Datum des Eingangs:10.05.2016 / Ausgegeben: 17.05.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4076 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1613 des Abgeordneten Christoph Schulze BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/3893 Baurechtliche Vorschriften in Brandenburg in Verbindung mit dem Schallschutzprogramm und „so genannten“ Wintergärten Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers Die Landesregierung hat in der Antwort auf die Kleine Anfrage 275 vom 10.02.2015 zum Thema Wintergarten, Drucksache 6/838 auf Frage 6 geantwortet, dass es keine Möglichkeit geben würde, eine bestehende Wohnnutzung zu testieren und es dem Bürger gar nicht möglich sein würde, seine reale Nutzung bescheinigt zu bekommen. Unter Wintergarten wird landläufig ein Anbau an eine Wohnung/ Gebäude verstanden , welches einen hohen Verglasungsanteil hat und ausschließlich der Wohnnutzung (insbesondere in den kalten Jahreszeiten) dienen soll. Mit Wintergarten ist ausdrücklich kein verglaster „Kaltraum“ zur Unterbringung von Pflanzen im Sinne einer Orangerie gemeint, wie aber immer weder von „interessierter Seite“ unterstellt wird. Frage 1: Ist es zutreffend, dass man bei Anbauten, genehmigten oder genehmigungsfreien Wintergärten mit direktem Zugang oder Anschluss an genehmigten Wohngebäuden grundsätzlich davon auszugehen hat, dass die genehmigte Hauptnutzung (überwiegend Wohnnutzung) auch in den angebauten Gebäudeteilen anzutreffen ist? Was sagt die Rechtsprechung dazu? zu Frage 1: Nein. Welche Nutzung er in einem Anbau ausüben will, bestimmt der Bauherr mit seinem Bauantrag. In Betracht kommt zum Beispiel die Nutzung als unbeheizter Wintergarten oder als Aufenthaltsraum, sog. Wohnraumerweiterung. Danach richtet sich auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, zum Beispiel als Hauptanlage oder als Nebenanlage. Für die bauordnungsrechtliche Betrachtung ist unter anderem maßgebend , ob es sich um einen separaten Anbau „vor“ der Außenwand eines Wohngebäudes oder um eine Erweiterung des Wohnraumes handelt, bei der die ursprüngliche Außenwand geöffnet oder teilweise entfernt wird. Das Bundesverwaltungsgericht unterscheidet zwischen einem unbeheizten Wintergarten und einer beheizten Wohnraumerweiterung. Frage 2: Würde die zuständige Bauaufsichtsbehörde einen Nachweis verlangen, wenn ein Bürger einen gewerblichen Zweck oder eine nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftigen Betrieb in einem Anbau / Wintergarten an seinem Wohngebäude verfolgen oder unterbringen würde? Was sagt die Rechtsprechung dazu? zu Frage 2: Soll der Anbau / Wintergarten eines Wohngebäudes für gewerbliche Zwecke oder für einen nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftigen Betrieb erfolgen, handelt es sich um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. In diesem Fall würde die Bauaufsichtsbehörde verlangen, dass vor Errichtung des Anbaus bzw. vor Aufnahme der Nutzung ein Bauantrag gestellt wird. Diese Praxis entspricht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, wann von einer genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung auszugehen ist. Frage 3: Würde die Bauaufsichtsbehörde einen Fehler begehen, wenn sie in der Regel beim „Anbau“ eines so genannten „Wintergartens“ eine Wohnraumnutzung bei einem Anbau entsprechend der Hauptnutzung unterstellt? Was sagt die Rechtsprechung dazu ? zu Frage 3. Siehe Antwort zu Frage 1. Frage 4: Ist es zutreffend, dass bei allen Baugenehmigungen ein Erhebungsbogen vom Entwurfsverfasser auszufüllen ist, in dem er anzugeben hat, welche zukünftige Nutzung in dem geplanten Anbau vorhanden ist und um wieviel Quadratmeter sich die Wohnfläche erhöhen würde? Wird dies, weil ja erhoben, tatsächlich statistisch erfasst und dokumentiert oder ist der Erhebungsbogen nur fakultativ und Makulatur? Was sagt die Rechtsprechung dazu? Frage 5: Ist es zutreffend, dass bei allen Baugenehmigungen für (Wohngebäude im weitesten Sinne – Neubau – Umbau) ein Erhebungsbogen vorgeschrieben und vom Entwurfsverfasser auszufüllen ist? Was sagt die Rechtsprechung dazu? Frage 6: Ist der Erhebungsbogen zwingend vorgeschrieben? Ist er Teil des Bauantrages, der Akte und des Verwaltungsvorganges? Was sagt die Rechtsprechung dazu? zu Fragen 4 bis 6 Einem Bauantrag für ein Gebäude ist ein Erhebungsbogen für die Statistik der Baugenehmigung als Teil der Bautätigkeitsstatistik gemäß Gesetz über die Statistik der Bautätigkeit im Hochbau und die Fortschreibung des Wohnungsbestands (Hochbaustatistikgesetz – HBauStatG) beizufügen. Auskunftspflichtig sind nach Hochbaustatistikgesetz alle diejenigen, die eine Baugenehmigung beantragen. Der Bauherr bzw. die mit der Baubetreuung Beauftragten füllen bei Bauantragstellung den Statistikbogen aus und geben diesen mit dem Antrag bei der Bauaufsichtsbehörde ab. Die Bauaufsichtsbehörde leitet die Statistikbögen an die Statistischen Ämter der Länder weiter, in Brandenburg an das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Dort werden die Daten ausgewertet, geprüft, zu Summensätzen aggregiert und im Anschluss an das Statistische Bundesamt weitergeleitet. Zu den Inhalten der Statistik der Baugenehmigungen gehören die Erhebungsmerkmale wie die Art der Bautätigkeit, die Angaben zum Gebäude, die Größe des Bauvorhabens , wozu auch die Wohnfläche im neuen und alten Zustand (sofern vorhanden ) gehört, sowie die veranschlagten Kosten des Bauwerks. Der Statistikbogen (Erhebungsvordruck ) ist obligatorisch und bundeseinheitlich, kann aber aufgrund des jeweils gültigen Landesrechts variieren. Gemäß der Brandenburgischen Bauvorlagenverordnung ist der ausgefüllte Erhebungsbogen für die Baugenehmigungsstatistik Bestandteil der vorlagepflichtigen Bauvorlagen (BbgBauVorlV in der jeweils gültigen Fassung). Die vorzulegenden Bauvorlagen sind in § 11 BbgBauVorlV aufgeführt (Nr. 11: bei Gebäuden der Erhebungsbogen für die Bautätigkeitsstatistik gemäß Hochbaustatistikgesetz). Frage 7: Sind die Bauantragsakten unvollständig ohne diesen Erhebungsbogen? Was sagt die Rechtsprechung dazu? zu Frage 7: Ja, siehe Antwort zu den Fragen 4 bis 6. Rechtsprechung hierzu liegt nicht vor. Frage 8: Werden Bauanträge ohne Vorliegen des Erhebungsbogens überhaupt bearbeitet oder beschieden? Was sagt die Rechtsprechung dazu? zu Frage 8: Ja, sie werden bearbeitet. Ist der Bauantrag unvollständig, fordert die Bauaufsichtsbehörde den Bauherrn mit der Eingangsbestätigung zur Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist auf. Sind die Bauvorlagen vollständig, führt die Bauaufsichtsbehörde die Beteiligung der Behörden und Stellen durch. Bei unvollständigen Bauvorlagen hat die Bauaufsichtsbehörde die Behörden, die nicht auf die fehlenden Unterlagen angewiesen sind, ebenfalls unverzüglich zu beteiligen. Ohne Ausfüllen des Statistikbogens wird keine Baugenehmigung erteilt. Frage 9: Wenn bei Baugenehmigungen im Erhebungsbogen vom Entwurfsverfasser auszufüllen ist, in dem er anzugeben hat, welche zukünftige Nutzung in dem geplanten Anbau vorhanden ist und um wieviel Quadratmeter sich die Wohnfläche erhöhen würde, ist dieses nicht bereits - aufgrund der erteilten Baugenehmigung - als bestätigte Nutzung anzusehen? zu Frage 9: Eine konkrete Nutzung wird nur mit der Erteilung der Baugenehmigung festgelegt, nicht mit dem Erhebungsbogen. Frage 10: Wäre es eine hinreichende Vermutung aus diesen Angaben den Schluss zu ziehen, dass selbst bei einem Titel der nicht den Begriff Wohnraumerweiterung trägt sondern den Titel Wintergarten oder Anbau oder in den Planunterlagen die Bezeichnung verwendet wird "Wintergarten zur Wohnraumerweiterung", eine Wohnraumnutzung vorliegt ? Legen Erhebungsbogen oder andere zusätzliche Aussagen der Entwurfsverfasser den Schluss nahe, dass der Anbau /Wintergarten zu Wohnzwecken rechtmäßiger Weise verwandt wird? zu Frage 10: Eine rechtmäßige Nutzung des Wintergartens zu Wohnzwecken kann nur aus der Baugenehmigung abgeleitet werden. Frage 11: Ist es angemessen, dass die FBB an dieser Stelle eigene Prüfungen durchführt und eigene Interpretationen hierzu durchführt? Hält es die Landesregierung für tragbar, dass die FBB sich in dieser Frage als "Ersatzbauamt" aufführt? zu Frage 11: Ein Anspruch auf Schallschutzvorrichtungen für zu schützende Räume besteht nur für rechtmäßig errichtete Gebäude. Im Rahmen der Bearbeitung von Anträgen auf Schallschutz nach den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld in der aktuellen Fassung obliegt es der FBB zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Die Rolle eines „Ersatzbauamtes “ kommt ihr dabei nicht zu. Frage 12: Trifft es zu, dass die FBB jeden Anbau gerne als Wintergarten bezeichnet und mit der Behauptung, dass die Wohnnutzung trotz Erhebungsbogen und Planzeichnungstiteln nicht gegeben ist, gerne Schallschutzansprüche ausschließen will? zu Frage 12: Nein, dies trifft nicht zu. Frage 13: Trifft es zu, dass die FBB nicht zwischen Anbauten und Wintergärten unterscheiden kann? zu Frage 13: Nein, dies trifft nicht zu. Frage 14: Würde sich die Landesregierung der Definition des Fachverbandes der Wintergartenhersteller anschließen, dass „Wintergärten“ zumindest an drei Seiten bei offener Bauweise und mindestens an zwei Seiten bei halboffener Bauweise zu verglasen sind und auch die Dächer verglast sein müssen? Oder gibt es hier seitens der Landesregierung andere Definitionen? zu Frage 14: Siehe Antwort auf Frage 1. Frage 15: Wäre es nicht sinnvoll, angesichts der Schwierigkeiten und vor allem Auslegungsfragen und Streitigkeiten, den Begriff Wintergarten in der aktuell anstehenden Novellierung der Bauordnung mit einer klaren Definition als Wohnanbau zu definieren? zu Frage 15: Ein Wintergarten ist kein Anbau, der per se der Wohnnutzung dient. Siehe Antwort auf Frage 1. Frage 16: Wann gedenkt die Landesregierung, den systematischen Fehleinschätzungen der FBB einen Riegel vorzuschieben? zu Frage 16: Der Landesregierung sind keine systematischen Fehleinschätzungen der FBB zu Wintergärten bekannt, die ein aufsichtsrechtliches Einschreiten erfordern.