Datum des Eingangs: 22.03.2016 / Ausgegeben: 29.03.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3749 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1478 des Abgeordneten Dieter Dombrowski CDU-Fraktion Drucksache 6/3517 Vernässungsprobleme durch Wasserrückhalt in der Landschaft, Managementpläne und Gewässerentwicklungskonzepte Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 1478 vom 17.02.2016: Seit Jahren kämpfen Bürgerinitiativen und Landwirte in einigen Regionen Brandenburgs unablässig gegen zu hohes Grundwasser sowie gegen zu hohe Pegelstände in den Flüssen, Gräben und Seen. Scheinbar sollen die Vorgaben der EU- Wasserrahmenrichtlinie ohne Augenmaß umgesetzt werden, ohne hierbei auf die Arbeits- und Lebensbedingungen bzw. Bedürfnisse der Bürger zu achten. In den zurückliegenden Jahren sind nicht nur heiße und trockene Sommer, sondern auch nasse Jahre, wie z.B. 2007, 2010, 2011 oder 2013, festzustellen, in denen der Wasserrückhalt in der Landschaft auch enorme Probleme mit sich brachte. Ich frage die Landesregierung: 1. Warum hält das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft weiterhin an einem Landschaftswasserhaushalt fest, der immer mehr Wasser zurückhält (Wasserrückhalt), die jeweiligen Umbaumaßnahmen, wie z.B. das Einbringen von Sohlschwellen, Abflusseinengungen und Verplombungen in Gräben und Gewässern, aber dazu führen, dass in nassen Jahren das Wasser nur ungenügend abfließen kann und zu extremen Hochwässern führen? Warum werden nicht stattdessen regulierbare Staubauwerke gebaut, um im Bedarfsfall den Wasserhaushalt regulieren zu können? 2. In den Verordnungen über die Naturschutzgebiete Riesenbruch und Rodewaldsches Luch ist die ordnungsgemäße Unterhaltung der Gewässer festgeschrieben. Die Unterhaltung wird durch die UNB jedoch nicht zugelassen, mit der Folge höherer Grundwasserstände. Besteht hier nicht die Verletzung des Vertrauensschutzes gegenüber der Öffentlichkeit, wenn durch die verweigerte Grabenunterhaltung zukünftig nur noch Wasser zurückgehalten wird und die Grundwasserstände automatisch in benachbarten Grundstücken und Gebieten steigen? 3. Warum hält man trotz der aufgezeigten Mängel an dem Geohydraulischen Gutachten Rathenow fest? Warum wurde ein Gutachter für das Geohydraulische Gutachten ausgesucht, der gleichzeitig die Managementplanung für das Rodewaldsche Luch durchführt? Aus welchen Gründen will man diesen Konflikt nicht auflösen und ein neutrales Gutachten anfertigen lassen, um endlich zu praktikablen Lösungen für die seit vier Jahren kämpfende Bürgerinitiative sowie für die Bürger zu kommen? 4. Von einigen Bürgern wurden die mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit und die zu kurzfristige Ankündigung von Bürgerforen zu den Gewässerentwicklungskonzepten (GEK) bemängelt. An der Erarbeitung von Managementplänen wurden die Bürger nicht oder nur unzureichend beteiligt. Der Landschaftswasserhaushalt hat eine überregionale Bedeutung im Land Brandenburg. Warum hat man den Landschaftswasserhaushalt noch nicht an die höheren Niederschläge und die verstärkten Hochwasser der letzten zehn Jahre angepasst? Warum wurden keine Umweltverträglichkeitsprüfungen zu den Managementplänen und Gewässerentwicklungskonzepten durchgeführt, in denen auch der „Faktor Mensch“ berücksichtigt wird? 5. Es ist bekannt, dass die Bürger in den Bürgerforen zu den GEKs mit den Ausführungen der Verwaltung (hier die RW 5, ehemalige Regionalabteilung West des LUGV) unzufrieden sind. Die Bedenken wurden von den Verantwortlichen kaum beachtet. Warum werden die Konzepte und Pläne nicht auch öffentlich ausgelegt, damit jeder Bürger einen ordentlichen Zugang dazu hat? 6. Der Wasserrückhalt und damit verbundene Grundwasserprobleme (Überschwemmungen von Kellern bzw. von land- und forstwirtschaftlichen Flächen) berühren viele Bürger, so z.B. entlang der Müggelspree, in Rathenow, Fohrde, Pritzerbe, Nauen, in der Stadt Brandenburg, dem Oderbruch und anderen Regionen . Ab wann besteht grundsätzlich die Pflicht zu einer Haftung durch staatliche Stellen und Institutionen hinsichtlich der gesundheitlichen Gefährdung (Schimmelbildung ) und Schäden bei den Bürgern durch den ausgesprochen hohen Wasserrückhalt und den gestiegenen bzw. steigenden Grundwasserständen? 7. Durch die Wasserrückhaltemaßnahmen sind Änderungen der Grundwasserstände unausweichlich. Um die Auswirkungen besser nachzuweisen, sind Messungen an den Grundwasserpegeln erforderlich. Das Netz vorhandener Pegelmessstellen wurde nach 1990 stark ausgedünnt. An wie vielen und welchen Grundwassermesspegeln wird der Grundwasserstand derzeit gemessen und wie viele Pegel zur Messung des Grundwasserstandes im Land Brandenburg wurden seit 1990 a) nicht mehr betrieben und b) zurückgebaut? 8. Gegen die ehemalige Abteilung RW 5 (Regionalabteilung West) des Landesumweltamtes Brandenburg wurde eine Fachaufsichtsbeschwerde gerichtet. Wer beantwortet diese Beschwerde bzw. wie wird damit umgegangen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Wie im Vortext der Kleinen Anfrage selbst festgestellt, gibt es trockene und nasse Jahre. Die damit einhergehenden Änderungen der Wasserstände von Grund- und Oberflächengewässern sind somit primär witterungs- und nicht maßnahmenbedingt. Das MLUL berücksichtigt im Vorfeld seiner Planungen die Auswirkungen von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Regulierung des Wasserhaushaltes, des Grundwasserstandes oder z. B. auch mit Naturschutzbezug. Insbesondere mögliche Folgen für die Aktivitäten oder das Eigentum der Menschen werden ermittelt. Negative Auswirkungen gilt es zu vermeiden. Dazu werden entsprechende Planungen aufgelegt um in einen öffentlichen Diskurs mit den Landnutzern, Flächeneigentümern und privaten Grundstücksbesitzern eintreten zu können. Das Ministerium hat einen runden Tisch mit vor Ort Betroffenen eingerichtet, um wichtige Fragen unmittelbar zu erörtern. Frage 1: Warum hält das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft weiterhin an einem Landschaftswasserhaushalt fest, der immer mehr Wasser zurückhält (Wasserrückhalt), die jeweiligen Umbaumaßnahmen, wie z.B. das Einbringen von Sohlschwellen, Abflusseinengungen und Verplombungen in Gräben und Gewässern, aber dazu führen, dass in nassen Jahren das Wasser nur ungenügend abfließen kann und zu extremen Hochwässern führen? Warum werden nicht stattdessen regulierbare Staubauwerke gebaut, um im Bedarfsfall den Wasserhaushalt regulieren zu können? zu Frage 1: Die Wasserbewirtschaftung des Landes Brandenburg hat langfristig tragfähige Lösungen zur Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts, insbesondere für die komplexen Anforderungen von trockenen und nassen Jahren, zum Ziel. Das Ministerium verfolgt dabei nicht das Ziel, grundsätzlich immer mehr Wasser in der Landschaft zurückzuhalten. Vielmehr ist das entsprechende Förderprogramm darauf gerichtet, sowohl Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung von Vernässungen durch extreme Niederschlagsereignisse als auch Maßnahmen zur Regulation der Gewässer in Reaktion auf Trockenheit und Starkniederschläge zu unterstützen. Als Maßnahmen kommen dabei sowohl feste als auch regulierbare Stauanlagen in Frage. Die Wahl der Bauart, die jeweils für die örtlichen Anforderungen an das Wassermanagement bzw. zur Lösung bestehender wasserwirtschaftlicher Probleme am geeignetsten erscheint, erfolgt durch die Maßnahmenplanung im Zuständigkeitsbereich des Maßnahmenträgers. Frage 2: In den Verordnungen über die Naturschutzgebiete Riesenbruch und Rodewaldsches Luch ist die ordnungsgemäße Unterhaltung der Gewässer festgeschrieben . Die Unterhaltung wird durch die UNB jedoch nicht zugelassen, mit der Folge höherer Grundwasserstände. Besteht hier nicht die Verletzung des Vertrauensschutzes gegenüber der Öffentlichkeit, wenn durch die verweigerte Grabenunterhaltung zukünftig nur noch Wasser zurückgehalten wird und die Grundwasserstände automatisch in benachbarten Grundstücken und Gebieten steigen? zu Frage 2: Zur Klärung der Frage, ob bzw. welche Auswirkungen Stauhöhen und Grabenwasserstände im Rodewaldschen Luch und im Gebiet Riesenbruchgraben auf die Grundwasserstände im Siedlungsgebiet Rathenows haben, ist jeweils eine gutachterliche Untersuchung in Vorbereitung. Im Rahmen der demnächst in Kraft tretenden Förderrichtlinie Landschaftswasserhaushalt stehen bei entsprechender Antragstellung Mittel für diese Untersuchungen bereit. Frage 3: Warum hält man trotz der aufgezeigten Mängel an dem Geohydraulischen Gutachten Rathenow fest? Warum wurde ein Gutachter für das Geohydraulische Gutachten ausgesucht, der gleichzeitig die Managementplanung für das Rodewaldsche Luch durchführt? Aus welchen Gründen will man diesen Konflikt nicht auflösen und ein neutrales Gutachten anfertigen lassen, um endlich zu praktikablen Lösungen für die seit vier Jahren kämpfende Bürgerinitiative sowie für die Bürger zu kommen? zu Frage 3: Zur Aufklärung der hydrogeologischen Wechselwirkungen im Rathenower Raum hat die Stadt Rathenow die Erarbeitung eines geohydraulischen Gutachtes beauftragt. Dieses wurde im Jahr 2012 dem Wasserwirtschaftsamt von der zuständigen Wasserbehörde mit der Bitte um fachtechnische Bewertung vorgelegt . Unkorrekte Angaben wurden dabei nicht festgestellt. Im Rahmen des „Runden Tisches Grundwasserprobleme Rathenow“ wurden bereits weitere Untersuchungen zur Grundwassersituation und zu den Vorschlägen des geohydraulischen Gutachtens initiiert. Frage 4: Von einigen Bürgern wurden die mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit und die zu kurzfristige Ankündigung von Bürgerforen zu den Gewässerentwicklungskonzepten (GEK) bemängelt. An der Erarbeitung von Managementplänen wurden die Bürger nicht oder nur unzureichend beteiligt. Der Landschaftswasserhaushalt hat eine überregionale Bedeutung im Land Brandenburg. Warum hat man den Landschaftswasserhaushalt noch nicht an die höheren Niederschläge und die verstärkten Hochwasser der letzten zehn Jahre angepasst? Warum wurden keine Umweltverträglichkeitsprüfungen zu den Managementplänen und Gewässerentwicklungskonzepten durchgeführt, in denen auch der „Faktor Mensch“ berücksichtigt wird? zu Frage 4: Die vergangenen Jahre waren gekennzeichnet sowohl von starken Nassperioden mit bedeutenden Hochwässern, aber auch von lang anhaltenden, extremen Trockenwetterphasen. Diese Extremereignisse werden bei den wasserwirtschaftlichen Planungen berücksichtigt. Umweltverträglichkeitsprüfungen zu den Managementplänen und Gewässerentwicklungskonzepten (GEK) sind per Gesetz nicht vorgesehen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) für behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben vorgeschrieben. Planungen und Konzepte, die wie z. B. Gewässerentwicklungskonzepte keine Zulassungsentscheidung über ein konkretes Vorhaben beinhalten, unterliegen nicht der UVP-Pflicht. Bezüglich der Bürgerbeteiligung bei der Erarbeitung der Gewässerentwicklungskonzepte wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Frage 5: Es ist bekannt, dass die Bürger in den Bürgerforen zu den GEKs mit den Ausführungen der Verwaltung (hier die RW 5, ehemalige Regionalabteilung West des LUGV) unzufrieden sind. Die Bedenken wurden von den Verantwortlichen kaum beachtet. Warum werden die Konzepte und Pläne nicht auch öffentlich ausgelegt, damit jeder Bürger einen ordentlichen Zugang dazu hat? zu Frage 5: Gewässerentwicklungskonzepte (GEK) sind wasserwirtschaftliche Fachplanungen zur Umsetzung der EU-WRRL. Sie durchlaufen kein förmliches Beteiligungsverfahren . Die Öffentlichkeit und insbesondere betroffene Verbände sowie Kommunen werden aber umfassend bei der Erstellung eingebunden. Bedenken und fachliche Hinweise werden im Rahmen der Erarbeitung der GEK dokumentiert und bei Relevanz für das Konzept berücksichtigt. Im Falle des GEK Untere Havel 3 wurde ein Zusammenhang zwischen dem auf Oberflächenwasserkörper bezogenen großräumigen GEK und der lokalen Grundwasserproblematik der Kellervernässungen im Raum Rathenow aufgrund der Hochwasserneutralität der GEK-Maßnahmen nicht festgestellt. Die Ergebnisse der GEK-Erarbeitung werden im Rahmen von Bürgerforen vorgestellt, sämtliche Unterlagen sind auch im Internet („WasserBLIcK“: http://www.wasserblick.net/servlet/is/87936/) abrufbar. Über das Internet und die Presse wird über Veranstaltungen und Ergebnisse informiert. Frage 6: Der Wasserrückhalt und damit verbundene Grundwasserprobleme (Überschwemmungen von Kellern bzw. von land- und forstwirtschaftlichen Flächen) berühren viele Bürger, so z.B. entlang der Müggelspree, in Rathenow, Fohrde, Pritzerbe, Nauen, in der Stadt Brandenburg, dem Oderbruch und anderen Regionen. Ab wann besteht grundsätzlich die Pflicht zu einer Haftung durch staatliche Stellen und Institu- tionen hinsichtlich der gesundheitlichen Gefährdung (Schimmelbildung) und Schäden bei den Bürgern durch den ausgesprochen hohen Wasserrückhalt und den gestiegenen bzw. steigenden Grundwasserständen? zu Frage 6: Soweit es sich bei Maßnahmen zum Wasserrückhalt um planfeststellungs - oder plangenehmigungsbedürftige Gewässerausbaumaßnahmen (§ 68 des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG) handelt, sind nachteilige Auswirkungen auf Dritte durch Regelungen im Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsbescheid zu vermeiden oder auszugleichen (§ 70 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 WHG). Ggf. ist der Betroffene zu entschädigen (§ 14 Abs. 3 S. 3 WHG). Darüber hinaus gibt es im Bereich der staatlichen Haftung für rechtswidriges staatliches Handeln unterschiedliche Anspruchsnormen, deren Voraussetzungen sich nicht in allgemeiner Weise darstellen lassen. Es kommt insoweit auf den Einzelfall an. Frage 7: Durch die Wasserrückhaltemaßnahmen sind Änderungen der Grundwasserstände unausweichlich. Um die Auswirkungen besser nachzuweisen, sind Messungen an den Grundwasserpegeln erforderlich. Das Netz vorhandener Pegelmessstellen wurde nach 1990 stark ausgedünnt. An wie vielen und welchen Grundwassermesspegeln wird der Grundwasserstand derzeit gemessen und wie viele Pegel zur Messung des Grundwasserstandes im Land Brandenburg wurden seit 1990 a) nicht mehr betrieben und b) zurückgebaut? zu Frage 7: Das hydrologische Messnetz „Grundwasserstand“ des Landes Brandenburg ist auf die regionale (makroskalige) Einschätzung der Lage im Wasserhaushalt in den verschiedenen Grundwasserleiterkomplexen ausgerichtet. Aussagen zu mikroskaligen Gebieten sind damit nur in Ausnahmefällen möglich. Für genehmigungspflichtige Gewässerbenutzungen mit Auswirkungen auf die Grundwasserstandsentwicklung sind zur Beweissicherung i.d.R. Verdichtungsmessnetze durch den Veranlasser zu errichten und zu betreiben. 1990 wurden landesweit ca. 3000 Grundwassermessstellen (GWM) betrieben. Von 1990 bis 2015 wurden 1686 GWM eingestellt oder als funktionsuntüchtig zurückgebaut. Gleichzeitig wurden Messstellen neu errichtet bzw. alte Messstellen reaktiviert. Insgesamt befanden sich Ende 2015 im Landesmessnetz „Grundwasserstand“ 2207 GWM in Beobachtung. Über den nachfolgenden Link ist die Internetpräsentation für das aktuelle Grundwasserstandsmessnetz erreichbar: http://luaplims02.lua.mlur.ad.lvnbb.de/WebOffice_Public/synserver?project=gwm_www_wo Frage 8: Gegen die ehemalige Abteilung RW 5 (Regionalabteilung West) des Landesumweltamtes Brandenburg wurde eine Fachaufsichtsbeschwerde gerichtet. Wer beantwortet diese Beschwerde bzw. wie wird damit umgegangen? zu Frage 8: Die Beschwerde wurde durch die oberste Wasserbehörde mit Schreiben vom 26.02.16 beantwortet.