Datum des Eingangs: 16.03.2016 / Ausgegeben: 21.03.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3732 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1486 des Abgeordneten Christoph Schulze BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/3553 Volksbegehren-Gesetzgebung gemäß Art. 76 der Landesverfassung bürgerfreundlich und rechtssicher ausgestalten Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 1486 vom 23.02.2016: Wie allseits bekannt, gibt es im Land Brandenburg gemäß Art. 76 ein Gesetz über Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheid als Ausschluss aus der Landesverfassung . Ziel und Gegenstand ist es, den Bürgerinnen und Bürgern die politische Mitwirkung ermöglichen zu können, dies auch als Auftrag und Echo aus der friedlichen Revolution von 1989. Mittlerweile hat es im Land Brandenburg sehr viele Volksinitiativen und einige Volksbegehren gegeben, und im Rahmen dessen wurden viele Erfahrungen gesammelt, und wurden auch schon Veränderungen am Gesetz und am Prozedere vorgenommen. Nunmehr hat es im Jahre 2015/2016 eine Häufung von Volksinitiativen und Volksbegehren gegeben, hier z. B. Volksbegehren gegen Massentierhaltung und Volksbegehren gegen eine dritte Start- und Landebahn am BER und das nunmehr laufende Volksbegehren gegen den Bau von Windkraftanlagen im Wald. Bei den zwei abgelaufenen Volksbegehren wurden zahlreiche Probleme festgestellt , die man so nicht weiter hinnehmen kann. So ist es bei Volksbegehren im Land Brandenburg Pflicht, dass die Bürgerinnen und Bürger zur Amtsverwaltung gehen , um dort in der Meldebehörde oder an einer anderen Stelle ihre Unterschriften zu leisten, wenn man denn nicht vom Briefwahlverfahren Gebrauch machen möchte. Nunmehr hat sich herausgestellt, dass in zahlreichen Gemeinden ein Verfahren praktiziert wird, was nicht nur bürgerunfreundlich ist, sondern den Sinn und den Zweck des Volksbegehrens vollständig ad absurdum führt. So wurde aus Gemeinden berichtet , dass Bürger, die sich in der Gemeindeverwaltung melden, an die entsprechende Stelle verwiesen wurden. Das war häufig die Meldebehörde. Dort wurden sie in die Warteschlange, zu allen anderen Bürgern, die dort Personalausweise, Urkunden , Dokumente etc. beantragt hatten, eingereiht. Dies ergab die reale Situation, dass Bürgerinnen und Bürger, die lediglich eine Unterschrift für das Volksbegehren leisten wollten, was weniger als eine Minute dauert, in Warteschlangen von 20, 30, 50 oder auch mehr Minuten verwiesen wurden, die sie dann resigniert verlassen haben . Die Kommunen begründen dies mit der Tatsache, dass sie für das Volksbegehren nicht extra Personal einstellen können, welches die Information und die Umsetzung der Eintragung übernimmt. Eine öffentliche Auslegung der Eintragungsliste ohne personelle Begleitung durch Mitarbeiter der Verwaltung wäre nicht zulässig. Weiterhin wurde aus nicht wenigen Kommunen berichtet, dass nicht an fünf Tagen in der Woche die Zugänglichkeit zur entsprechenden Eintragungsstelle möglich ist, sondern dass in einigen Kommunen nur an zwei Tagen pro Woche eine Eintragung möglich war. Auch das widerspricht dem Sinn, Zweck und Ziel der Volksgesetzgebung. Hier verschanzen sich die Kommunen hinter der Tatsache, dass die Öffnungszeiten nun mal so sind, wie sie sind und dass die Kommunen nicht die Pflicht haben, mehr Personal etc. einzustellen. Denn das wäre ja im Volksgesetzgebungsgesetz nicht geregelt . Aus diesem Grunde frage ich die Landesregierung: 1. Ist der Landesregierung die Tatsache bekannt, dass Bürgerinnen und Bürger sich in Bürgerämtern/Meldebehörden in die Warteschlange einreihen müssen, lange Wartezeiten bis zur Unterschriftsleistung hinnehmen müssen? 2. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass dieses dem Inhalt, Ziel und Zweck des Gesetzes entspricht? 3. Sind Kommunen verpflichtet, Personal für die Eintragung beim Volksbegehren bereitzuhalten, um eine zügige und reibungslose Eintragung in die Eintragungslisten sicherzustellen? 4. Wenn Kommunen das tun, greift an dieser Stelle das Konnexitätsprinzip, da es sich ja um ein Landesgesetz handelt, das den Kommunen bestimmte Aufgaben auferlegt? 5. Wenn es keine Pflicht zu einer weitgehenden zeitnahen Sicherstellung der Unterschriftsleistung gibt, stellt sich die Frage, ob die Landesregierung der Auffassung ist, dass das Gesetz über Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide im Land Brandenburg diesbezüglich geändert werden muss, und wenn ja, ich welche Richtung? 6. Ist die Landesregierung der Auffassung bzw. welche Meinung vertritt die Landesregierung im Hinblick auf die Zugänglichkeit zu den Unterschriftslisten, hier insbesondere auf die Tatsache, dass die Zugänglichkeit zu den Unterschriftslisten in einigen Gemeinden nur an zwei Tagen in der Woche gewährleistet? 7. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass es einen Rechtsgrundsatz im Volksgesetzgebungsgesetz im Hinblick auf eine Verpflichtung der Kommunen im Hinblick auf eine 5-Tage-Woche gibt, wenn ja, in welchem Umfang? 8. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass angesichts der Erfahrungen aus den Volksbegehren 2015/2016 das Gesetz über die Volksgesetzgebung geändert werden müsste und wenn ja, in welchen Punkten? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Ist der Landesregierung die Tatsache bekannt, dass Bürgerinnen und Bürger sich in Bürgerämtern/Meldebehörden in die Warteschlange einreihen müssen, lange Wartezeiten bis zur Unterschriftsleistung hinnehmen müssen? Frage 2: Ist die Landesregierung der Auffassung, dass dieses dem Inhalt, Ziel und Zweck des Gesetzes entspricht? Frage 3: Sind Kommunen verpflichtet, Personal für die Eintragung beim Volksbegehren bereitzuhalten, um eine zügige und reibungslose Eintragung in die Eintragungslisten sicherzustellen? Frage 4: Wenn Kommunen das tun, greift an dieser Stelle das Konnexitätsprinzip, da es sich ja um ein Landesgesetz handelt, das den Kommunen bestimmte Aufgaben auferlegt? Frage 5: Wenn es keine Pflicht zu einer weitgehenden zeitnahen Sicherstellung der Unterschriftsleistung gibt, stellt sich die Frage, ob die Landesregierung der Auffassung ist, dass das Gesetz über Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide im Land Brandenburg diesbezüglich geändert werden muss, und wenn ja, ich welche Richtung? zu den Fragen 1 bis 5: Weder beim Landesabstimmungsleiter noch beim Ministerium des Innern und für Kommunales sind bisher Meldungen von Bürgerinnen und Bürgern eingegangen, die über zu lange Wartezeiten bei den kommunalen Abstimmungsbehörden im Zusammenhang mit ihrer Unterstützung eines Volksbegehrens durch Eintragung in die Eintragungslisten berichten. Dies spricht für die Annahme, dass sich die eintragungswilligen Bürgerinnen und Bürger im Regelfall ohne längere Wartezeiten in die bei den kommunalen Abstimmungsbehörden bereitliegenden Eintragungslisten eintragen können. Gleichwohl liegt auf der Hand, dass in Ausnahmefällen , insbesondere bei großem Andrang, Wartezeiten nicht ausgeschlossen werden können. Im Übrigen sind die Ämter und amtsfreien Gemeinden (= kommunale Abstimmungsbehörden ) rechtlich nicht verpflichtet, die eintragungswilligen Bürgerinnen und Bürger stets vorrangig sofort zu bedienen. Ebenso besteht für die Kommunen weder eine rechtliche Verpflichtung noch ein tatsächliches Erfordernis, für die Durchführung von Volksbegehren im Allgemeinen und für die Eintragungen der Bürgerinnen und Bürger in die Eintragungslisten im Besonderen zusätzliches Personal bereitzuhalten . Vorliegend ist mithin das Konnexitätsprinzip nicht berührt. Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen sieht die Landesregierung gegenwärtig auch insoweit kein Erfordernis, das geltende Volksabstimmungsgesetz zu ändern. Frage 6: Ist die Landesregierung der Auffassung bzw. welche Meinung vertritt die Landesregierung im Hinblick auf die Zugänglichkeit zu den Unterschriftslisten, hier insbesondere auf die Tatsache, dass die Zugänglichkeit zu den Unterschriftslisten in einigen Gemeinden nur an zwei Tagen in der Woche gewährleistet? Frage 7: Ist die Landesregierung der Auffassung, dass es einen Rechtsgrundsatz im Volksgesetzgebungsgesetz im Hinblick auf eine Verpflichtung der Kommunen im Hinblick auf eine 5-Tage-Woche gibt, wenn ja, in welchem Umfang? zu den Fragen 6 und 7: Nach § 6 Satz 1 der Volksbegehrensverfahrensverordnung ist jede kommunale Abstimmungsbehörde verpflichtet, „mindestens in einem Eintragungsraum amtliche Eintragungslisten zu den üblichen Arbeitszeiten zur Eintragung bereitzuhalten“. Übliche Amtszeiten im Sinne dieser Vorschrift sind die Zeiten, in denen die Bediensteten der Abstimmungsbehörde regelmäßig (oder ganz überwiegend ) ihre hauptamtliche Tätigkeit ausüben (regelmäßige Arbeits- und Präsenzzeit oder im Falle einer Gleitzeitregelung die „Kernzeit“ oder die Zeit der „durchgehenden Erreichbarkeit“). Bei den zuletzt durchgeführten Volksbegehren ist dem Landesabstimmungsleiter von einem Fall berichtet worden, in dem bei einer Abstimmungsbehörde an bestimmten Werktagen während der üblichen Arbeitszeiten keine Möglichkeit zur Eintragung in die Eintragungslisten bestand. Stattdessen wurden die eintragungswilligen Bürgerinnen und Bürger auf die Möglichkeit der brieflichen Eintragung und die hierfür bereitgehaltenen Antragsvordrucke verwiesen. Der Landesabstim- mungsleiter hat die betroffene Abstimmungsbehörde nach Kenntnisnahme und Prüfung des Sachverhalts umgehend auf die vorstehend dargelegte Rechtslage hingewiesen . Frage 8: Ist die Landesregierung der Auffassung, dass angesichts der Erfahrungen aus den Volksbegehren 2015/2016 das Gesetz über die Volksgesetzgebung geändert werden müsste und wenn ja, in welchen Punkten? zu Frage 8: Bis Februar 2012 konnten die Unterstützungsunterschriften für Volksbegehren ausschließlich in amtlichen Eintragungsräumen der Ämter und amtsfreien Gemeinden geleistet werden. Der Landtag hat durch eine am 3. Februar 2012 in Kraft getretene Gesetzesnovelle die Möglichkeiten der teilnahmeberechtigten Bürgerinnen und Bürger, Volksbegehren zu unterstützen, wesentlich erleichtert und erweitert . Erstens wurde die Möglichkeit der brieflichen Unterstützung von Volksbegehren geschaffen. Zweitens kann die Unterstützung nunmehr auch vor einem ehrenamtlichen Bürgermeister, Notar oder einer anderen zur Beglaubigung ermächtigten Stelle erfolgen. Zur amtlichen Beglaubigung befugt sind die Behörden des Landes, der Kommunen sowie sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Seit Inkrafttreten dieser Reform sind vier Volksbegehren durchgeführt worden. Das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot am Flughafen BER konnte mit 106.391 gültigen Eintragungen erstmals die Hürde von mindestens 80.000 Unterstützungsunterschriften nehmen. Die vor der Reform durchgeführten sieben Volksbegehren waren an dieser Hürde gescheitert. Daneben war im Januar 2016 das Volksbegehren gegen Massentierhaltung mit 103.545 gültigen Eintragungen erfolgreich. Demgegenüber verfehlten die Volksbegehren für die Erhaltung der Hochschulen und gegen den Bau einer 3. Start- und Landebahn am Flughafen BER die Mindestzahl von 80.000 Unterstützungsunterschriften deutlich. Vor diesem Hintergrund sieht die Landesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen unmittelbaren Bedarf nach einer erneuten Änderung des Volksabstimmungsgesetzes.