Datum des Eingangs: 30.05.2016 / Ausgegeben: 06.06.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4273 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1674 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher Fraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN Drucksache 6/4047 Wertpapiergeschäfte der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg und möglicher Handlungsbedarf der Landesregierung Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 1674 vom 03.05.2016: Das Handelsblatt berichtet in seiner Ausgabe vom 24.02.2016 über offenbar fahrlässige Wertpapiergeschäfte sowohl der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) als auch der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburgs (KVBB). Die KBV hat den Angaben des Handelsblatts zufolge Wertpapiere der isländischen Glitnir Banki in Höhe von 1,1 Millionen Euro erworben. Der Erwerb dieser Wertpapiere habe aufgrund von Wertberichtigungen zu einem Totalverlust für die KVB geführt. Darüber hinaus soll auch die KVBB Wertpapiere der Glitnir Banki erworben haben. Die KVBB wird aus Mitteln der gesetzlich Versicherten finanziert. Sie ist bei der Verwaltung ihres Vermögens an § 80 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch gebunden. Demzufolge sind ihre Mittel „so anzulegen und zu verwalten, dass ein Verlust ausgeschlossen erscheint, ein angemessener Ertrag erzielt wird und eine ausreichende Liquidität gewährleistet ist.“ Dem MASGF obliegt nach § 274 Absatz 1 Satz 2 SGB V in Verbindung mit Ausführungsvorschriften die Prüfung der Geschäfts- , Rechnungs- und Betriebsführung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Ich frage die Landesregierung: 1. Hat die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg nach Kenntnis der Landesregierung in der Vergangenheit Wertpapiere erworben, die sie wertberichtigen musste? Falls ja, welche Papiere waren dies, über welches Kreditinstitut erfolgte die Anlage, in welcher Höhe erfolgte die Anlage und wie hoch war die Wertberichtigung? 2. Falls die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg entsprechende Wertpapiere erworben hat, inwieweit verstießen diese Geldanlagen gegen gesetzliche Vorgaben, insbesondere gegen § 80 Absatz 1 SGB IV? 3. Welche Zuständigkeits- und Verfahrensvorgaben existieren bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg für Vermögensanlagen und Wertpapierkäufe, und gehen diese über die Vorgaben auf Bundesebene hinaus? Falls ja, inwieweit? 4. a) Wer entscheidet bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg jeweils über Vermögensanlagen und den Kauf von Wertpapieren, und wie ist das Entscheidungsverfahren? b) Wurden diese Zuständigkeiten in der Vergangenheit stets eingehalten? Falls nicht, wann und wieso nicht (bitte einzeln aufführen)? 5. Wie wurden diese Geldanlagen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg intern dokumentiert? Sieht die Landesregierung diese Dokumentation als ausreichend an, oder sieht sie hier Handlungsbedarf? 6. Falls aus Wertpapiergeschäften Verluste entstanden sind, sind diese nach Kenntnis der Landesregierung in den entsprechenden Jahresabschlüssen der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg ausgewiesen? Falls nicht, wieso nicht? 7. Hat die Kassenärztliche Vereinigung nach Kenntnis der Landesregierung versucht, die an den Wertpapiergeschäften beteiligten Kreditinstitute (s. Frage 1) auf Rückzahlung der Finanzmittel bzw. Ausgleich des erlittenen Schadens in Anspruch zu nehmen? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Falls nicht, wieso nicht? 8. Wann hat das MASGF bzw. eine damit beauftragte öffentlich-rechtliche Prüfeinrichtung in den Jahren 1993 bis 2016 die nach § 274 Absatz 1 Satz 2 SGB V vorgeschriebene Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg durchgeführt (bitte Jahre und weitere Angaben chronologisch aufführen)? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Sie unterliegt in Bezug auf den Umgang mit ihrem Vermögen besonderen Verpflichtungen. Dieser besonderen Bindung hat der Gesetzgeber mit den Regelungen in §§ 80 und 85 des Vierten Buches Sozialgesetzbuches (SGB IV), die über die Verweisungsnorm des § 78 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuchs (SGB V) auf die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg anwendbar sind, Rechnung getragen. Diese Regelungen verpflichten die Körperschaft, ihre Vermögensanlagen nach dem Grundsatz der Anlagensicherheit vorzunehmen. Diese Regelungen sind zum Schutz des Vermögens der Körperschaften sachgerecht und grundsätzlich ausreichend. Frage 1: Hat die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg nach Kenntnis der Landesregierung in der Vergangenheit Wertpapiere erworben, die sie wertberichtigen musste? Falls ja, welche Papiere waren dies, über welches Kreditinstitut erfolgte die Anlage, in welcher Höhe erfolgte die Anlage und wie hoch war die Wertberichtigung? zu Frage 1: Die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg hat nach eigenen Angaben in der Vergangenheit folgende Wertberichtigungen bei Wertpapieren vornehmen müssen: Im Jahr 2007 wurden Wertpapiere der Lehman Brothers Holdings Inc., Bankhaus Lampe im Wert von 99.918 Euro erworben. Die Wertberichtigung erfolgte nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung aufgrund kaufmännischer Vorsicht in voller Höhe. Wertpapiere der Glitnir Banki hat die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg nicht erworben. Die im einleitenden Text zur Fragestellung benannte Presseberichterstattung ist insoweit nicht zutreffend. Frage 2: Falls die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg entsprechende Wertpapiere erworben hat, inwieweit verstießen diese Geldanlagen gegen gesetzliche Vorgaben , insbesondere gegen § 80 Absatz 1 SGB IV? zu Frage 2: Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Geldanlagen nach § 80 Absatz 1 Satz 1 SGB V (i. V. m. § 78 Absatz 3 SGB V) ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts ein Verlust der Geldanlage ausgeschlossen erscheint. Die oben genannten Geldanlagen entsprachen den Anforderungen des damals geltenden Rundschreibens des Bundesversicherungsamtes (BVA) für die Vermögensanlagen der gesetzlichen Krankenkassen. Dies kann als Orientierung auch für die Vermögensanlagen der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg herangezogen werden . In den Rundschreiben vom 1. Dezember 2000 und vom 10. September 2004 hatte das BVA empfohlen, hinsichtlich der Frage, ob ein Verlust ausgeschlossen erscheint , zu prüfen, ob eine Ratingagentur die finanzielle Leistungsfähigkeit des Emittenten geprüft und eine Bewertung seiner Anleihe erteilt hatte, die innerhalb der sieben höchsten Bewertungsstufen lag. Die Wertpapiere der Lehman Brothers Holdings Inc., Bankhaus Lampe, verfügten im Zeitpunkt des Erwerbs im Jahr 2007 über entsprechende Ratings von zwei Ratingagenturen und erfüllten somit die Voraussetzungen des § 80 SGB IV. Frage 3: Welche Zuständigkeits- und Verfahrensvorgaben existieren bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg für Vermögensanlagen und Wertpapierkäufe, und gehen diese über die Vorgaben auf Bundesebene hinaus? Falls ja, inwieweit? zu Frage 3: Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg ist nach den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Regelungen grundsätzlich für die Verwaltungs - und Geschäftsführung zuständig. Darüber hinaus stellt der Vorstand nach den entsprechenden satzungsrechtlichen Regelungen den Haushaltsplan der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg auf, den die Vertreterversammlung jährlich beschließt und dessen Bestandteil auch die Ausweisung der Aufwendungen und Erträge ist. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg bilden die Richtlinie für die Betriebs-, Wirtschafts- und Rechnungsführung der Kassenärztlichen Vereinigungen gem. § 75 Abs. 7 SGB V der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und seit 2012 eine Richtlinie des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg die Grundlage der Anlage der liquiden Mittel. Die Richtlinie des Vorstandes geht nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg über die Vorgaben auf Bundesebene hinaus, weil insbesondere auch auf die Vorschrift des § 83 SGB IV Bezug genommen und insoweit die Sicherheit der Anlage besonders betont wird. Frage 4: a) Wer entscheidet bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg jeweils über Vermögensanlagen und den Kauf von Wertpapieren, und wie ist das Entscheidungsverfahren ? b) Wurden diese Zuständigkeiten in der Vergangenheit stets eingehalten? Falls nicht, wann und wieso nicht (bitte einzeln aufführen)? zu Frage 4: Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg ist nach den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Regelungen grundsätzlich für die Verwaltungs- und Geschäftsführung zuständig. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg wurden über den Kauf der Wertpapiere im Jahr 2007 vom Vorstand im Zusammenwirken mit der Hauptgeschäftsführung entschieden. Ab 2009 wurde dies dahingehend geändert, dass bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg jeweils über Vermögensanlagen und den Kauf von Wertpapieren durch den Vorstand im Zusammenwirken mit dem Haushaltsbeauftragten entschieden wird. Dieses Verfahren wurde Anfang 2012 in der Richtlinie der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg verschriftlicht und wird entsprechend eingehalten. Frage 5: Wie wurden diese Geldanlagen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg intern dokumentiert? Sieht die Landesregierung diese Dokumentation als ausreichend an, oder sieht sie hier Handlungsbedarf? Frage 6: Falls aus Wertpapiergeschäften Verluste entstanden sind, sind diese nach Kenntnis der Landesregierung in den entsprechenden Jahresabschlüssen der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg ausgewiesen? Falls nicht, wieso nicht? zu den Fragen 5 und 6: Die Fragen 5 und 6 werden aufgrund des Sachzusammenhanges zusammen beantwortet. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg wurde der durch die Wertberichtigung entstandene Verlust vollständig und transparent (unsaldiert) nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung verbucht. Die Dokumentation erfolgte im Rechnungswesen getrennt nach Anlagevermögen, Aufwendungen und Erträgen gemäß den Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV). Die Prüfung der Jahresabschlüsse erfolgte durch einen externen Wirtschaftsprüfer jeweils ohne Beanstandung. Es wurde der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk erteilt. Frage 7: Hat die Kassenärztliche Vereinigung nach Kenntnis der Landesregierung versucht, die an den Wertpapiergeschäften beteiligten Kreditinstitute (s. Frage 1) auf Rückzahlung der Finanzmittel bzw. Ausgleich des erlittenen Schadens in Anspruch zu nehmen? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Falls nicht, wieso nicht? zu Frage 7: Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg wurden die Forderungen im Zuge des Insolvenz-Verfahrens ordnungsgemäß geltend gemacht. Vom Insolvenzverwalter hat die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg danach aus der Insolvenzmasse der Lehman Brothers Holdings Inc. 42.000 Euro erstattet bekommen. Die Abwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Frage 8: Wann hat das MASGF bzw. eine damit beauftragte öffentlich-rechtliche Prüfeinrichtung in den Jahren 1993 bis 2016 die nach § 274 Absatz 1 Satz 2 SGB V vorgeschriebene Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg durchgeführt (bitte Jahre und weitere Angaben chronologisch aufführen)? zu Frage 8: Prüfungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg wurden durch das für Gesundheit zuständige Ministerium in den Jahren 2002, 2006, 2008, 2010, 2011 und 2014/2015 durchgeführt. Unterlagen über Prüfungen vor 2002 liegen nicht mehr vor, da die Aufbewahrungsfrist für Prüfungen nach § 274 SGB V lediglich 10 Jahre beträgt.