Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3720 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1449 der Abgeordneten Diana Bader Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/3473 Zukunft der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen Wortlaut der Kleinen Anfrage 1449 vom 10.02.2016: In ihrem Bericht zum Behindertenpolitischen Maßnahmenpaket für das Land Brandenburg vom 30.09.2014 empfiehlt die Monitoringstelle zur UN-Behindertenrechtskonvention, die Durchlässigkeit zwischen Werkstätten für behinderte Menschen und dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhöhen und diesbezüglich übersichtliche, transparente und wirksame Informations- und Unterstützungsangebote, möglichst aus einer Hand, sowohl für die betreffenden Personen mit Behinderungen als auch für interessierte Unternehmen bereitzustellen. In den abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands vom 17.04.2015 empfiehlt der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen unter Nr. 50 b sogar „die schrittweise Abschaffung der Behindertenwerkstätten durch sofort durchsetzbare Ausstiegsstrategien und Zeitpläne sowie durch Anreize für die Beschäftigung bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern im allgemeinen Arbeitsmarkt“. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Position vertritt die Landesregierung zu der Empfehlung, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen schrittweise abzuschaffen und welche Ausstiegsstrategien und Zeitpläne hat sie dazu bereits erarbeitet? 2. Welche übersichtlichen, transparenten und wirksamen Informations- und Unterstützungsangebote sind seit Oktober 2014 entstanden und wie viele Menschen mit Behinderung oder interessierte Unternehmen konnten damit erreicht werden? 3. Wie hat sich in den letzten 4 Jahren die Anzahl der beschäftigten Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten verändert? 4. Wie viele öffentliche Aufträge erteilte die Landesregierung (jeweils aufgeschlüsselt nach den zuständigen Landesministerien) in den letzten 4 Jahren (aufgeschlüsselt nach Jahren) an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen? 5. Wie viele öffentliche Aufträge erteilte die Landesregierung (jeweils aufgeschlüsselt nach den zuständigen Landesministerien) in den letzten 4 Jahren (aufgeschlüsselt nach Jahren) an Integrationsunternehmen /-abteilungen? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Landesregierung hat mit dem Behindertenpolitischen Maßnahmenpaket 2011 eine erste Strategie zur Entwicklung von Alternativen für die Beschäftigung in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) vorgelegt. Zu Beginn des Jahres 2014 wurde ein eigener Handlungsansatz zur Förderung der Durchlässigkeit zwischen WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt auf den Weg gebracht, der anlässlich der Fachkonferenz „Übergang aus WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – Utopie oder Handlungsoption“ vom 1. Juli bis zum 2. Juli 2015 umfassend vorgestellt und diskutiert wurde. Frage 1: Welche Position vertritt die Landesregierung zu der Empfehlung, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen schrittweise abzuschaffen und welche Ausstiegsstrategien und Zeitpläne hat sie dazu bereits erarbeitet? Frage 2: Welche übersichtlichen, transparenten und wirksamen Informations- und Unterstützungsangebote sind seit Oktober 2014 entstanden und wie viele Menschen mit Behinderung oder interessierte Unternehmen konnten damit erreicht werden? zu Frage 1 und Frage 2: Die Frage 1 zur Position der Landesregierung und Frage 2 zu konkreten Maßnahmen werden nachfolgend zusammengefasst beantwortet. Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass Werkstätten ein wichtiges und bewährtes Teilhabeangebot für einen bestimmten Kreis von behinderten Menschen sind. Es geht nicht um die Abschaffung von WfbM in einem absehbaren Zeitraum, sondern um die Schaffung von alternativen Angeboten zur WfbM auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, und das mit einem gesicherten Rückkehrrecht in die WfbM. Letzteres ist eine zentrale Forderung der Interessenvertretung der WfbM-Beschäftigten. Die im Mai 2014 in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studie „Rahmenbedingungen für den Übergang aus Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – Untersuchung der Beschäftigungssituation im Land Brandenburg“ wurde zwischenzeitlich auch im Rahmen einer Fachkonferenz ausgewertet. Eine Dokumentation ist auf der Internetseite des LASV eingestellt: http://www.lasv.brandenburg.de/sixcms/detail.php/715058 In der Auswertung der bisherigen gewonnenen Erkenntnisse sind folgende Punkte für die Zukunft von wesentlicher Bedeutung: - Erforderlich ist ein verlässliches zwischen den beteiligten Akteuren (Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Rentenversicherungsträger, Sozialhilfeträger, Integrationsamt, WfbM) abgestimmtes Übergangsmanagement mit einem komplexen Coachingansatz für eine Übergangsphase für interessierte WfbM-Beschäftigte. - Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber erwarten in diesem Prozess vor allem verlässliche Zusagen über Leistungen der einzelnen Akteure für einen längeren Zeitraum. Um die Förderinstrumente adressatengerecht weiter auszugestalten und Leistungen wie aus einer Hand zu organisieren , bedarf es somit des weiteren Ausbaus der bereits bestehenden Kooperationsansätze zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Integrationsamt auf dem Gebiet der Teilhabe am Arbeitsleben unter Einbeziehung der Kammern (z. B. Kooperationsvereinbarungen zur „Ini- tiative Inklusion – Handlungsfeld I,II und III sowie zum Landesprogramm „Inklusive Ausbildung und Beschäftigung“). - Menschen mit Behinderungen benötigen in dem o. g. Übergangsprozess eine gute Fachberatung , eine intensive und individuelle Vorbereitung sowie nach dem Übergang aus der WfbM in der Regel eine dauerhafte Begleitung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. - Um den Gesamtprozess von Beginn an bis einschließlich zur Sicherung der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt koordinieren zu können, bedarf es eines Prozess- und Strukturverantwortlichen , der als Bindeglied zwischen der WfbM und dem allgemeinen Arbeitsmarkt fungiert. - Darüber hinaus ist eine Reihe von bundesgesetzlichen Änderungen notwendig, um alternative Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anstatt in einer Werkstatt für behinderte Menschen regelhaft zu ermöglichen. Mit dem angekündigten Bundesteilhabegesetz sollen zwei wesentliche gesetzliche Voraussetzungen zur Schaffung von alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch das Budget für Arbeit (Leistungen für Lohnkostenzuschüsse und Begleitung am Arbeitsplatz) und die Möglichkeit, dass andere Leistungsanbieter als die WfbM Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben für den Personenkreis anbieten können, geschaffen werden. Die Landesregierung hat bereits erste Eckpfeiler zur Förderung von WfbM-Übergängen gesetzt, wie zum Beispiel: - Im gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm des Landes Brandenburg und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit vom 19. August 2015 wurde vereinbart, dass mit Hilfe des Modellprojektes „Wege in Arbeit und Beschäftigung“ ein grundsätzliches Übergangsmanagement zwischen WfbM und allgemeinem Arbeitsmarkt entwickelt sowie erprobt wird und des Weiteren auch grundsätzliche Fördermodalitäten abgestimmt werden. - Ein landesseitiger Förderschwerpunkt soll in Ergänzung der angekündigten Bundesrichtlinie zur Förderung von Integrationsprojekten insbesondere die Schaffung von Arbeitsplätzen für Übergängerinnen und Übergänger aus Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt werden. Auch mit diesem Programm wird darüber hinaus das Ziel verfolgt, die bisherige Kooperation und Vernetzung mit den Arbeitsmarktakteuren weiter auszubauen. Gegenwärtig werden weitere ergänzende Maßnahmen mit den jeweiligen Akteuren und Interessenvertretungen bei verschiedenen Terminen, wie zum Beispiel den Inklusionsforen des MASGF zur Weiterentwicklung des Behindertenpolitischen Maßnahmenpaketes, beraten und diskutiert. Frage 3: Wie hat sich in den letzten 4 Jahren die Anzahl der beschäftigten Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten verändert? zu Frage 3: belegte Plätze per Eingangsverfahren / Berufsbildungsbereich (EV/BBB) Arbeitsbereich (AB) ges. WfbM Zunahme gegenüber dem Vorjahr Zunahme gegenüber dem Vorjahr in % 30.06.2011 1.240 9.541 10.781 30.06.2012 1.115 9.781 10.896 115 1,07% 30.06.2013 1.091 10.075 11.166 270 2,47% 30.06.2014 1.162 10.155 11.317 151 1,35% 30.06.2015 1.109 10.239 11.348 31 0,27% Angaben der LAG WfbM Im Zeitraum vom 30. Juni 2011 bis zum 30. Juni 2015 ist die Anzahl der WfbM-Beschäftigten um 567 Personen angestiegen, das entspricht einem Anstieg von 5,26 Prozent. Frage 4: Wie viele öffentliche Aufträge erteilte die Landesregierung (jeweils aufgeschlüsselt nach den zuständigen Landesministerien) in den letzten 4 Jahren (aufgeschlüsselt nach Jahren) an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen? zu Frage 4: Die Angaben über die vergebenen Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen gemäß § 140 SGB IX werden im Zusammenhang mit dem Anzeigeverfahren über die Erfüllung der Beschäftigungspflicht gemäß § 80 Abs. 2 SGB IX ermittelt. Die folgenden Übersichten wurden auf dieser Grundlage erstellt. Ressort Aufträge (Betrag der Arbeitsleistung) an Werkstätten für behinderte Menschen oder an Blindenwerkstätten gemäß §140 ff. SGB IX in € 2012 2013 Staatskanzlei 554,38 981,83 MI 12.508,64 7.876,86 MdF 21.704,47 22.434,64 MdJ 9.422,78 6.584,30 MWFK 12.345,84 14.819,10 MASF 848,74 1.485,09 MWE 2.310,60 1.072,90 MUGV 2.454,16 1.896,22 MBJS 293,95 70,88 MIL 3.932,14* 4.731,62* Gesamt 66.375,70 61.953,44 Quelle: Anzeigen der Jahre 2012 - 2013 gem. § 80 Abs. 2 SGB IX Ressort Aufträge (Betrag der Arbeitsleistung) an Werkstätten für behinderte Menschen oder an Blindenwerkstätten gemäß §140 ff. SGB IX in € 2014 2015 Staatskanzlei 1.692,38 229,45 MWE 691,70 480,50 MIL 6.630,78* 1.653,88* MWFK 21.975,46 20.933,18 MdF 21.567,36 20.303,94 MLUL 2.509,37 4.189,93 MASGF 1.189,03 1.267,04 MBJS 75,11 0,00 MdJEV 5.721,44 3.479,17 MIK 6.489,81 7.235,64 Gesamt 68.542,44 59.775,73 Quelle: Anzeigen des Jahres 2014 gem. § 80 Abs. 2 SGB IX; Anzeigen 2015 ist bis zum 31.März 2016 zu erstellen- Angaben unter Vorbehalt bzw. Angaben liegen noch nicht bzw. noch nicht vollständig vor; *Angaben aus dem Ressort MIL : 2012-2014 MIL, LS, LBV, LFB und LELF sowie ab 2015 MIL, LS und, LBV Frage 5: Wie viele öffentliche Aufträge erteilte die Landesregierung (jeweils aufgeschlüsselt nach den zuständigen Landesministerien) in den letzten 4 Jahren (aufgeschlüsselt nach Jahren) an Integrationsunternehmen /-abteilungen? zu Frage 5: Die Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand an Integrationsunternehmen oder -abteilungen wird weder auf die Ausgleichsabgabe nach § 140 SGB IX angerechnet, noch können nach aktuellem Recht Aufträge bevorzugt an diese Unternehmen bzw. Abteilungen gemäß § 141 SGB vergeben werden . Durch die Landesregierung wird aus diesem Grund auch keine entsprechende Statistik bei der Vergabe von Aufträgen geführt.