Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3717 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1464 der Abgeordneten Kristy Augustin der CDU-Fraktion Drucksache 6/3495 Pflegekinder im Land Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage 1464 vom 12.02.2016: Es ist die Aufgabe des Landes Brandenburgs positive Rahmenbedingungen für das Aufwachsen und die Entwicklung junger Menschen zu gestalten. Dazu gehört auch die befristete und unbefristete Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien . Ich frage die Landesregierung: 1. Auf welcher rechtlichen und fachlichen Basis werden Kinder und Jugendliche in Brandenburg in Pflegefamilien untergebracht? 2. Werden diese Grundlagen auf der Ebene der Landeskreise einheitlich umgesetzt ? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit des Landes Brandenburg mit den Landkreisen bezüglich der Kinderpflege? 3. Wie viele Kinder und Jugendliche sind seit 2011 im Land Brandenburg in einer Pflegeeinrichtung untergebracht? (Bitte untergliedern nach Trägerschaft, befristeter und unbefristeter Pflege sowie nach Landkreisen.) 4. Wie viele Kinder und Jugendliche sind in Brandenburg seit 2011 in Pflegefamilien untergebracht? (Bitte untergliedern befristeter und unbefristeter Pflege sowie nach Landkreisen.) 5. Wie bewertet das Land das Instrument der Pflege grundsätzlich und bevorzugt das Land Brandenburg beispielsweise Unterbringung in Pflegefamilien vor der Betreuung durch private/ kommunale Einrichtungen? Welche Vor- und Nachteile stehen mit der jeweiligen Unterbringung in Verbindung? 6. Wie viele Kinder und Jugendliche werden durchschnittlich nach einer freiwilligen Abgabe der Eltern in einer Pflegeeinrichtung/Pflegefamilie aufgenommen, durch einen Gerichtlichen Entscheid oder durch eine Inobhutnahme? 7. Welches sind die häufigsten Gründe für die Notwendigkeit ein Kind oder Jugendlichen aus der Familie zu nehmen? 8. Wie viele Kinder mit Behinderungen werden im Land Brandenburg durch ein Pflegeverhältnis betreut? 9. Wie viele Kinder oder Jugendliche mit Migrationshintergrund befinden sich in einem Pflegeverhältnis? 10. Wie bewertet das Land Brandenburg die mittelfristige und langfristige Bedarfsentwicklung an Pflegefamilien und Plätzen in entsprechenden Einrichtungen? 11. Welche Maßnahmen des Landes existieren, bzw. sind in Planung, um mehr Familien für die Aufnahme eines Pflegekindes zu aktivieren? 12. Welche pädagogische Unterstützung erhalten Pflegeeltern durch Angebote öffentlicher und freier Träger der Jugendhilfe? 13. Gibt es spezielle Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Pflegestellenpersonal und Pflegefamilien? 14. Wie lange dauerten die Pflegeverhältnisse durchschnittlich? 15. Welche Gründe gibt es für eine (vorzeitige) Beendigung eines Pflegeverhältnisses ? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Auf welcher rechtlichen und fachlichen Basis werden Kinder und Jugendliche in Brandenburg in Pflegefamilien untergebracht? Zu Frage 1: Personensorgeberechtigte haben gemäß § 27 Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - Anspruch auf Hilfen zur Erziehung, wenn eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen geeignet und notwendig ist. Die Unterbringung in Pflegefamilien ist eine Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII und gehört damit zu den möglichen Leistungsangeboten für Anspruchsberechtigte . Darüber hinaus können Unterbringungen bei Pflegepersonen erfolgen, wenn dies zum Wirkungskreis eines Vormunds oder Pflegers gehört, wenn sie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt sind, im Rahmen eines Schüler- oder Jugendaustausches oder im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Adoption. Sofern Personen außerhalb der genannten Sachverhalte Kinder oder Jugendliche aufnehmen , bedürfen sie einer Erlaubnis zur Vollzeitpflege gemäß § 44 SGB VIII. Frage 2: Werden diese Grundlagen auf der Ebene der Landeskreise einheitlich umgesetzt? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit des Landes Brandenburg mit den Landkreisen bezüglich der Kinderpflege? Zu Frage 2: Die gesetzlichen Regelungen des SGB VIII und des Ersten Gesetzes zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe (AGKJHG) sind für die Jugendämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten als örtliche Träger der Jugendhilfe verpflichtend. Die konkrete Umsetzung gehört in den Bereich pflichtiger Selbstverwaltung und kann unterschiedlich sein. Sie wird von personellen und strukturellen Bedingungen beeinflusst, die in der Verantwortung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe liegen. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport stellt den fachlichen Austausch der Fachkräfte für die Aufgaben der Pflegekinderhilfe in den Jugendämtern durch einen regelmäßig tagenden Facharbeitskreis sicher und unterstützt die konzeptionelle Weiterentwicklung des gesamten Arbeitsfeldes und fachlicher Qualitätsstandards im Land. Frage 3: Wie viele Kinder und Jugendliche sind seit 2011 im Land Brandenburg in einer Pflegeeinrichtung untergebracht? (Bitte untergliedern nach Trägerschaft, befristeter und unbefristeter Pflege sowie nach Landkreisen.) Zu Frage 3: Pflegeeinrichtungen für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien sind der Landesregierung nicht bekannt. Frage 4: Wie viele Kinder und Jugendliche sind in Brandenburg seit 2011 in Pflegefamilien untergebracht? (Bitte untergliedern befristeter und unbefristeter Pflege sowie nach Landkreisen.) Zu Frage 4: In der amtlichen Jugendhilfestatistik wird die unterschiedliche Anzahl von befristeten und unbefristeten Vollzeitpflegen nicht erfasst. Die Statistik bezieht sich auf die Hilfen , die zum jeweiligen Stichtag, dem 31.12. jeden Jahres, erbracht wurden. Die Zahlen für das Jahr 2015 liegen noch nicht vor. Tabelle 1: Anzahl Kinder/Jugendliche in Vollzeitpflege 2011 2012 2013 2014 BRB 28 27 36 39 C 85 84 88 97 FF 56 69 56 42 P 70 62 62 64 BAR 178 193 180 199 LDS 102 93 95 101 EE 110 127 131 157 HVL 79 82 77 76 MOL 213 198 183 167 OHV 173 184 190 203 OSL 78 86 85 87 LOS 79 130 130 128 OPR 139 102 118 147 PM 98 96 107 127 PR 62 62 68 67 SPN 90 116 123 108 TF 118 133 157 182 UM 117 111 101 97 Gesa mt 1.875 1.955 1.987 2.088 Datenquelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg - Statistischer Bericht KV 2 – j / 11 – Brandenburg sowie Bericht KV 2 – j / 12 – Brandenburg, Bericht KV 2 – j / 13 – Brandenburg, KV 2 – j / 14 - Brandenburg Frage 5: Wie bewertet das Land das Instrument der Pflege grundsätzlich und bevorzugt das Land Brandenburg beispielsweise Unterbringung in Pflegefamilien vor der Betreuung durch private/ kommunale Einrichtungen? Welche Vor- und Nachteile stehen mit der jeweiligen Unterbringung in Verbindung? Zu Frage 5: Die Vollzeitpflege ist grundsätzlich für Kinder und Jugendliche eine geeignete Form der Unterbringung, wenn die eigenen Eltern für eine bestimmte Zeit oder auf Dauer nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Kinder selbst zu versorgen. Insbesondere für jüngere Kinder ist der Unterbringung in Pflegefamilien gegenüber der Unterbringung in Einrichtungen, in denen Fachkräfte im Schichtdienst arbeiten, der Vorrang zu geben . Die Entscheidung darüber, für welche Kinder und Jugendlichen diese Hilfeform geeignet und notwendig ist, liegt allein in der Verantwortung des örtlich zuständigen Jugendamtes und hängt wesentlich von den jeweiligen konkreten Bedingungen des Einzelfalls ab. Deshalb können auch pauschal keine Aussagen zu Vor- und Nachteilen dieser Unterbringungsform getroffen werden. Frage 6: Wie viele Kinder und Jugendliche werden durchschnittlich nach einer freiwilligen Abgabe der Eltern in einer Pflegeeinrichtung/Pflegefamilie aufgenommen, durch einen gerichtlichen Entscheid oder durch eine Inobhutnahme? Zu Frage 6: Die Gründe für die Entscheidung des Jugendamtes, ein Kind oder einen Jugendlichen in einer Pflegefamilie unterzubringen, werden in der amtlichen Jugendhilfestatistik nicht erfasst. Aus den statistischen Daten zur Erfassung von vorläufigen Schutzmaßnahmen gemäß § 42 SGB VIII gehen lediglich die Unterbringungsorte nach Inobhutnahme hervor. Im Jahr 2014FN1 wurden 172 Kinder und Jugendliche während der Inobhutnahme bei einer geeigneten Pflegeperson untergebracht. Frage 7: Welches sind die häufigsten Gründe für die Notwendigkeit ein Kind oder Jugendlichen aus der Familie zu nehmen? FN1 Amt für Statistik Berlin-Brandenburg - Statistischer Bericht – KV 4 – j / 14 - Brandenburg Zu Frage 7: In der amtlichen Jugendhilfestatistik für das Jahr 2014 wurden folgende Gründe als Anlässe für vorläufige Schutzmaßnahmen gemäß § 42 SGB VIII erfasst: Überforderung der Eltern/eines Elternteils wurde mit 43 % aller erfassten Fälle als häufigster Grund angegeben, Beziehungsprobleme folgten mit 25 %, Vernachlässigung und unbegleitete Einreise aus dem Ausland mit je 8 % und Anzeichen für Misshandlung , Integrationsprobleme in Pflegefamilien oder Heimen sowie Schul- /Ausbildungsprobleme mit je 6 %. Als weitere Gründe wurden Delinquenz des Kindes /Straftat des Jugendlichen, Suchtprobleme des Kindes/Jugendlichen, Trennung oder Scheidung der Eltern oder Wohnungsprobleme angegeben; hier lag der Anteil zwischen 5 % und 1 %. In 27 % der Fälle werden die Gründe nicht näher ausgeführt. Frage 8: Wie viele Kinder mit Behinderungen werden im Land Brandenburg durch ein Pflegeverhältnis betreut? Zu Frage 8: Die Daten werden in der amtlichen Jugendhilfestatistik nicht erfasst. Frage 9: Wie viele Kinder oder Jugendliche mit Migrationshintergrund befinden sich in einem Pflegeverhältnis? Zu Frage 9: Aus der amtlichen Jugendhilfestatistik für das Jahr 2014 geht hervor, dass von den 2.088 Kindern und Jugendlichen in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII 159 aus Familien mit ausländischer Herkunft mindestens eines Elternteils kommen. Des Weiteren wurde erfasst, dass 28 Kinder und Jugendliche aus Familien kommen, in denen vorrangig nicht deutsch gesprochen wird. Frage 10: Wie bewertet das Land Brandenburg die mittelfristige und langfristige Bedarfsentwicklung an Pflegefamilien und Plätzen in entsprechenden Einrichtungen? Frage 11: Welche Maßnahmen des Landes existieren, bzw. sind in Planung, um mehr Familien für die Aufnahme eines Pflegekindes zu aktivieren? Zu den Fragen 10 und 11: Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung gemäß § 80 SGB VIII für eine ausreichende bedarfsgerechte Bereitstellung von Angeboten für die Leistungen der Jugendhilfe zu sorgen. Unter Berücksichtigung der strukturellen regionalen Bedingungen sind die Bedarfe in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten sehr unterschiedlich. Sie werden von den örtlich zuständigen Jugendämtern festgestellt und bei der Planung der Angebote berücksichtigt. Das Land berät die Jugendämter dabei. Frage 12: Welche pädagogische Unterstützung erhalten Pflegeeltern durch Angebote öffentlicher und freier Träger der Jugendhilfe? Frage 13: Gibt es spezielle Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Pflegestellenpersonal und Pflegefamilien? Zu den Fragen 12 und 13: Pflegefamilien sind keine ausgebildeten Fachkräfte. Sie haben gemäß § 37 Abs. 2 SGB VIII Anspruch auf Beratung und Unterstützung vor Aufnahme eines Pflegekindes und während der Dauer des Pflegeverhältnisses. Die Jugendämter halten im Rahmen der Überprüfung der Geeignetheit der Pflegepersonen entsprechende Angebote / Seminare vor, in denen vielfältige Informationen über die künftigen Aufgaben vermittelt und Fragen im Vorfeld der Aufnahme eines Pflegekindes geklärt werden können. Während des Pflegeverhältnisses stehen vielfältige Beratungs- und Fortbildungsmöglichkeiten zu den verschiedensten Themen zur Verfügung und auch zusätzliche unterstützende Hilfen können bei Bedarf genutzt werden. Darüber hinaus bieten viele Jugendämter Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch untereinander in fachlich begleiteten Pflegeelternkreisen an. Für die Angebote sind die Jugendämter zuständig, sie können regional unterschiedlich sein. Frage 14: Wie lange dauerten die Pflegeverhältnisse durchschnittlich? Zu Frage 14: Die Unterbringungsdauer ist immer abhängig vom konkreten Bedarf im Einzelfall. So kann eine Unter-bringung in einer Notsituation oder können Inobhutnahmen von einem Tag bis zu 6 - 12 Monaten dauern, bei einer auf Dauer angelegten Vollzeitpflege bis zur Volljährigkeit, im Bedarfsfall auch darüber hinaus bis zum 21. Lebensjahr. In der amtlichen Jugendhilfestatistik für 2014 wird eine durchschnittliche Dauer von 65 Monaten angegeben. Frage 15: Welche Gründe gibt es für eine (vorzeitige) Beendigung eines Pflegeverhältnisses? Zu Frage 15: Ein Pflegeverhältnis wird in der Regel planmäßig beendet, wenn die Hilfe zur Erziehung in dieser Form nicht mehr geeignet und notwendig ist oder wenn ein Kind oder Jugendlicher in die Herkunftsfamilie zurückkehren kann. Zu einer vorzeitigen Beendigung eines Pflegeverhältnisses kann es kommen, wenn in der Pflegefamilie unvorhersehbare , persönliche Veränderungen eine weitere Versorgung des Pflegekindes unmöglich werden lassen, wenn der Sorgeberechtigte den Antrag auf Hilfe zur Erziehung zurückzieht oder wenn das Wohl des Kindes in der Pflegestelle nicht mehr gesichert ist. Nähere Erkenntnisse dazu liegen nicht vor.