Datum des Eingangs: 15.04.2016 / Ausgegeben: 20.04.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/3906 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1539 des Abgeordneten Christoph Schulze BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/3738 Verlässliche Halbtagsschule Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: In zunehmendem Maße wird an Grundschulen in Brandenburg widersprüchlich zwischen Schule, Hort und Elternschaft über die „verlässliche Halbtagsgrundschule“ als solche und insbesondere an der Definition, den Aufgabenbereichen und grundsätzlich vorliegenden Bedingungen diskutiert. Besonders auf Lehrerkonferenzen beschlossene Einschränkungen und die von Elternschaften geforderten Bereitschaften/Bedingungen, welche offensichtlich nicht mit dem Schulgesetz und der dazu gehörigen Verwaltungsvorschrift im Einklang liegen, führen zu einer Verschlechterung der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“. Frage 1: Gibt es eine gesetzliche Definition für den Begriff „Verlässliche Halbtagsgrundschule “? Frage 2: Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, dass sich eine Schule als „verlässliche Halbtagsgrundschule“ bezeichnen darf? zu den Fragen 1 und 2: Die verlässliche Halbtagsschule findet ihre gesetzliche Grundlage in § 18 Absatz 2 Satz 4 des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schulgesetz – BbgSchulG). Dort heißt es: „Grundschulen können sich in Form der verlässlichen Halbtagsschule organisieren.“ Die inhaltliche Ausgestaltung dieses Begriffs richtet sich nach Nummer 8 der Verwaltungsvorschriften über Ganztagsangebote an allgemeinbildenden Schulen (VV-Ganztag). Hiernach müssen die in Frage 3 zitierten Bedingungen erfüllt werden. Darüber hinaus regelt Nummer 8 Absatz 2 VV-Ganztag, dass verlässliche Halbtagsschulen mit offenen Ganztagsangeboten gemäß Nr. 1 Absatz 4 Buchstabe c VV-Ganztag sowie Angeboten der Kindertagesbetreuung zu verbinden sind. Frage 3: Laut Abschnitt 2 Punkt 8 Abs. 1 der Verwaltungsvorschriften über Ganztagsangebote an allgemeinbildenden Schulen (VV-Ganztag) unterbreiten verlässliche Halbtagsgrundschulen in einem zeitlichen Rahmen von mindestens sechs Zeitstunden , in den Jahrgangsstufe 5 und 6 in der Regel von sieben Zeitstunden, einen rhythmisierten Unterricht unter Berücksichtigung der Belastbarkeit, der Konzentrationsfähigkeit und der Bewegungsbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler in Form a. eines offenen Beginns - täglich in der Regel 30 Minuten vor Beginn des ersten Lernblocks, b. von Lernblöcken von 90 Minuten, c. individuelle Lernzeiten gemäß Nummer 9 Absatz 3 Buchstabe a, d. aktiver Spielphasen mit der Möglichkeit eines täglichen gemeinsamen Frühstücks von mindestens 30 Minuten und e. eines Mittagsbandes von in der Regel mindestens 50 Minuten, das aus einem täglich betreuten Mittagessen und aktiven Sport- und Spielphasen besteht. Frage 4: Gibt es Schulen, die verlässliche Halbtagsgrundschulen sind, die von dieser Verwaltungsvorschrift abweichen und eine andere Vorgehensweise praktizieren? zu den Fragen 3 und 4: Dem MBJS liegen keine Erkenntnisse vor, dass Schulen von den in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 dargestellten Bedingungen abweichen. Frage 5: Erfolgt dies mit der Zustimmung des MBJS bzw. der Genehmigung des staatlichen Schulamts? Frage 6: Welche Gründe werden für ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift angegeben? zu den Fragen 5 und 6: Siehe Antwort zu Frage 4. Dem MBJS liegen keine Anträge auf Abweichung von den Regelungen der Nummer 8 der VV-Ganztag vor. Frage 7: Wenn eine verlässliche Halbtagsgrundschule i.d.R. von 07:30 Uhr bis 13:30 Uhr stattfindet, wie ist es dann möglich, dass eine Betreuung bei Unterrichtsausfall bzw. während des Mittagsessens für diejenigen Kinder nicht gegeben ist, deren Eltern keinen Vertrag mit dem Kooperations-Hort abgeschlossen haben? zu Frage 7: Die verlässliche Halbtagsschule ist gemäß § 18 Absatz 2 Satz 4 BbgSchulG eine besondere Form der Unterrichtsorganisation. Die Schülerinnen und Schüler sind gemäß § 44 Absatz 3 Satz 2 BbgSchulG verpflichtet, am Unterricht und an allen im Rahmen der verlässlichen Halbtagsschule bestehenden Angeboten teilzunehmen . Für die Dauer der verlässlichen Halbtagsschule besteht für die Schule die Verpflichtung zur Betreuung der Schülerinnen und Schüler, unabhängig von Hortangeboten, für die Eltern keinen Vertrag geschlossen haben. Für die Dauer der verlässlichen Halbtagsschule entstehen den Eltern im Rahmen der Schulgeldfreiheit keine Kosten. Im Staatlichen Schulamt Brandenburg lag eine Beschwerde hinsichtlich des in der Frage beschriebenen Sachverhalts vor. Durch das o. g. Schulamt wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Betreuung innerhalb der Zeit der verlässlichen Halbtagsschule zu gewährleisten ist. Abweichungen hiervon sind nur möglich, wenn die Eltern dem selbstständigen Verlassen der Schule durch ihre Kinder ausdrücklich schriftlich zugestimmt haben. Frage 8: Es gibt Fälle, bei denen Eltern, die keinen Hortvertrag abgeschlossen haben , gezwungen werden, eine Vereinbarung mit der Schule (verlässliche Halbtagsschule ) zu unterzeichnen, dass die Kinder bei unvorhersehbarem Unterrichtsausfall selbständig oder nach telefonischer Absprache mit den Eltern nach Hause gehen dürfen. Nur in Ausnahmefällen wird das Kind unter Aufsicht in einer anderen Klasse aufgenommen, während Kinder, deren Eltern einen Hortvertrag abgeschlossen haben , durch den Hort betreut werden. Wie ist dieses Beispiel mit einer verlässlichen Halbtagsgrundschule vereinbar? Entfallen damit nicht die Vorteile, die eine verlässliche Halbtagsgrundschule bietet? Wer haftet für einen entstandenen Schaden, wenn ein Kind ohne Hortvertrag aufgrund von unvorhersehbarem Unterrichtsausfall in der Zeit von 07:30 Uhr bis 13:30 Uhr das Schulgelände verlässt? zu Frage 8: Für die Schülerinnen und Schüler besteht wie zu Frage 7 dargestellt während der Dauer der verlässlichen Halbtagsschule Schulpflicht. Entsprechend obliegt der Schule in dieser Zeit die Aufsichtspflicht. Grundsätzlich hat die Schule auch bei Unterrichtsausfall für eine Betreuung und Aufsicht in der Schule Sorge zu tragen. Entsprechende Bestimmungen zu den Aufsichtspflichten bei Unterrichtsausfall in der Primarstufe sind in Nummer 3 Absatz 6 VV-Aufsicht geregelt. Hinsichtlich der Haftung gelten hier die üblichen Regelungen bei der Verletzung von Aufsichtspflichten der Schule. Auch in dem Fall, der im Staatlichen Schulamt Brandenburg vorliegt, ist es zu keinem Zwang der Eltern zum Abschluss einer solchen Vereinbarung gekommen . Die Schule wurde durch das Staatliche Schulamt jedoch beauftragt, sowohl mit dem Hort als auch mit dem Schulträger ein Gespräch zu führen, um die Verlässlichkeit der Betreuung weiter zu verbessern. Die betreffenden Schülerinnen und Schüler dürfen bei Unterrichtsausfall die Schule verlassen, wenn hierzu das schriftliche Einverständnis der Eltern vorliegt. Frage 9: Es gibt Fälle, dass Eltern gezwungen werden, einen kostenpflichtigen Hortvertrag abzuschließen, damit ihr Kind auf jeden Fall von i.d.R. 07:30 Uhr bis 13:30 Uhr betreut ist. Widerspricht dies dem Schulgesetz bzw. der Verwaltungsvorschrift? zu Frage 9: Solche Fälle sind dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport nicht bekannt. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 7; für die Eltern besteht in diesem Zusammenhang keine Verpflichtung zum Abschluss eines Hortvertrages. Frage 10: Wer ist für die Einhaltung des Schulgesetzes bzw. der Verwaltungsvorschrift verantwortlich? Wer übt die Dienstaufsicht aus? Wie und von wem werden Verstöße geahndet? zu Frage 10: Für die Einhaltung der Normen des Schulgesetzes, der entsprechenden Verordnungen und Verwaltungsvorschriften sind die Schulen zuständig. Sollten der unteren Schulaufsicht (staatliche Schulämter) oder obersten Schulaufsicht (Ministerium für Bildung, Jugend und Sport) Verstöße gegen diese Normen bekannt werden, so werden die Schulen durch die untere Schulaufsicht angewiesen, entsprechende Verstöße abzustellen. Ob und ggf. wie mögliche Verstöße geahndet werden, kann nur im konkreten Einzelfall durch die untere Schulaufsicht entschieden werden.