Datum des Eingangs: 06.04.2016 / Ausgegeben: 11.04.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3846 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr.1519 der Abgeordneten Andrea Johlige Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/3645 Rechte Gewaltdelikte in Cottbus am 23./24.10.2015 im Anschluss an eine flüchtlingsfeindliche Versammlung im Stadtteil Sachsendorf Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 1519 vom 07.03.2016: Wie auch in anderen Teilen Brandenburgs war im Herbst 2015 in der Stadt Cottbus eine massive Zunahme von rechten Versammlungen zu beobachten. Im Oktober 2015 fanden bspw. mehrfach Veranstaltungen im Stadtteil Sachsendorf gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in einer Notunterkunft statt. Am 23.10.2015 beteiligten sich laut Angaben des rbb 250 Menschen an einer Versammlung gegen den Aufenthalt von Flüchtlingen in der Notunterkunft in Sachsendorf. Verschiedene Medien berichten davon, dass es im Nachgang der Versammlung am 23.10.2015 zu einer ganzen Serie von Angriffen am Rande und nach der Versammlung – quer über das Stadtgebiet Cottbus verteilt – kam. In den genannten Berichten werden sowohl Flüchtlinge, als auch Studierende der BTU Cottbus als Betroffene rechter Gewalt genannt . Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Gewaltstraftaten wurden im Zusammenhang bzw. im Nachgang der rechten Versammlung am 23.10.2015 in Cottbus von der Polizei registriert? 2. Welche Delikte wurden verübt und welchem Deliktbereich wurden diese zugeordnet? (bitte einzeln aufschlüsseln nach Delikt, Deliktbereich, Ort, Zeit, Zahl der Tatbeteiligten, Erkenntnisse über Beschuldigte, ggf. Schadenshöhe bzw. Geschädigte, Verletzungen bei Geschädigten und Stand der Ermittlungen!) 3. Wie bewertet die Landesregierung den Großeinsatz der Polizei an dem Abend bzw. in der Nacht vom 23. auf den 24.10.2015 in Cottbus? Waren ausreichend Polizeikräfte im Einsatz um die Sicherheit, sowohl während, als auch nach der Versammlung in Sachsendorf und im gesamten Stadtgebiet Cottbus zu gewährleisten? 4. Gab es in der Nacht eine Häufung eingehender Notrufe von Opfern von Gewaltstraftaten und falls ja, wie hat die Polizei darauf reagiert? 5. Hatte die Polizei Kenntnis davon, dass sich Teilnehmer der Versammlung in großen Gruppen entfernten und sich in Großgruppen an anderen Orten der Stadt wieder zusammen fanden? Falls ja, wie wurde auf diese Lage reagiert? 6. Wann ist der polizeiliche Großeinsatz an dem Abend beendet worden und wann wurden die eingesetzten Einheiten aus dem Dienst genommen? 7. Wie bewertet die Landesregierung die Sicherheitslage in der Stadt Cottbus seit dem Oktober 2015 von potentiellen Betroffenen rechter Gewalt generell (Flüchtlinge, ausländische Studierende etc.)? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Gewaltstraftaten wurden im Zusammenhang bzw. im Nachgang der rechten Versammlung am 23.10.2015 in Cottbus von der Polizei registriert? zu Frage 1: Es wurden im Zeitraum vom 23.10.2015, 21:05 Uhr, bis zum 24.10.2015, 01:01 Uhr, insgesamt fünf Strafanzeigen zu Gewaltkriminalität mit Tatort in der Stadt Cottbus aufgenommen, die nach erstem Anschein im Zusammenhang zur Versammlung stehen könnten (siehe Antwort zu Frage 2). Frage 2: Welche Delikte wurden verübt und welchem Deliktbereich wurden diese zugeordnet ? (bitte einzeln aufschlüsseln nach Delikt, Deliktbereich, Ort, Zeit, Zahl der Tatbeteiligten, Erkenntnisse über Beschuldigte, ggf. Schadenshöhe bzw. Geschädigte , Verletzungen bei Geschädigten und Stand der Ermittlungen!) zu Frage 2: Die o. g. Strafanzeigen stellen sich nach derzeitigem Stand wie folgt dar: 1. Sachverhalt: Am 23.10.2015, 21:05 Uhr, sollen sich gemäß Ausgangsmeldung in der Gelsenkirchner Allee vor dem Netto-Markt mehrere Personen gegenseitig mit Flaschen beworfen haben. Durch Polizeibeamte wurden sechs geschädigte Personen vor Ort festgestellt. Die Geschädigten gaben an, durch fünf Personen mit Glasflaschen beworfen worden zu sein – es kam zu Verletzungen an Hand bzw. Kopf. Durch Ermittlungen konnten fünf Tatverdächtige ermittelt werden. Der Vorgang wurde am 04.03.2016 an die Staatsanwaltschaft abgegeben. 2. Sachverhalt: Am 23.10.2015, 21:15 Uhr, sollen laut Erstmeldung bei der Polizei mehrere Personen in einem Keller in der Zielona-Gora-Straße andere Personen körperlich angegriffen haben. Dies konnte durch die eingesetzten Polizeibeamten nicht festgestellt werden . Durch Ermittlungen konnte ein Zusammenhang zum vorgenannten Sachverhalt (gegenseitiges Bewerfen mit Flaschen) hergestellt werden, es wurden insgesamt 17 Tatverdächtige ermittelt. Der Sachverhalt stellt sich so dar, dass die Geschädigten aus dem o. g. Sachverhalt den Tatverdächtigen gefolgt sind. In der weiteren Folge wurde ein Geschädigter durch Tritte und Schläge an Kopf und Oberkörper verletzt, eine weitere Person wurde geschlagen und erlitt eine Verletzung an der Hand. Auch dieser Vorgang wurde am 04.03.2016 an die Staatsanwaltschaft abgegeben. 3. Sachverhalt:x Am 24.10.2015, 01.00 Uhr, ereignete sich eine gefährliche Körperverletzung am Berliner Platz/Stadtpromenade. Der Geschädigte sprach vier Personen wegen ihres lauten „Grölens“ an, woraufhin er durch zwei Personen dieser Gruppe geschlagen und am rechten Auge verletzt wurde. Der Geschädigte flüchtete in einen haltenden Bus, woraufhin durch einen der Täter eine Scheibe des Busses mit einer Bierflasche eingeworfen wurde. Es wurde ein Tatverdächtiger ermittelt, der zuvor auch als Tatverdächtiger zum Sachverhalt Nr. 2 ermittelt wurde. Der Vorgang wurde am 09.03.2016 an die Staatsanwaltschaft abgegeben. 4. Sachverhalt: Am 24.10.2015, 01.01 Uhr, kam es im Bereich der Universitätsstraße vor der BTU - nach verbaler Auseinandersetzung - zu gegenseitig begangenen Körperverletzungen , wobei die hier Geschädigten durch Treten gegen den Bauchraum und Oberkörper sowie durch Boxen in das Gesicht verletzt wurden. Es wurden sieben Tatverdächtige ermittelt. Der Vorgang wurde am 04.03.2016 an die Staatsanwaltschaft abgegeben . 5. Sachverhalt: Die Tatverdächtigen des Sachverhaltes 4 erstatteten eine Gegenanzeige. Durch die beiden ermittelten Tatverdächtigen (Geschädigte des Sachverhaltes 4) wurden zwei Personen durch Messerstiche verletzt. Der Vorgang wurde am 09.03.2016 an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Keiner der ermittelten Tatverdächtigen hat die Teilnahme an der in Rede stehenden Versammlung eingeräumt. Ein Zusammenhang der Straftaten im Bereich der BTU (Ziffer 4. und 5.) mit der o.g. Versammlung kann zweifelsfrei ausgeschlossen werden . Frage 3: Wie bewertet die Landesregierung den Großeinsatz der Polizei an dem Abend bzw. in der Nacht vom 23. auf den 24.10.2015 in Cottbus? Waren ausreichend Polizeikräfte im Einsatz um die Sicherheit, sowohl während, als auch nach der Versammlung in Sachsendorf und im gesamten Stadtgebiet Cottbus zu gewährleisten ? zu Frage 3: Die Versammlung selbst verlief störungsfrei. Die Einsatzvorbereitung und -durchführung erfolgte auf der Grundlage fortlaufender Lagebeurteilung und Gefährdungsbewertung . Polizeiliche Maßnahmen vor Ort – einschließlich Kräftelage – wurden dynamisch der aktuellen Lage angepasst. Der Kräfteansatz und die getroffenen polizeilichen Maßnahmen werden insgesamt als sachgerecht eingeschätzt. Frage 4: Gab es in der Nacht eine Häufung eingehender Notrufe von Opfern von Gewaltstraftaten und falls ja, wie hat die Polizei darauf reagiert? zu Frage 4: Nein. Frage 5: Hatte die Polizei Kenntnis davon, dass sich Teilnehmer der Versammlung in großen Gruppen entfernten und sich in Großgruppen an anderen Orten der Stadt wieder zusammen fanden? Falls ja, wie wurde auf diese Lage reagiert? zu Frage 5: Sowohl bei den getroffenen Einsatzmaßnahmen zum Schutz der Versammlung und der umliegenden Asylbewerberunterkünfte sowie im Rahmen der Nachaufsicht wurden keine Gefährdungserkenntnisse bzw. relevante Personenbewegungen festgestellt. Frage 6: Wann ist der polizeiliche Großeinsatz an dem Abend beendet worden und wann wurden die eingesetzten Einheiten aus dem Dienst genommen? zu Frage 6: Der polizeiliche Einsatz wurde um 20.30 Uhr beendet, die Kräfte entlassen und die Nachaufsicht an die Einsatzkräfte der Polizeiinspektion Cottbus/Spree- Neiße übergeben. Frage 7: Wie bewertet die Landesregierung die Sicherheitslage in der Stadt Cottbus seit Oktober 2015 von potentiellen Betroffenen rechter Gewalt generell (Flüchtlinge, ausländische Studierende etc.)? zu Frage 7: Vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingssituation in Deutschland ist bundesweit seit mehreren Monaten ein deutlicher Anstieg asylkritischer Demonstrationsanlässe zu verzeichnen. Seit dem 09.10.2015 wurden in Cottbus bis zum Jahresende 2015 insgesamt 11 asylkritische Versammlungen durchgeführt. Bei den ersten beiden Versammlungen gab es konkrete Versuche, sich der im Stadtteil Sachsendorf eingerichteten provisorischen Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung zu nähern, was jedoch durch den Einsatz von Polizeikräften verhindert wurde. Konfrontationen mit Gegnern der asylkritischen Versammlungen wurden im Zusammenhang mit den Versammlungsgeschehen nicht bekannt. Seit Beginn des Jahres 2016 ist eine deutlich abnehmende Teilnehmerzahl bei asylkritischen Versammlungen zu verzeichnen. Auch ist eine Zunahme von Straftaten gegen Flüchtlinge im Bundesgebiet, mithin auch im Land Brandenburg, zu registrieren. Vor diesem Hintergrund ist auch von einer generell erhöhten Gefahr für Flüchtlinge auszugehen, Opfer von fremdenfeindlichen Straftaten zu werden. Cottbus verfügt seit Jahren über eine gefestigte und organisierte rechte Szene, die regelmäßig und auch unabhängig von der Flüchtlingssituation mit demonstrativen Ereignissen und Straftaten in Erscheinung tritt.