Datum des Eingangs: 26.05.2016 / Ausgegeben: 31.05.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4241 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1654 der Abgeordneten Isabelle Vandre Fraktion der DIE LINKE Drucksache 6/3990 Lehraufträge an den Brandenburger Hochschulen Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller Am 01. September diesen Jahres wir die Neufassung des Paragraphen 58 des Brandenburgischen Hochschulgesetzes in Kraft treten. Dieser, mit der Novellierung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes im Jahre 2014 überarbeitete Paragraph, regelt die Vergabepraxis von Lehraufträgen an den Brandenburger Hochschulen. In Konsequenz der Definition von Lehraufträgen als „Ergänzung des Lehrangebots“ (Paragraph 58, Absatz 1 BbgHg) und zur Begegnung der Ausweitung dieser Personalkategorie, die häufig mit der Prekarisierung der Lehrbeauftragten einhergeht, sieht die Neuregelung vor, dass Lehrbeauftragte nun nur noch höchstens 4 SWS pro Semester und maximal 4 Semester in Folge Seminare an Brandenburger Hochschulen anbieten dürfen. Da die Hochschulen sich bereits heute auf das Inkrafttreten dieser gesetzlichen Regelung vorbereiten müssen, frage ich die Landesregierung : Frage 1: Wie überprüfen die Hochschulen, dass Lehraufträge ausschließlich ergänzenden Charakter haben? Wie definiert sich der ergänzende Charakter eines Lehrauftrages? zu Frage 1: Gesetzmäßiges Handeln ist Pflicht jedes Hochschulbediensteten. Dies gilt auch für die Vergabe von Lehraufträgen. Dabei haben die Dekane das Lehrangebot sicherzustellen . Dienstvorgesetzter des wissenschaftlichen und künstlerischen sowie des nichtwissenschaftlichen Personals ist der Präsident oder die Präsidentin der Hochschule . Die Überwachung des ergänzenden Charakters der Lehraufträge obliegt innerhalb dieses rechtlichen Rahmens der Organisation jeder Hochschule selbst, so dass darüber hinausgehende verallgemeinernde Aussagen nicht getroffen werden können. Der Begriff des ergänzenden Charakters des Lehrauftrags ist dahingehend zu verstehen , dass die Lehrbeauftragten das bestehende, durch hauptberufliche Lehrkräfte vermittelte Lehrangebot der Hochschule namentlich in Bereichen ausbauen und flankieren , in denen ein Interesse hierfür besteht. Ein solches kann sich vor allem aus der besonderen fachlichen Kompetenz der oder des Lehrbeauftragten ergeben, also typischerweise von Berufspraktikern, die ihre Kenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis in Lehrveranstaltungen an die Studierenden weitergeben. Mit Lehraufträgen sollen insbesondere anwendungsbezogene Fertigkeiten vermittelt werden, die von einer hauptberuflichen Lehrkraft nicht in der gleichen Tiefe erwartet werden können. Dementsprechend verlangt § 58 Abs. 2 BbgHG von Lehrbeauftragten grundsätzlich eine „mehrjährige berufliche Praxis“. Darüber hinaus können Lehraufträge vergeben werden um Angebotslücken in Spezialgebieten oder in solchen Bereichen zu schließen , die zwar durch Professuren und anderes Lehrpersonal hinreichend abgedeckt sind, in denen jedoch die Lehrkapazitäten aufgrund besonderer Umstände vorübergehend ausgelastet sind. Der ergänzende Charakter des Lehrauftrags wird durch die zeitliche Begrenzung der Höhe wie der Dauer nach entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen unterstrichen. Frage 2: Wie überprüft das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Praxis der Hochschulen bei der Vergabe von Lehraufträgen? Wie verfährt das MWFK bei der Feststellung, dass Lehraufträge entgegen ihrer Definition an den Hochschulen vergeben werden? zu Frage 2: Wenn das MWFK feststellt, dass Lehraufträge entgegen ihrer Definition an den Hochschulen vergeben werden, kann es im Wege der Rechtsaufsicht einschreiten. Das MWFK ist gem. § 5 Abs. 5 Satz 2 BbgHG u. a. berechtigt, sich zur Erfüllung seiner Aufgaben jederzeit über die Angelegenheiten der Hochschulen umfassend zu informieren. Ggf. kann es rechtswidrige Maßnahmen beanstanden. Das MWFK hat zuletzt im Rahmen der Vorbereitung der Hochschulgesetznovelle, die am 28. April 2014 in Kraft getreten ist, die Hochschulen zu ihrer Praxis beim Vollzug des § 58 BbgHG angehört. Den im Ergebnis dieses Verfahrens festgestellten Missständen soll die Novellierung des § 58 BbgHG entgegenwirken, die am 1. September 2016 in Kraft tritt. Die Hochschulen unterliegen i. Ü. keiner Berichtspflicht hinsichtlich des Inhalts von Lehraufträgen. Die Hochschulen entscheiden in eigener Zuständigkeit, welche Lehraufträge das Lehrangebot ergänzen sollen. Das MWFK überprüft die Voraussetzungen für Lehraufträge nur im Einzelfall und anlassbezogen im Rahmen seiner rechtsaufsichtlichen Befugnisse Frage 3: Wie bewertet die Landesregierung, dass der überwiegende Teil der Lehrbeauftragten für die gleiche Zeit an Lehre nur durchschnittlich etwa ein Drittel dessen als Vergütung erhält, was die Hochschulen für angestellte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen aufbringen? zu Frage 3: Ein direkter Vergleich der Vergütung von Lehraufträgen und dem Gehalt wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ist aus Sicht der Landesregierung fach- lich nicht möglich. Während bei einem Lehrauftrag eine konkrete Dienstleistung vergütet wird, wird in einem Angestellten- oder Beamtenverhältnis die Arbeitsleistung pauschal vergütet. Die von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrzunehmenden Arbeitsleistungen umfassen fast ausnahmslos neben der in der Lehrverpflichtungsverordnung festgelegten Lehrverpflichtung weitere Arbeitsinhalte. Eine Aufteilung der Arbeitskosten auf Lehrverpflichtungen und weitere Tätigkeiten erfolgt nicht. Der unterschiedliche Charakter der Tätigkeiten von Lehrbeauftragten und akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird auch dadurch unterstrichen , dass im § 58 Abs. 3 Satz 1 BbgHG ausdrücklich bestimmt wird, dass ein Lehrauftrag kein Dienstverhältnis begründet. Frage 4: Mit welchen Mehrkosten wäre landesweit zu rechnen, wenn die aktuell im Land vergebenen Lehraufträge durch sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge ersetzt werden würden? zu Frage 4: Die erfragte Berechnung von Mehrkosten ist aus fachlichen Überlegungen heraus nicht möglich, weil die besonderen Lehrinhalte der durch Lehraufträge abgedeckten Lehrveranstaltungen allenfalls teilweise durch festangestelltes Lehrpersonal abgedeckt werden könnten. Insofern lassen sich Lehraufträge vielfach nicht ersetzen. Zu einem großen Teil decken Lehrbeauftragte mit ihren Lehrangeboten Inhalte ab, die gerade nicht durch sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge, etwa über ein Angestelltenverhältnis als akademischer Mitarbeiterin oder Mitarbeiter, angeboten werden können. Wie in der Antwort auf Frage 1 ausgeführt, sollen mit den Lehrbeauftragten gerade Berufspraktiker gewonnen werden. An Hochschulen fest angestelltes oder verbeamtetes Lehrpersonal könnte die vom Gesetzgeber gewünschte andauernde außerhochschulische Berufspraxis nicht in die Lehrangebote einbringen. Frage 5: Wie bewertet die Landesregierung, dass Lehraufträge einseitig von den Hochschulen vergeben werden und dass die Lehrbeauftragten nicht arbeitsrechtlich geschützt sind (keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Mutterschutz, keine Elternzeit, kein Urlaub, keine Möglichkeit ein Arbeitsgericht anzurufen etc.)? Welche Alternativen sieht die Landesregierung , um Lehrbeauftragten, denen kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angeboten werden kann, zumindest arbeitnehmerähnlichen Mindestschutz zu gewähren? zu Frage 5: Da die Lehrbeauftragten selbstständig tätig sind, folgt aus dem Lehrauftrag - wie aus allen selbstständigen Tätigkeiten - kein arbeitsrechtlicher Schutz. Allerdings ist zu beachten, dass Lehraufträge grundsätzlich nur an Personen vergeben werden dürfen , die eine anderweitige hauptberufliche Tätigkeit ausüben (§ 58 Abs. 3 S. 3 BbgHG). Sofern dieser Tätigkeit ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt, besteht diesbezüglich ein arbeitsrechtlicher Schutz. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass Selbstständige die Möglichkeit haben, sich hinsichtlich der Zahlung von Kranken- und Mutterschaftsgeld entsprechend zu versichern . Auch Elternzeit und Elterngeld steht Selbstständigen zu. Da der Lehrauftrag ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis eigener Art begründet, kann bei Rechtsstreitigkeiten das Verwaltungsgericht angerufen werden. Nach alledem wird den Lehrbeauftragten ein ausreichender, arbeitnehmerähnlicher Schutz gewährt, so dass kein Bedarf für eine Alternative besteht. Frage 6: Aus welchen Gründen wurden oder werden an den Hochschulen ggf. unvergütete Lehraufträge vergeben? Geschieht dies typischerweise durch Verzicht der Lehrbeauftragten vor oder nach der Erteilung (bspw. weil Berufspraktikerinnen bereits über ein auskömmliches Einkommen verfügen)? Wenn auch aus anderen Gründen auf eine Vergütung verzichtet wird, welche sind dies? zu Frage 6: In § 58 Abs. 4 BbgHG ist festgelegt, dass Lehraufträge zu vergüten sind. Es kann allerdings einen Verzicht auf eine Vergütung geben oder die durch den Lehrauftrag entstehende Belastung wird bei der Bemessung der Dienstaufgaben entsprechend berücksichtigt. Da hierüber keine Statistik geführt wird, kann die Landesregierung keine verlässliche Auskunft über die Gründe angeben. Aus nicht repräsentativen Erfahrungen können jedoch drei wesentliche Verzichtsgründe genannt werden, die sich nicht gegenseitig ausschließen. Ein wichtiges Motiv ist es, über Lehraufträge Lehrerfahrungen und damit zusätzliche Kompetenzen zu erwerben, die für den eigenen beruflichen Werdegang von Vorteil sind. Darüber hinaus entscheiden sich Praktiker für Lehraufträge, weil sie ihnen den leichten Zugang zu motivierten und begabten Nachwuchskräften bietet, die als künftige Fachkräfte in Unternehmen, Kanzleien oder anderen Einrichtungen hoch gefragt sind. Schließlich gibt es auch intrinsisch motivierte Lehrbeauftragte, die ein Interesse und Freude daran haben, ihr Wissen und ihre Erfahrungen Studierenden weiterzugeben. Die Hochschulen müssen mit den ihnen übertragenen Mitteln verantwortungsvoll umgehen. Dies kann nur gelingen, wenn die Hochschulen ihre Ausgaben, auch die für Lehrbeauftragte, planen. Insofern geht die Landesregierung davon aus, dass mit Vergabe des Lehrauftrages bereits feststeht, ob eine Vergütung gezahlt wird. Dabei steht außer Frage, dass aufgrund des zusätzlichen Charakters eines großen Teils der Lehraufträge einzelne Lehraufträge nur zustande kommen, weil die anbietenden Lehrbeauftragten auf eine Vergütung verzichten.