensplitting ein, bei dem die Gruppe der „Beitragszahler“ niedrigere und die Gruppe der „Nicht- Beitragszahler“ höhere Gebühren entrichtet? 12. Hat das Land gegenüber den betroffenen Kommunen eine finanzielle Einstandspflicht ? 13. Wird das Land betroffene Kommunen finanziell unterstützen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Landesregierung beabsichtigt, die aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) resultierenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen durch ein externes Gutachten ermitteln und bewerten zu lassen. Zudem sollen in dem Gutachten mögliche Lösungswege aufgezeigt werden. Ein Teil der mit der Kleinen Anfrage aufgeworfenen Problemstellungen werden Gegenstand dieses Gutachtens sein und können daher durch die Landesregierung derzeit nicht vorgreifend beantwortet werden. Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ? zu Frage 1: Es wird auf die Beantwortung der mündlichen Anfrage 404 des Abgeordneten Petke durch Herrn Minister Schröter in der 22. Plenarsitzung am 20. Januar 2016 verwiesen. Frage 2: Rechnet die Landesregierung damit, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung noch einmal durch eine Senatsentscheidung korrigieren wird? zu Frage 2: Nein. Die Entscheidung ist von der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nach § 93c des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes beschlossen worden. Dieser Beschluss ist eine vollwertige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und steht einer Entscheidung des Senats gleich (§ 93c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG), die weder mit einem Rechtsbehelf noch im Wege einer Gegenvorstellung mehr angegriffen werden kann. Frage 3: Für welche Fallgruppen gilt das ausgesprochene Rückwirkungsverbot? Frage 4: Gilt das Rückwirkungsverbot auch für die Fälle mit einer Anschlussmöglichkeit ab dem Jahr 2000, bei denen die Festsetzungsverjährung mit der Neuregelung des KAG im Jahr 2004 noch nicht eingetreten war? Zu welchem Zeitpunkt verjähren diese Fälle? zu den Fragen 3 und 4: Siehe Vorbemerkung. Frage 5: Haben die Bürger und Unternehmen mit bestandskräftigen Beitragsbescheiden , der jedoch gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, einen Anspruch auf Rücknahme dieser Verwaltungsakte, weil beispielsweise deren Aufrechterhaltung wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit, der Selbstbindung der Verwaltung durch die Rücknahmepraxis nach Art. 3 Absatz 1 GG oder wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben schlechthin unerträglich ist? zu Frage 5: Bestandskräftig gewordene Beitragsbescheide müssen, auch soweit sie nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als rechtswidrig zu qualifizieren sind, durch die kommunalen Aufgabenträger grundsätzlich nicht aufgehoben werden. Die Betroffenen haben jedoch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Aufhebung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3b KAG in Verbindung mit § 130 Abs. 1 der Abgabenordnung. Ein Anspruch auf Rücknahme bestünde nur dann, wenn das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist, wenn also jede andere Entscheidung als die Rücknahme rechtswidrig wäre. Frage 6: Wie sind die Rückzahlungsforderungen der Bürger und Unternehmer zu verzinsen? Nach welchen Rechtsvorschriften richtet sich die Verzinsung? zu Frage 6: Für die aus der Rücknahme von Beitragsbescheiden nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst.b KAG in Verbindung mit § 130 Abs. 1 AO resultierenden Beitragsrückzahlungen besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Verzinsung, weil das KAG keine entsprechende Verweisungsklausel auf die AO enthält. In Betracht kommen könnten ggf. die Erstattung erbrachter Stundungszinsen, Prozesszinsen oder Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst.b KAG in Verbindung mit §§ 234 bzw. 236 oder 237 AO. Im Übrigen vgl. Vorbemerkung. Frage 7: Rechnet die Landesregierung damit, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung noch einmal durch eine Senatsentscheidung korrigieren wird? zu Frage 7: Siehe Antwort zu Frage 2. Frage 8: Welche Wasser- und Abwasserverbände und Kommunen sind in welchem Umfang von dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes betroffen? zu Frage 8: Der Landesregierung liegen dazu keine umfassenden Erkenntnisse vor, da die Wasserver- und Abwasserentsorgung der kommunalen Selbstverwaltung unterfällt . Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg sowie der Landeswasserverbandstag werden im Wege einer Umfrage bei kommunalen Aufgabenträgern eine entsprechende Bestandsaufnahme vornehmen und die Landesregierung über deren Ergebnisse informieren. Frage 9: Auf welche Höhe belaufen sich die Rückforderungsansprüche der Bürger und Unternehmen in Brandenburg insgesamt und gegenüber den jeweiligen Wasserund Abwasserverbände und Kommunen? zu Frage 9: Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Frage 10: Welche verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten haben die betroffenen Wasser- und Abwasserverbände sowie die betroffenen Kommunen, mit den anfallenden Kosten umzugehen und wie bewertet die Landesregierung diese Möglichkeiten? Frage 11: Wie schätzt die Landesregierung das sogenannte Gebührensplitting ein, bei dem die Gruppe der „Beitragszahler“ niedrigere und die Gruppe der „Nicht- Beitragszahler“ höhere Gebühren entrichtet? Frage 12: Hat das Land gegenüber den betroffenen Kommunen eine finanzielle Einstandspflicht ? Frage 13: Wird das Land betroffene Kommunen finanziell unterstützen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? zu den Fragen 10 bis 13: Siehe Vorbemerkung.