Datum des Eingangs: 23.03.2016 / Ausgegeben: 29.03.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3774 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1487 des Abgeordneten Péter Vida BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/3554 Umgehung der Stadtverordneten mittels Eilentscheidungen in der Stadt Altlandsberg Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 1487 vom 23.02.2016: § 58 der Kommunalverfassung bestimmt, dass in dringenden Angelegenheiten der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses, deren Erledigung nicht bis zu einer vereinfacht einberufenen Sitzung der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses aufgeschoben werden kann, der Hauptverwaltungsbeamte im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung zur Abwehr einer Gefahr oder eines erheblichen Nachteils für die Gemeinde entscheidet. Es handelt sich um eine Vorschrift, die in Ausnahmefällen greifen soll und restriktiv auszulegen ist. Es ist erkennbar , dass das Instrument der Eilentscheidung im gewöhnlichen Ablauf der Verwaltungsgeschäfte einer Kommune nicht auftreten darf. In der Stadt Altlandsberg hingegen sind bis jetzt ab einschließlich 2012 insgesamt 15 Eilentscheidungen getroffen und später der Stadtverordnetenversammlung als Beschlussvorlage vorgelegt worden. Bei allen 15 Eilentscheidungen ist die Eilbedürftigkeit nicht zu erkennen bzw. die nachträglichen Begründungen sind nicht nachvollziehbar. Zum großen Teil handelte es sich um Vergaben über insgesamt ca. 1.075 T€, der größte Auftrag war in Höhe von 812 T€. Ich frage die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung in jedem Einzelfall die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Eilentscheidung der Stadt Altlandsberg gegeben waren und eine vereinfachte Einberufung der Stadtverordnetenversammlung nicht mehr möglich war? 2. Ist es rechtmäßig, wenn auf diesem Wege über Jahre hinweg die Mitbestimmung und Entscheidungsmöglichkeit der Stadtverordneten umgangen wird? 3. Vertritt die Landesregierung auch die Auffassung, dass für das Beantragen von Fördermitteln Eilentscheidungen zulässig sind? 4. Kann mit einer Eilentscheidung zur Beauftragung von Leistungen und Warenlieferungen die Nichtdurchführung eines notwendigen Vergabeverfahrens gerechtfertigt werden? 5. Warum ist die zuständige Kommunalaufsicht nicht schon längst gegen diese Dauervorgehensweise in Bezug auf Eilentscheidungen eingeschritten? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.12.2015 sind im Bürgerinformationssystem der Stadt Altlandsberg an Hand der dort zugänglichen Unterlagen 13 Eilentscheidungen vermerkt, die der Stadtverordnetenversammlung zur Genehmigung vorgelegt wurden. Weitere zwei Eilentscheidungen sind nach Auskunft der Stadt Altlandsberg im nichtöffentlichen Teil behandelt worden; eine Eilentscheidung wurde durch den Hauptausschuss bestätigt. Bei einer Entscheidung wurde nachträglich festgestellt, dass hier die Kompetenz der Stadtverordnetenversammlung nicht gegeben war. Die entsprechende Vorlage für die Stadtverordnetenversammlung zur Genehmigung wurde vom Bürgermeister zurückgezogen. Die übrigen 15 Eilentscheidungen wurden von der Stadtverordnetenversammlung bzw. durch den Hauptausschuss genehmigt, davon 10 einstimmig und 5 mit großer Mehrheit. Frage 1: Teilt die Landesregierung in jedem Einzelfall die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Eilentscheidung der Stadt Altlandsberg gegeben waren und eine vereinfachte Einberufung der Stadtverordnetenversammlung nicht mehr möglich war? zu Frage 1: Zuständige Kommunalaufsichtsbehörde für die kreisangehörige Stadt Altlandsberg ist der Landrat des Landkreises Märkisch-Oderland als untere Kommunalaufsichtsbehörde nach § 110 Abs. 1 BbgKVerf. Dieser war bisher mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Eilentscheidungen nicht befasst. Eine vertiefte Prüfung ist angesichts der Fristen für die Beantwortung Kleiner Anfragen nicht möglich gewesen. Frage 2: Ist es rechtmäßig, wenn auf diesem Wege über Jahre hinweg die Mitbestimmung und Entscheidungsmöglichkeit der Stadtverordneten umgangen wird? zu Frage 2: Die Vorschrift des § 58 BbgKVerf soll ein Handeln des Hauptverwaltungsbeamten im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung ermöglichen , wenn aufgrund von unvorhergesehenen Entwicklungen eine Entscheidung unaufschiebbar ist. Neben der Unaufschiebbarkeit der Entscheidung ist eine weitere Voraussetzung, dass die Eilentscheidung zur Abwehr einer Gefahr oder eines erheblichen Nachteils für die Gemeinde erforderlich ist. Im Übrigen sind Eilentscheidungen nach § 58 Satz 2 BbgKVerf der Gemeindevertretung in der nächsten Sitzung zur Genehmigung vorzulegen. In dem genannten Zeitraum wurden 52 Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung durchgeführt und mindestens 500 Entscheidungen getroffen. Dem stehen lediglich 15 Eilentscheidungen gegenüber. Eine missbräuchliche Nutzung des Instruments der Eilentscheidung kann daher nicht gesehen werden. Frage 3: Vertritt die Landesregierung auch die Auffassung, dass für das Beantragen von Fördermitteln Eilentscheidungen zulässig sind? zu Frage 3: Da § 58 BbgKVerf keine Einschränkung enthält, ist inhaltlich damit jede Entscheidung umfasst, die in die Organzuständigkeit der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses fällt. Frage 4: Kann mit einer Eilentscheidung zur Beauftragung von Leistungen und Warenlieferungen die Nichtdurchführung eines notwendigen Vergabeverfahrens gerechtfertigt werden? zu Frage 4: Dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muss gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz KomHKV eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen . Eine Abweichung hiervon ist nur zulässig, wenn die Regeln des Vergaberechts dies selbst zulassen. Frage 5: Warum ist die zuständige Kommunalaufsicht nicht schon längst gegen diese Dauervorgehensweise in Bezug auf Eilentscheidungen eingeschritten? zu Frage 5: Die Kommunalaufsichtsbehörde hat bei der Ausübung ihrer Befugnisse den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dem würde es widersprechen, wenn die Kommunalaufsichtsbehörden alle Beschlüsse oder Maßnahmen einer vorsorglichen Rechtmäßigkeitskontrolle unterziehen würden. Ein konkreter Anlass zur Prüfung des Umgangs mit Eilentscheidung in der Stadt Altlandsberg war nicht gegeben .