Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3725 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1466 der Abgeordneten Birgit Bessin und Sven Schröder AfD-Fraktion Drucksache 6/3501 Sicherheit von Windenergieanlagen Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 1466 vom 15.02.2016: Immer wieder geraten Windenergieanlagen durch Unfälle und Störungen in die Schlagzeilen. Neben umgestürzten, oder abgeknickten Windrädern und Bränden vermeldete der Nordkurier am 29.08.2015 einen tragischen Unfall durch einen abgestürzten Fahrstuhl in einer Windenergieanlage in Storkow. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Unfälle, bzw. technische Zwischenfälle gab es in den letzten 20 Jahren im Bereich der Windenergie in Brandenburg? Bitte listen Sie diese nach der Art des Zwischenfalls, dem jeweiligen Tag und Ort auf. 2. Wie viele Windanlagen waren in den letzten 20 Jahren von Bränden betroffen? 3. Bei wie vielen Zwischenfällen kamen Personen zu Schaden? 4. Welchen Meldepflichten unterliegen Betreiber einer Windkraftanlage und bei welchen konkreten Zwischenfällen werden diese wirksam? 5. Welche Lehren wurden aus den gemeldeten Vorfällen gezogen, welche Verbesserungen bei den Sicherheitsvorkehrungen wurden im Laufe der letzten 20 Jahre installiert? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Unfälle, bzw. technische Zwischenfälle gab es in den letzten 20 Jahren im Bereich der Windenergie in Brandenburg? Bitte listen Sie diese nach der Art des Zwischenfalls, dem jeweiligen Tag und Ort auf. Frage 2: Wie viele Windanlagen waren in den letzten 20 Jahren von Bränden betroffen ? Frage 3: Bei wie vielen Zwischenfällen kamen Personen zu Schaden? zu Frage 1 bis 3: Die Landesregierung hat folgende technischen Zwischenfälle ermittelt (ohne Gewähr und Anspruch auf Vollzähligkeit): LK / Stadt Ort Datum Art des Zwischenfalls 1 EE Wahrenbrück 05.07.2007 Abriss eines Rotorblatts bei Sturm 2 EE Koßdorf 13.12.2014 Turm gebrochen, Gondel abgestürzt, Ursache ungeklärt 3 EE Beyern 13.09.2011 Gondelbrand 4 HVL Falkenrehde 09.01.2007 Brand durch Blitzeinschlag 5 LDS Briesensee 27.04.2011 Blitzschlag, Rotorteile stürzen ab 6 LDS Schäcksdorf 23.12.2013 Windenergieanlage verliert Flügelspitzen 7 MOL Lüdersdorf 05.11.2010 Abriss eines Rotorblatts 8 MOL Seelow 01./02.08.2012 Beschädigung eines Rotorblatts, Blitzschlag 9 OSL Klettwitz 30.03.2005 Brand Maschinenhaus/Totalverlust der Anlage 10 OSL Brieske 02.07.2009 Abriss eines Rotorblatts 11 OSL Kittlitz 18.09.2011 Rotorblattabwurf 12 OSL Klettwitz 30.11.2012 Windenergieanlage brennt komplett aus 13 UM Basedow 19.03.2012 Gondelbrand 14 UM Weselitz unbekannt Beschädigung eines Rotorblatts, Blitzschlag 15 UM Mittenwalde 03.06.2015 Gondelbrand 16 UM Dauer 04.10.2015 Brand im Schaltschrank Gemäß Angaben des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) wird eine spezifische Statistik zum Auftreten meldepflichtiger Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit Windenergieanlagen nicht geführt. Im benannten Zeitraum sind aber die folgenden schweren Unfälle bei der Arbeit durch die Arbeitsschutzbehörde erfasst und untersucht worden: 10.09.2003 Baustelle Windpark Pitschen-Pickel (LDS) Tödlicher Unfall (Absturz, 1 Toter) 15.10.2003 Windpark Falkenhagen (UM) Tödlicher Unfall (Absturz bei Wartungsarbeiten, eine Verankerung der Steigleiter löste sich, 1 Toter) 24.05.2013 Windenergieanlage Berge OT Kleeste (PR) Tödlicher Unfall (Absturz bei Wartungsarbeiten durch ungesicherte Kranluke, 1 Toter ) 28.09.2015 Windfarm Storkow (UM) Tödlicher Unfall (Absturz Fahrkorb Befahranlage, 1 Toter, 1 Verletzter) 25.11.2015 Windfeld Gemarkung Lindenberg (UM) Bemerkenswerter Unfall (Lichtbogen bei Elektroarbeiten, 1 Verletzter) Danach haben sich in den letzten 20 Jahren im Land Brandenburg – soweit bekannt – fünf schwere Unfälle bei der Arbeit im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen ereignet, bei denen vier Beschäftigte tödlich und zwei Beschäftigte schwer verletzt wurden. Auflistung nach Art der Zwischenfälle: Landkreis/kreisfreie Stadt Zwischenfälle gesamt davon Brand Arbeitsunfall 1 Barnim 0 0 0 2 Dahme-Spreewald 3 0 1 3 Elbe-Elster 3 1 0 4 Havelland 1 1 0 5 Märkisch-Oderland 2 0 0 6 Oberhavel* 0 0 0 7 Oberspreewald- Lausitz 4 2 0 8 Oder-Spree 0 0 0 9 Ostprignitz-Ruppin* 0 0 0 10 Potsdam-Mittelmark 0 0 0 11 Prignitz 1 0 1 12 Spree-Neiße 0 0 0 13 Teltow-Fläming 0 0 0 14 Uckermark 7 3 3 15 Brandenburg 0 0 0 16 Cottbus 0 0 0 17 Eberswalde 0 0 0 18 Frankfurt (Oder) 0 0 0 19 Potsdam 0 0 0 20 Schwedt/Oder 0 0 0 gesamt 21 7 5 *keine Rückmeldung innerhalb des Abfragezeitraumes Frage 4: Welchen Meldepflichten unterliegen Betreiber einer Windkraftanlage und bei welchen konkreten Zwischenfällen werden diese wirksam? zu Frage 4: Aus bauordnungsrechtlicher Sicht gibt es keine Meldepflicht für Betreiber bei Unfällen bzw. technischen Zwischenfällen. Arbeitsunfälle, bei denen eine beschäftigte Person getötet oder so verletzt wurde, dass sie für mehr als drei Tage arbeitsunfähig war, sind vom Arbeitgeber zu dokumentieren und dem zuständigen Unfallversicherungsträger sowie dem Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit anzuzeigen (§ 6 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG – in Verbindung mit § 193 Abs. 7 Sozialgesetzbuch VII). Der Arbeitgeber hat bei der Verwendung von in den Anhängen 2 und 3 der Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV – aufgeführten Arbeitsmitteln (u. a. sind Befahranlagen in Windenergieanlagen Aufzugsanlagen nach Anhang 2 Abschnitt 2 Nr. 2b Buchstabe bb) der zuständigen Ar- beitsschutzbehörde folgende Ereignisse unverzüglich anzuzeigen (§ 19 Abs. 1 Betr SichV): 1. jeden Unfall, bei dem ein Mensch getötet oder erheblich verletzt worden ist, und 2. jeden Schadensfall, bei dem Bauteile oder sicherheitstechnische Einrichtungen versagt haben. Frage 5: Welche Lehren wurden aus den gemeldeten Vorfällen gezogen, welche Verbesserungen bei den Sicherheitsvorkehrungen wurden im Laufe der letzten 20 Jahre installiert? zu Frage 5: Für die Betriebssicherheit der Windenergieanlagen sind die Betreiber verantwortlich. Gemäß der Richtlinie des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) „Windenergieanlagen; Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung“ vom Oktober 2012 sind vom Betreiber während der gesamten Standzeit wiederkehrende Prüfungen durch Sachverständige zu veranlassen und die Prüfberichte aufzubewahren. Die Richtlinie ist in der Liste der Technischen Baubestimmungen für das Land Brandenburg eingeführt. Bei fast allen schweren Arbeitsunfällen wurde Absturz aus der Höhe als Unfallursache festgestellt. Hieraus wurden seitens der Behörden und der Hersteller sowie Betreiber Konsequenzen gezogen und Änderungen der Sicherheitskonzepte umgesetzt. So wurden z. B. in Auswertung des Unfalls vom 10.09.2003 u. a. eine Änderung der Montagetechnologie und ein Austausch der verwendeten Fangeinrichtungen vorgenommen. Um Zwischenfälle beim Auf- und Abstieg über die Leiter mit Fallschutz zu vermeiden, sind neuerrichtete Anlagen grundsätzlich mit Befahranlagen ausgestattet worden, um Personal und Material in die Gondel zu transportieren. Auch unterliegen die verwendeten persönlichen Schutzausrüstungen und technischen Schutzeinrichtungen im Ergebnis der Auswertung von Unfällen einem ständigen Verbesserungsprozess. In Auswertung des Unfalls vom September 2015 in Storkow (UM) wurden vom LAVG in einer Allgemeinverfügung mit Wirkung für das Land Brandenburg Maßnahmen für den weiteren Betrieb von Befahranlagen in Windenergieanlagen festgelegt. Hierzu zählen insbesondere spezielle Vorgaben für die Wartung, Prüfung und Instandsetzung. Weitergehende Maßnahmen werden von den für die Hersteller der am Unfall beteiligten Bau- und Ausrüstungsteile zuständigen Behörden der Länder bei den beteiligten Firmen durchgesetzt.