Datum des Eingangs: 17.05.2016 / Ausgegeben: 23.05.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4171 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1622 der Abgeordneten Thomas Jung und Andreas Galau Fraktion der AfD Drucksache 6/3922 "Heiratet was euch an Frauen bleibt, zwei, drei oder vier..." (Koran: Sure 4,3) Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller Die Vielehe ist in den meisten Ländern Afrikas, der arabischen Welt und in Südostasien weit verbreitet. In allen europäischen Ländern ist sie gesetzlich verboten, aber dennoch auf dem Vormarsch. Nach deutschem Recht besteht ein Verbot der Eheschließung bei bestehender Ehe (§ 1306 BGB). Die geltende Rechtslage darf nicht zu totem Recht mutieren, da dies im Falle der Vielehe u. a. einen Rückschritt in der Entwicklung von Frauenrechten bedeuten würde. Islamische Werte wie die Scharia- Rechtsprechung sind mit westlicher Demokratie - wie wir sie kennen - nicht kompatibel . Frage 1: Liegen der Landesregierung Zahlen oder Schätzungen vor, wie viele Vielehen es in Brandenburg aktuell gibt? zu Frage 1: Der Landesregierung liegt kein statistisches Material vor, wie viele Vielehen es in Brandenburg aktuell gibt. Frage 2: Auf welchen offiziellen Daten bzw. Erhebungen beruhen Ihre Kenntnisse ? zu Frage 2: Auf die Antwort zu der Frage 1 wird verwiesen. Frage 3: Mit welchen Strategien bzw. Maßnahmen soll dem Problem der gelebten Polygamie entgegengewirkt werden? zu Frage 3: Die deutsche Rechtsordnung hat rechtliche Instrumente geschaffen, die die Entstehung von Polygamie in Deutschland unterbinden: Das Verbot der Doppelehe ist als Bestandteil des deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) bei einer Eheschließung im Inland stets zu beachten. Der Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes ist nach herrschender Meinung dem Prinzip der Einehe verpflichtet . In § 1306 BGB hat dieses Prinzip eine ausdrückliche Regelung erfahren; es ist als zweiseitiges Ehehindernis konstruiert: Eine Ehe darf nicht geschlossen werden, wenn zwischen einer der Personen, die die Ehe miteinander eingehen wollen, und einer dritten Person eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft besteht. Die Strafbarkeit der Eingehung einer bigamischen Ehe im Inland ist darüber hinaus in § 172 StGB geregelt: Derjenige, der eine bigamische Ehe im Inland schließt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Dieser Straftatbestand gilt nicht nur für Deutsche, sondern auch für ausländische Staatsangehörige . Der Bundesgesetzgeber hat insbesondere für den Familiennachzug (§ 27 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt , dass die Ehe dem grundrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterliegt, was bei polygamen Ehen nicht der Fall ist. Außerdem wurde für den Ehegattennachzug klargestellt, dass einer weiteren Ehefrau keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, wenn ihr Mann bereits eine Ehefrau hat, mit der er in Deutschland zusammenlebt (§ 30 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz). Hierdurch kann jedoch nicht verhindert werden, dass auch einer zweiten Ehefrau auf einer anderen Rechtsgrundlage ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist oder die polygame Ehe im Ausland mit einer Frau geschlossen wird, die ohnehin schon eine Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik besitzt. Frage 4: Betrachtet die Landesregierung die aktuelle Rechtslage hinsichtlich Polygamie für ausreichend? zu Frage 4: Ja. Frage 5: Wenn ja, gewährleistet die Landesregierung die Einhaltung der diesbezüglichen Rechtslage? zu Frage 5: Ja. Frage 6: Wie werden polygame Ehen, die nach dem Recht eines Drittstaates in diesem rechtsgültig geschlossen wurden, in Brandenburg behandelt? zu Frage 6: Da die Voraussetzungen der Eheschließung gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden Verlobten dem Recht des Staates unterliegen, dem er angehört, verstößt eine polygame Ehe nicht gegen den deutschen ordre public und somit ist kein Eheaufhebungsgrund gegeben, wenn für alle betroffenen Ehegatten gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB ein polygames Ehestatut gilt, die polygame Ehe im Ausland geschlossen wird und alle Beteiligten, also auch die erste Ehefrau, damit einverstanden sind. Frage 7: Wie werden polygame Ehen, die in einem Drittstaat nicht rechtswirksam durch Geistliche (z. B. Imame) geschlossen wurden, in Brandenburg behandelt? zu Frage 7: Die obligatorische Zivilehe ist nicht in allen islamischen Rechtsordnungen rechtlich umgesetzt. Während eine vor dem Imam geschlossene Ehe in einigen dieser Länder in der Regel gültig ist, ist sie in anderen islamischen Ländern an den Vorbehalt einer Legalisation gebunden (z. B. in der Türkei). Bis zur Legalisation kann der Betroffene nach dem Gesetz des entsprechenden islamischen Staates nicht als verheiratet gelten. Erhält ein deutscher Standesbeamter z. B. anlässlich der Beurkundung einer Geburt Kenntnis vom Bestehen einer „Imam-Ehe“, weist er die betroffenen Personen auf diesen Umstand hin. Frage 8: Ist es möglich, minderjährige "Kinderbräute" im Zuge der Familienzusammenführung nachzuholen, wenn eine rechtsgültig im Ausland geschlossene Ehe angegeben wird? zu Frage 8: Nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (§ 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 28 Absatz 1 Satz 5 Aufenthaltsgesetz) ist für den Ehegattennachzug zu Ausländern und zu Deutschen grundsätzlich Voraussetzung, dass beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben. Nach anwendbarem Recht wirksame und mit deutschem ordre public (Art. 6 EGBGB) vereinbare Eheschließungen der Betroffenen in jüngerem Alter sind für den Ehegattennachzug anzuerkennen, können aber vor Erreichen des Mindestalters nicht zu einem Aufenthalt in Deutschland führen. Der angesprochene Familiennachzug von minderjährigen Ehepartnern ist somit grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen vom Mindestalter kommen zum einen lediglich für Ehegatten von Ausländern, die hier als Hochqualifizierte, Selbständige oder Forscher tätig oder langfristig Aufenthaltsberechtigte sind, in Betracht. Zum anderen kann die Auslandsvertretung im Rahmen des Visumverfahrens zur Vermeidung einer besonderen Härte vom Mindestaltererfordernis absehen. Die eheliche Lebensgemeinschaft muss in diesen Fällen das geeignete und notwendige Mittel sein, um die besondere Härte zu vermeiden. Nach Art und Schwere müssen die vorgetragenen besonderen Umstände so deutlich von den sonstigen Fällen des Ehegattennachzugs abweichen, dass das Festhalten am Erfordernis des Mindestalters im Hinblick auf das geltend gemachte Interesse der Führung der Lebensgemeinschaft in Deutschland – bei Vorliegen aller übrigen Zuzugsvoraussetzungen – unverhältnismäßig wäre. Der Familiennachzug ist grundsätzlich visumspflichtig. Ein Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs ist bei einer vom Auswärtigen Amt zur Visumerteilung ermächtigten Auslandsvertretung zu stellen. Aussagen zur einschlägigen Praxis der Auslandsvertretungen kann die Landesregierung nicht treffen. Frage 9: Wer trägt wofür die Beweislast bzw. wie wird dies in der Praxis überprüft ? zu Frage 9: Auf die Antwort zu der Frage 8 wird verwiesen. Frage 10: Ist es (tatsächlich) möglich, minderjährige "Kinderbräute" im Zuge der Familienzusammenführung nachzuholen, wenn eine Eheschließung lediglich durch Geistliche vorliegt? zu Frage 10: Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 wird verwiesen. Frage 11: Wie soll sichergestellt werden, dass im Zuge der Familienzusammenführung kein Menschenhandel oder eine Zwangsheirat vorliegt? zu Frage 11: Um einer missbräuchlichen Nutzung der Möglichkeit des Familiennachzugs entgegenzuwirken , wurde durch den Bundesgesetzgeber eine entsprechende gesetzliche Regelung geschaffen. Nach § 27 Abs. 1a Aufenthaltsgesetz ist ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 3 und 8 verwiesen. Frage 12: Liegen der Landesregierung Zahlen oder Schätzungen vor, wie viele der Zweit- oder Drittfrauen im Arbeitsmarkt integriert sind oder von Sozialhilfe leben? zu Frage 12: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Frage 13: Wenn nein, sieht die Landesregierung den Bedarf, diese Daten erheben zu lassen? zu Frage 13: Die Landesregierung sieht weder einen Bedarf noch die Möglichkeit, derartige Daten zu erheben.