Datum des Eingangs: 14.01.2015 / Ausgegeben: 19.01.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/426 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 124 des Abgeordneten Christoph Schulze fraktionslos Drucksache 6/292 Auslegung der Kommunalverfassung II Wortlaut der Kleinen Anfrage 124 vom 16.12.2014: Zunehmend häufen sich die Beschwerden aus Gemeindevertretungen und Ortsbeiräten, dass die Kommunalverfassung durch die Gemeindeverwaltungen und die Hauptverwaltungsbeamten in Kommunen im Land Brandenburg nicht mehr ernstgenommen und willkürlich ausgelegt werden. So ist in § 46, Abs. 1 Nr. 2 der Brandenburger Kommunalverfassung geklärt, dass der Ortsbeirat vor bestimmten Entscheidungen die Gemeindevertretung anzuhören hat. Nunmehr ist es offensichtlich in einigen Gemeinden gang und gäbe, dass Ortsbeiräte, obwohl es zu ihren originären Rechten gehört, nicht mehr angehört werden. Wenn Ortsbeiräte dies monieren, werden sie abgeschmettert. Insbesondere findet in einigen Gemeinderäten und Kommunalverwaltungen die Tatsache statt, dass die Ortsbeiräte erst nach den Aufstellungsund Auslegungsbeschlüssen zu Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen der Gemeindevertretung einbezogen werden, was von der Rang- und Reihenfolge natürlich nicht richtig sein kann. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist es zutreffend, dass die Ortsbeiräte vor wichtigen Entscheidungen gemäß § 46, Abs. 1, Nr. 2 der Kommunalverfassung anzuhören sind? 2. Welche Konsequenzen hat die Verweigerung der frühzeitigen und gemäß Gesetz vorgeschriebenen Anhörung des Ortsbeirates für die Beschlussfassung durch die Gemeindevertretung und die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Beschlüsse? 3. Sind die Hauptverwaltungsbeamten verpflichtet, die Einbeziehung der Ortsbeiräte vor Beschlussfassung von Verwaltungsvorlagen in der Gemeindevertretung sicherzustellen? Und wenn eine Anhörung nicht stattgefunden hat, sind die entsprechenden Beschlüsse der Gemeindevertretung zu beanstanden , wenn dies von ihnen gefordert wird? 4. Ist es eine Rechtsverletzung, wenn der Hauptverwaltungsbeamte selbst die Beteiligung der Ortsbeiräte verweigert und somit eine Beschlussfassung in der Gemeindevertretung ohne Ortsbeiratsanhörung organisiert, die entsprechenden Beschlüsse veröffentlicht und umsetzt und wissentlich und vorsätzlich die Ortsbeiräte außen vorhält? Ist dies rechtskonform? 5. Welche rechtlichen Konsequenzen hat dies für einen Hauptverwaltungsbeamten? Ist das ein Grund für ein Disziplinarverfahren? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Ist es zutreffend, dass die Ortsbeiräte vor wichtigen Entscheidungen gemäß § 46, Abs. 1, Nr. 2 der Kommunalverfassung anzuhören sind? zu Frage 1: Ja. Nach § 46 Abs. 1 Satz 3 BbgKVerf findet eine Anhörung jedoch nicht statt, wenn der Ortsbeirat rechtlich oder tatsächlich an der Wahrnehmung seines Anhörungsrechts gehindert ist. Frage 2: Welche Konsequenzen hat die Verweigerung der frühzeitigen und gemäß Gesetz vorgeschriebenen Anhörung des Ortsbeirates für die Beschlussfassung durch die Gemeindevertretung und die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Beschlüsse? zu Frage 2: In den Angelegenheiten des § 46 Abs. 1 Nr. 2 BbgKVerf ist der Ortsbeirat vor der Beschlussfassung in der Gemeindevertretung anzuhören. Erfolgte dies nicht, ist der Beschluss der Gemeindevertretung rechtswidrig. Frage 3: Sind die Hauptverwaltungsbeamten verpflichtet, die Einbeziehung der Ortsbeiräte vor Beschlussfassung von Verwaltungsvorlagen in der Gemeindevertretung sicherzustellen? Und wenn eine Anhörung nicht stattgefunden hat, sind die entsprechenden Beschlüsse der Gemeindevertretung zu beanstanden, wenn dies von ihnen gefordert wird? zu Frage 3: Da der Hauptverwaltungsbeamte nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 BbgKVerf die Beschlüsse der Gemeindevertretung und des Hauptausschusses vorzubereiten hat, obliegt ihm auch die Einbeziehung der Ortsbeiräte. Eine Beanstandung von Beschlüssen nach § 55 BbgKVerf durch den Hauptverwaltungsbeamten kann nicht gefordert werden. Der Hauptverwaltungsbeamte hat Beschlüsse zu beanstanden, wenn er der Auffassung ist, dass sie rechtswidrig sind. Frage 4: Ist es eine Rechtsverletzung, wenn der Hauptverwaltungsbeamte selbst die Beteiligung der Ortsbeiräte verweigert und somit eine Beschlussfassung in der Gemeindevertretung ohne Ortsbeiratsanhörung organisiert, die entsprechenden Beschlüsse veröffentlicht und umsetzt und wissentlich und vorsätzlich die Ortsbeiräte außen vorhält? Ist dies rechtskonform? zu Frage 4: Das in der Fragestellung geschilderte Vorgehen stellt grundsätzlich eine Rechtsverletzung dar und ist nicht rechtskonform. Frage 5: Welche rechtlichen Konsequenzen hat dies für einen Hauptverwaltungsbeamten? Ist das ein Grund für ein Disziplinarverfahren? zu Frage 5: Dienstrechtliche Konsequenzen wären ggf. nach folgenden Maßgaben zu prüfen: Beamtinnen und Beamte - und damit auch die Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamten im Beamtenverhältnis auf Zeit - tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung (§ 36 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes, BeamtStG). Die Rechtmäßigkeit dienstlicher Handlungen ist nur gegeben, wenn das geltende Recht beachtet wird. Die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht hat Verfassungsrang (vgl. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes, Art. 2 Abs. 5 der Landesverfassung). Verletzen Beamtinnen oder Beamte schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten - hier die den Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamten vom Gesetzgeber im Rahmen der Kommunalverfassung zugewiesenen Pflichten -, begehen sie ein Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 BeamtStG). Ein Disziplinarverfahren ist einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen (§ 18 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes, LDG; zuständig wäre hier die Rechtsaufsichtsbehörde, § 86 Abs. 2 LDG). Die Gemeindevertretung als Dienstvorgesetzte der Hauptverwaltungsbeamtin oder des Hauptverwaltungsbeamten hat in Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht gegeben sind, auch die beamtenrechtliche Möglichkeit, eine Pflichtenmahnung etwa in Form einer Missbilligung oder einer Rüge auszusprechen.