Datum des Eingangs: 04.04.2016 / Ausgegeben: 11.04.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3822 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1513 der Abgeordneten Raik Nowka und Gordon Hoffmann CDU-Fraktion Drucksache 6/3635 Ganztagsbetreuung an Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 1513 vom 4. März 2016: Ganztagsschulangebote an Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung umfassen an vier Wochentagen sieben Stunden und an einem Wochentag fünfeinhalb Stunden. Sobald Schüler aber den erweiterten Anspruch auf Kindertagesbetreuung nach dem Ende der sechsten Klasse verlieren, reicht der wöchentliche Betreuungsumfang von 33,5 Stunden für viele Eltern nicht mehr aus, um Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Dies betrifft in besondere Weise die Ferienzeiten . Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung werden mit Schülerinnen und Schülern der Regelschule gleichgesetzt. Das Land Berlin bietet demgegenüber auch in der Oberstufe und in der sogenannten Abschlussstufe offene Ganztagsbetreuung bis mindestens 16 Uhr, ergänzend auch bis 18 Uhr und in den Ferien an. Im Schuljahr 2015/2016 gibt es im Land Brandenburg 3.404 Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Davon besuchen insgesamt 1.540 Schülerinnen und Schüler entweder die Ober- oder die Werkstufe einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie haben sich die Zahlen Brandenburger Schülerinnen und Schüler in der Oberund Werkstufe einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung in den vergangenen 10 Jahren entwickelt? 2. Wie viele Brandenburger Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung sind Ganztagsschulen nach dem oben erläuterten Modell? 3. Wie ist die Betreuung während der Ferienzeiten geregelt? 4. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, den Betreuungsumfang bei Ganztagsangeboten an Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung nach dem Berliner Modell auszuweiten, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen? 5. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Kosten, die mit einer solchen Ausweitung verbunden wären? Und wer müsste die Kosten tragen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie haben sich die Zahlen Brandenburger Schülerinnen und Schüler in der Ober- und Werkstufe einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung in den vergangenen 10 Jahren entwickelt? Zu Frage 1: Die folgende Tabelle weist aus, wie sich die Zahlen entwickelt haben. Einbezogen wurden auch Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“, die in Förderklassen an Regelschulen lernen. Tabelle 1: Schülerinnen und Schüler in der Ober- und Werkstufe an den Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ in öffentlicher und freier Trägerschaft 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 1.770 1.694 1.514 1.413 1.333 1.290 1.386 1.481 1.466 1.540 Quelle: Schuldatenerhebungen des MBJS Frage 2: Wie viele Brandenburger Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung sind Ganztagsschulen nach dem oben erläuterten Modell? Zu Frage 2: Alle Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ sind Ganztagsschulen. Im Schuljahr 2015/2016 handelt es sich dabei um 37 Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft. Frage 3: Wie ist die Betreuung während der Ferienzeit geregelt? Zu Frage 3: Der rechtliche Rahmen für die Tagesbetreuung von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen mit dem Schwerpunkt „geistige Entwicklung“ während und außerhalb der Schulzeit richtet sich zunächst, wie auch für alle anderen Schülerinnen und Schüler ohne besonderen Förderbedarf, nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII), insbesondere nach den §§ 22 f SGB VIII und dem Kindertagesstättengesetz (KitaG). Im Land Brandenburg haben Schulkinder gemäß § 1 Abs. 2 und 4 KitaG bis zur Versetzung in die Schuljahrgangsstufe 5 einen Rechtsanspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in Kindertagesstätten oder einer anderen Form der Kindertagesbetreuung. Kinder der Schuljahrgangsstufen 5 und 6 haben diesen Rechtsanspruch, wenn ihre familiäre Situation, insbesondere die Erwerbstätigkeit, die häusliche Abwesenheit wegen Erwerbssuche, die Aus- und Fortbildung der Eltern oder ein besonderer Erziehungsbedarf , Tagesbetreuung erforderlich macht. Dieser Anspruch auf Kindertagesbetreuung ist nicht auf die Schulzeiten beschränkt, sondern umfasst grundsätzlich zugleich die Schulferien. Allerdings können die Eltern keine durchgängige Betreuung verlangen, sondern müssen übliche Schließzeiten in Kauf nehmen. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf (§ 24 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII, § 1 Abs. 4 KitaG). Werden Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in den Ferien geschlossen, so hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß §§ 7, 22 a Abs. 3 SGB VIII für die davon betroffenen Kinder, die nicht von den Erziehungsberechtigten betreut werden können, eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit sicherzustellen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf eine ausschließliche Ferienbetreuung, da Kindertagesbetreuung auf Erziehung durch kontinuierliche Beziehungsarbeit gerichtet ist. Dies ist im Rahmen einer bloßen Ferienbetreuung nicht möglich. Dieser gesetzliche Rahmen gilt auch für Kinder mit Behinde- rungen. Der Anspruch auf bedarfsgerechte Betreuung von Kindern richtet sich gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, namentlich die Landkreise und die kreisfreien Städte (§ 12 KitaG i.V.m § 69 Abs. 1 SGB VIII; § 1 Abs. 1 Erstes Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (AGKJHG). Ab der Schuljahrgangsstufe 7, d.h. in der Regel ab dem 13. Lebensjahr, haben die Schülerinnen und Schüler nach dem KitaG keinen Anspruch mehr auf Kindertagesbetreuung. Dies entspricht dem Umstand, dass die Schülerinnen und Schüler mit Erreichen des 12. und 13. Lebensjahres in der Regel eine körperliche und geistige Entwicklungsstufe erreicht haben, wonach sie den Nachmittag und Ferienzeiten auch ohne formelle Betreuung bis zum Ende der täglichen Arbeitszeit der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten mit altersgerechten Aktivitäten wie Angeboten der Jugendarbeit, des Sports oder Zusammensein mit Freunden überbrücken können. Dementsprechend sind Betreuungserfordernisse für ältere behinderte Kinder und Jugendliche nicht mehr durch das System der Kinder- und Jugendhilfe, sondern durch den jeweils zuständigen Sozialleistungsträger bzw. Dienst abzudecken . Dies gilt auch für Leistungen, die ältere Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf zusätzlich benötigen, um Angebote der Jugendarbeit in den Schulferien nutzen zu können. Frage 4: Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, den Betreuungsumfang bei Ganztagsangeboten an Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung nach dem Berliner Modell auszuweiten, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen? Zu Frage 4: Es besteht auch nach den bislang geltenden Regelungen die Möglichkeit , die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ zu gewährleisten. Die ggf. notwendigen Betreuungserfordernisse sind (wie zu Frage 3 bereits ausgeführt) durch die jeweils zuständigen Sozialleistungsträger bzw. Dienste abzudecken. Insofern begrüßt die Landesregierung ausdrücklich die aktuelle Entwicklung in der Landeshauptstadt Potsdam. Hier ist im Rahmen eines Modellprojekts ein zusätzliches Hortangebot für Jugendliche mit Behinderungen aufgebaut worden. Nähere Informationen hierzu sind unter: https://www.potsdam.de/95-neuer-hort-fuer-jugendliche-mit-behinderungenvorgestellt zu finden. Darüber hinaus haben die Förderschulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ gemäß Nr. 12 Absatz 5 der Verwaltungsvorschriften über Ganztagsangebote an allgemeinbildenden Schulen (VV-Ganztag) die Möglichkeit, „zusätzliche Ganztagsangebote in offener Form durch Kooperationspartner der Schule“ zu unterbreiten. Eine weitere Ausweitung der Ganztagsangebote an Förderschulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ nach dem sog. „Berliner Modell“ ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Frage 5: Wie hoch schätzt die Landesregierung die Kosten, die mit einer solchen Ausweitung verbunden wären? Und wer müsste die Kosten tragen? Zu Frage 5: Eine seriöse Kostenabschätzung kann nicht vorgenommen werden, da die hierfür notwendigen Daten über die konkreten Bedarfe für eine zusätzliche nachmittägliche Betreuung nicht vorliegen und von den Schulen erst erhoben werden müssten. Dies ist in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Zusätzlich müsste eine Entscheidung getroffen werden, ob solche Angebote durch Landespersonal oder in Kooperation mit freien Trägern realisiert werden sollen. Die zusätzli- chen Kosten müssten überwiegend durch das Land Brandenburg getragen werden. Nach geltender Rechtslage (Nummer 12 Absatz 5 VV-Ganztag) wäre eine Kostenbeteiligung der Eltern bei zusätzlichen Betreuungsangeboten durch freie Träger möglich .