Datum des Eingangs: 11.05.2016 / Ausgegeben: 17.05.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4085 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1598 der Abgeordneten Andreas Galau und Sven Schröder der AfD-Fraktion Drucksache 6/3863 Tragfähigkeit des Landeshaushalts und der kommunalen Haushalte vor dem Hintergrund des demografischen Wandels Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller Das Land Brandenburg befindet sich hinsichtlich des Steueraufkommens je Einwohner im letzten Drittel aller deutschen Bundesländer. Nur mit Unterstützung durch den Finanzausgleich aller Bundesländer und zusätzlicher Investitionshilfen des Bundes ist Brandenburg in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Von der Nachhaltigkeit des Landeshaushaltes sind in hohem Maße auch die Haushalte der Kommunen für die Erfüllung ihrer Aufgaben abhängig. Zur langfristigen Sicherung der Tragfähigkeit der Haushalte hat der Bund das Instrument des „Bericht zur Tagfähigkeit der öffentlichen Finanzen“ entwickelt. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen steht die „Demografiefestigkeit der Staatsfinanzen in Deutschland“. Der Bund hat im Februar 2016 den 4. Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen vorgelegt. Frage 1: Die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg sagen teilweise gravierende Veränderungen voraus. Welche Instrumente setzt die Landesregierung zur Einschätzung der Tragfähigkeit des Landeshaushaltes für die Sicherung der Demografiefestigkeit der Landesfinanzen ein? zu Frage 1: Eines der wichtigsten Instrumente, die zukünftige Tragfähigkeit des Landeshaushaltes vor dem Hintergrund des demografischen Wandels einzuschätzen, ist die Aufstellung der Finanzplanung (vgl. Abschnitt 3. des aktuellen Finanzplans des Landes Brandenburg 2014-2018). Die mittelfristige Finanzplanung zeigt die finanziellen Möglichkeiten des Landes und damit auch die Grenzen zusätzlicher ausgabewirksamer Beschlüsse auf. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung richtet die Finanzplanung dabei das Augenmerk vor allem auf die grundsätzliche haushaltspolitische Orientierung, die in den Entwicklungen der aggregierten Eckwerte der Ein- nahmen- und Ausgabenseite deutlich werden (wie z.B. Kreditaufnahme, Kredittilgung , Zinslast, Ausgaben für Personal und Investitionen sowie Schuldenstand und den Steuereinnahmen). Frage 2: Welche Vorkehrungen trifft die Landesregierung zur Sicherung der Demografiefestigkeit der Landesfinanzen? zu Frage 2: Ziel der Landesregierung ist - wie schon in den vergangenen Jahren - auch zukünftig die Umsetzung einer soliden Finanzpolitik, die durch Berücksichtigung relevanter Aspekte der Nachhaltigkeit die politische Handlungsfähigkeit des Landes auch für zukünftige Generationen sicherstellt. Die Landesregierung ist deshalb bestrebt, die dem Land zur Verfügung stehenden Mittel zielgerichtet für zukunftsträchtige Investitionen in den prioritären Bereichen Bildung, Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft und Infrastruktur einzusetzen. Erklärtes finanzpolitisches Ziel der Landesregierung bleibt es, trotz sinkender Solidarpaktmittel die Haushaltskonsolidierung weiter voranzutreiben und einen dauerhaft ausgeglichenen Haushalt sicherzustellen. Angesichts der absehbaren Bevölkerungsentwicklung einerseits und der voraussichtlich zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen andererseits sollen die öffentlichen Aufgabenträger im Land Brandenburg durch die Verwaltungsstrukturreform 2019 auf allen Ebenen so aufgestellt werden, dass sie für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sind. Dazu soll insbesondere die Anzahl der Kreise und kreisfreien Städte reduziert werden und Zusammenschlüsse auf gemeindlicher Ebene gefördert werden. Außerdem sollen Aufgaben vom Land auf die kommunale Ebene verlagert werden. Frage 3: Die Aufgaben des Landes Brandenburg gemäß Kommunalverfassung sind in unterschiedlichem Maße durch die demografischen Veränderungen im Lande berührt. Welches Ausmaß der Betroffenheit erwartet die Landesregierung in den ständigen Aufgabenbereichen Schulen, Universitäten, Polizei , Rechtspflege, Gesundheitswesen, Kultur, Wohnungsbauförderung und Steuerverwaltung? Werden noch weitere Aufgabenbereiche als betroffen eingeschätzt? Decken sich diese Bereiche mit der Betroffenheit des Landeshaushaltes von Brandenburg durch den demografischen Veränderungsprozess ? zu Frage 3: Die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg regelt Angelegenheiten der kommunalen Gebietskörperschaften einschließlich deren Aufgaben. Die Aufgaben des Landes Brandenburg definieren sich nach der Landesverfassung. Auch diese sind durch die demografischen Veränderungen im Lande berührt. Im Folgenden werden exemplarisch betroffene Aufgabenbereiche des Landes dargestellt. Diese decken sich zum großen Teil mit den im Landeshaushalt betroffenen Bereichen: Schulen: Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse auf Basis der vom MBJS jüngst erstellten Schülermodellrechnung 2016 werden sich die Schülerzahlen mittel- und langfristig wie folgt entwickeln: Nach dieser Vorausberechnung der Schülerzahlen ist bis auf Weiteres davon auszugehen , dass die Gesamtschülerzahl an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft landesweit zunächst bis mindestens Mitte des kommenden Jahrzehnts leicht steigen und anschließend bis Ende des Prognosezeitraums etwas zurückgehen wird, ohne allerdings den in den Schuljahren 2012/2013 und 2013/2014 erreichten niedrigen Stand schon wieder zu erreichen. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass trotz dieser allgemeinen Entwicklungsfigur auch für die Schülerzahlentwicklung gilt, dass die Bevölkerung im näheren Umland Berlins zunehmen und die Bevölkerung in den Berlin fernen Teilräumen weiter abnehmen wird. Vor diesem Hintergrund werden sich auch die den kommunalen Schulträgern gemäß § 99 ff des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG) obliegenden Aufgaben quantitativ und qualitativ entsprechend der demografischen Veränderungen entwickeln . Der Grad der Betroffenheit der kommunalen Schulträger durch die regional differenzierte schülerdemografische Entwicklung unter Berücksichtigung der Anforderungen an den geordneten Schulbetrieb (§ 103 BbgSchulG) für die Schulentwicklungsplanung ist derzeit praktisch nur für die Kommunen im Berliner Umland absehbar , die aufgrund wachsender Schülerzahlen die vorhandenen Raumkapazitäten auf absehbare Zeit entweder auf hohem Niveau erhalten oder sogar erweitern müssen. Dagegen lassen sich für die von einem Rückgang der Schülerzahlen betroffenen Regionen nicht zuletzt wegen der möglichen Optionen zur interkommunalen Zusammenarbeit (§ 101 BbgSchulG) die Konsequenzen für die Schulträgerlandschaft noch nicht im Einzelnen absehen. Jugendhilfe: Bei einer Änderung der Geburtenzahlen in der Folge des demografischen Wandels ergeben sich Änderungen bei dem Bedarf an Kita-Plätzen und bei den weiteren Aufgaben der Jugendhilfe. Bezogen auf die Kita-Plätze wirken sich Änderungen der Kinderzahlen und der in Anspruch genommenen Kita-Plätze nach dem Kindertagesstättengesetz auf die finanzielle Unterstützung der Kreise und kreisfreien Städte durch das Land aus. Bei den weiteren Aufgaben der Jugendhilfe handelt es sich um pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben, bei denen sowohl die planerischen Aufgaben als auch die Verantwortung für mögliche Kosteneinsparungen oder -steigerungen allein in kommunaler Verantwortung liegen. Polizei: Die demografische Entwicklung im Land Brandenburg hat Auswirkungen auf das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und die Arbeit der Polizei. Bei anzunehmend langfristig sinkenden Einwohner- und Bevölkerungszahlen im Land ist Brandenburg durch die Bevölkerungskonzentration im Berliner Umland, die Grenze zum Nachbarland Polen, den damit verbundenen Transitströmen und einer alternden Bevölkerungsstruktur gekennzeichnet. Rechtspflege: Hinsichtlich der Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf den Geschäftsanfall der Gerichte und Staatsanwaltschaften und damit mittelbar auch auf die Ausgaben des Landes ist festzustellen, dass der Geschäftsanfall bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Bevölkerungszahl und Altersstruktur steht. Gesundheitswesen: Die demografische Entwicklung im Sinne eines höheren Anteils und höherer Zahl alter und sehr alter Menschen wird in dem (Gesamt-) System medizinischer Versorgung zu Ressourcenverlagerungen führen. Der absehbare Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen wird zusätzlich Anreiz zu Anpassungen in den Strukturen der Leistungserbringung geben. Die Problematik betrifft alle Bundesländer. Die „Brandenburger Fachkräftestudie Pflege“ im Auftrag des MASGF (2014; vgl. Webseite des MASGF) bietet eine umfassende Analyse im Feld Pflege. Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der demografischen Entwicklung und der Finanzbeziehung zwischen Land und Kommunen in der gesundheitlichen Versorgung. Die Finanzierung des Landes für Krankenhausinvestitionen richtet sich an Kliniken und nicht direkt an Kommunen. Die demografische Entwicklung hat Auswirkungen auf die Gesetzliche Krankenversicherung . Ein unmittelbarer Zusammenhang zur Finanzbeziehung zwischen Land und Kommunen besteht nicht. Kultur: Mit der kulturpolitischen Strategie 2012 des Landes Brandenburg hat das MWFK in enger Abstimmung mit Kommunen, Landeskulturverbänden, Trägern von Kultureinrichtungen etc. strategische Leitlinien formuliert, die helfen sollen, das Verhältnis zwischen Land und Kommunen als wichtigste Träger von Kultur und Kunst neu zu gestalten und die kulturelle Infrastruktur des Landes mittelfristig zukunftsfähig zu erhalten sowie die kulturelle Teilhabe zu sichern. Ein Instrument bildet hierbei die kon- tinuierliche und zielführende Bündelung von kulturinfrastrukturellen Ressourcen. Mit den strategischen Förderschwerpunkten der kulturpolitischen Strategie möchte die Landesregierung neue Gestaltungsspielräume und Flexibilität schaffen, um u.a. besser auf die demografische Entwicklung zu reagieren und diese durch die weitere Gewährleistung kultureller Teilhabe aktiv mitgestalten zu können. Aufgrund ihrer gemeinsamen verfassungsmäßigen Verantwortung für kulturelle Angelegenheiten wird das Land die kulturelle Infrastruktur auch künftig arbeitsteilig mit den Kommunen fördern. Ziel des Landes ist es, die Kommunen darin zu unterstützen , die grundlegenden Voraussetzungen für die kulturelle Teilhabe aller bereitzuhalten . Hierfür sollen landesweit bedeutsame Kultureinrichtungen strukturell und organisatorisch abgesichert und ihre Finanzierung auf eine breitere und solidarische Basis im Verhältnis Land und Kommunen gestellt werden. Wohnungsbauförderung: Im Bereich sozialer Wohnungsbau stehen Fördermittel bereit, die i. d. R. nicht von den Kommunen selbst, sondern von kommunalen und privaten Wohnungsunternehmen in Anspruch genommen werden. Die Wohnraumförderung erfolgt für das Land Brandenburg ausschließlich aus dem Landeswohnungsbauvermögen. Insoweit gibt es keine direkten Auswirkungen des demografischen Wandels auf die durch das Land für die Wohnraumförderung zur Verfügung gestellte Finanzausstattung. Steuerverwaltung: Grundsätzlich können aus der Bevölkerungsentwicklung keine belastbaren Rückschlüsse auf die Arbeitslage in den Finanzämtern gezogen werden. Die Fallzahlenentwicklung läuft derzeit nicht proportional zur Bevölkerungsentwicklung und ist abhängig von mehreren Faktoren. Sie wird vor allem beeinflusst von Gesetzesänderungen (z.B. Rentenbesteuerung, Abgeltungssteuer), der allgemeinen wirtschaftlichen Situation (Zahl der Erwerbstätigen, Verschiebungen zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit/gewerblicher Tätigkeit) sowie der Entwicklung der aufgabenunterstützenden IT-Verfahren. Aufgrund der Entwicklung in den letzten Jahren lässt sich feststellen, dass die Fallzahlen in den berlinnahen Finanzämtern steigen und in den anderen Finanzämtern sinken. Diese Entwicklung hat in der Vergangenheit zu der Fusion von Finanzämtern geführt (Pritzwalk / Kyritz, Calau / Finsterwalde und Fürstenwalde / Frankfurt (Oder)). Frage 4: Wann und in welchem Rahmen plant die Landesregierung eine Befassung des Landtages mit der Sicherung der Demografiefestigkeit der Landesfinanzen ? zu Frage 4: Die Sicherung der Demografiefestigkeit der Landesfinanzen stellt für die Landesregierung ein wichtiges Thema dar, das schon immer durch die Erstellung der mittelfristigen Finanzplanung adressiert wurde und auch zukünftig Berücksichtigung finden wird. Die auf Antrag der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE, der CDU-Fraktion, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der BVB / FREIE WÄHLER Gruppe vom Landtag Brandenburg in seiner 12. Plenarsitzung am 10. Juni 2015 beschlossene Einsetzung einer Enquete-Kommission „Zukunft der ländlichen Regionen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels“ ist ein weiterer Schritt, das Thema zu vertiefen, da im Rahmen dieser Enquete-Kommission auch Aspekte der Sicherung der Demografiefestigkeit der Landesfinanzen behandelt werden.