Datum des Eingangs: 03.06.2016 / Ausgegeben: 08.06.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4325 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1683 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher und Marie Luise von Halem Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/4067 Sprach- und Integrationskurse für Geflüchtete im Land Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Seit Inkrafttretens des sogenannten Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes haben neben anerkannten Flüchtlingen auch Asylsuchende einen Ermessensanspruch auf die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angebotenen Integrationskurse, wenn ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist (vgl. § 44 AufenthG). Einem Großteil der Flüchtlinge bleibt damit der Zugang zu Integrationskursen aber weiterhin verwehrt. So haben aktuell zum Beispiel afghanische Geflüchtete nicht die Möglichkeit, im Asylverfahren einen Integrationskurs des BAMF zu besuchen, da ihre Anerkennungsquote knapp unter 50 Prozent liegt und daher ein „rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt“ im Sinne des § 44 Absatz 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG nicht zu erwarten sei (vgl. zB http://www.sueddeutsche.de/politik/sprachkurse-fuer-fluechtlinge-afghanen-sollenvorerst -kein-deutsch-lernen-1.2723929). Im Land Brandenburg war im Jahr 2015 Afghanistan das zweitstärkste Herkunftsland nach Syrien. Brandenburg nahm insgesamt 4.572 afghanische Geflüchtete auf (Vgl. Pressemitteilung des Ministerium des Innern und für Kommunales vom 9.1.2016). Aber auch Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern haben derzeit nicht die Möglichkeit in Brandenburg Sprachkurse zu besuchen, wie zuletzt die Zeitung „neues deutschland“ in dem Artikel „Mirabel möchte Deutsch lernen“ vom 28.04.2016 über eine Kamerunerin berichtete. Es ist integrationspolitisch kontraproduktiv, wenn ein Großteil geflüchteter Menschen nicht die Chance bekommt, an Sprachkursen teilzunehmen. Frage 1: Wie viele Sprachkurse wurden seitens der Landesregierung in Ergänzung zu den BAMF- Kursen seit 2010 angeboten/gefördert und wie viele TeilnehmerInnen haben diese Kurse bisher in Anspruch genommen? (bitte für die Jahre 2010 bis 2016 aufschlüsseln) Aus welchen Herkunftsländern kommen die TeilnehmerInnen? Gibt es noch freie Kapazitäten? Wenn ja, wie viele? Frage 2: Plant die Landesregierung weitere Sprachkurse in Ergänzung zu den BAMF- Kursen anzubieten/zu fördern? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie viele? Frage 3: Wie viele Landesmittel wurden seit 2010 für Sprachkurse für Geflüchtete aufgewendet (bitte für die Jahre 2010 bis 2016 aufschlüsseln) und plant die Landesregierung , diese Mittel aufzustocken? zu den Fragen 1 bis 3: Die Fragen 1 bis 3 werden zusammen beantwortet. Das Landesprogramm „Deutsch für Flüchtlinge“ wurde zum 1. April 2014 mit einer Laufzeit bis Ende Mai 2015 gestartet. Davor, also für den erfragten Zeitraum von 2010 an, gab es keine vergleichbare Landesförderung von Sprachkursen für Flüchtlinge. Die im Landesprogramm 2014/15 eingesetzten ESF-Mittel von 1,2 Millionen Euro wurden zweimal aufgestockt, zunächst auf 1,6 und schließlich auf 2,3 Millionen Euro. In der neuen ESF-Förderperiode ist das Programm zum 1. September 2015 mit einer eigenen Richtlinie und mit einem Volumen von 2 Millionen Euro für eine Laufzeit von einem Jahr neu gestartet. Aufgrund des großen Bedarfs wird das Landesprogramm „Deutsch für Flüchtlinge“ zum 1. Juli 2016 um weitere 4 Millionen Euro aus dem ESF aufgestockt und bis Ende 2017 verlängert. Die Stundensätze werden zugleich von 2,94 Euro je Stunde auf 3,10 Euro erhöht und somit an die Kostensätze für Integrationskurse angepasst. Die Verteilung der Kursangebote im Land soll sich an der Verteilquote für Flüchtlinge auf die Landkreise und kreisfreien Städte orientieren. Zur Vorbereitung der Ausweitung des Programms wurden im April/Mai vier Regionalkonferenzen mit den Sprachkursträgern unter Beteiligung des BAMF, der Arbeitsverwaltungen und der Kommunen durchgeführt, um Transparenz über die Planungen, die Finanzmittel und die Kooperation der beteiligten Akteure herzustellen. Im ersten Förderjahr von April 2014 bis Mai 2015 waren landesweit 2.665 Eintritte von Teilnehmenden in das Programm Deutsch für Flüchtlinge zu verzeichnen. In dem seit September 2015 laufenden Programm gibt es bisher 864 Eintritte. Mit der neuen Richtlinie „Deutsch für Flüchtlinge“ wird gefordert, die Kurse grundsätzlich über den vollen Umfang von 600 Stunden und mit einer stärkeren Abschlussorientierung auszurichten , da ein zertifiziertes Sprachniveau eine wichtige Voraussetzung für die weitere Ausbildung und berufliche Integration ist. Derzeit werden die Anträge für die Aufstockung des Landesprogramms ab Juli vorbereitet. Daher liegen dazu noch keine konkreten Planzahlen vor. Das Landesprogramm ist über den Gesamtzeitraum von September 2015 bis Dezember 2017 rechnerisch auf rund 2.500 Teilnehmende ausgelegt . Mit der Aufstockung des Landesprogramms werden zusätzliche Kursplätze ermöglicht . Zu den Herkunftsländern zählen im Landesprogramm seit 2014 unter anderem Syrien, Eritrea, Iran, Irak, Afghanistan, Kamerun, Tschad, Kenia, Pakistan, Russische Föderation, Somalia und Mazedonien. Veränderungen der Zugangszahlen an Flüchtlingen aus bestimmten Herkunftsländern z.B. in Folge der Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten oder auch durch die Öffnung der Integrationskurse für bestimmte Herkunftsländer wirken sich unmittelbar auf das Landesprogramm aus. Die größte Gruppe von Teilnehmenden stellen derzeit Flüchtlinge aus Afghanistan. Die Förderung im Landesprogramm erfolgt grundsätzlich nachrangig zur Bundesförderung . Frage 4: Was sind die Inhalte der vom Land Brandenburg angebotenen/geförderten Sprach- und Integrationskurse? zu Frage 4: Das Landesprogramm „Deutsch für Flüchtlinge“ ist angelehnt an die bundesfinanzierten Integrationskurse. Damit sind für das Landesprogramm die gleichen Qualitätsanforderungen zu erfüllen wie für die Integrationskurse gemäß § 44 Aufenthaltsgesetz. Es handelt sich um qualifizierte Sprachkurse, mit denen ein offizielles Sprachzertifikat auf dem Niveau A2/B1 erworben werden kann. Die Anlehnung an die Integrationskurse hat zudem den Vorteil, dass Teilnehmende nach einer Flüchtlingsanerkennung unmittelbar weiter durch den Bund gefördert werden können ohne dass der Teilnehmende den Kurs wechseln muss. Das betrifft auch viele Flüchtlinge aus Afghanistan nach ihrer Anerkennung. In den Integrationskursen werden wichtige Themen aus dem alltäglichen Leben behandelt, zum Beispiel: Arbeit und Beruf, Aus- und Weiterbildung, Betreuung und Erziehung von Kindern, Einkaufen/Handel/Konsum, Freizeit und soziale Kontakte, Gesundheit und Hygiene/menschlicher Körper, Medien und Mediennutzung, Wohnen. Dazu zählt auch, auf Deutsch Briefe und E-Mails zu schreiben, Formulare auszufüllen , zu telefonieren oder sich auf eine Arbeitsstelle zu bewerben. Die Themen variieren , je nachdem welche Kursart besucht wird. Das "Rahmencurriculum für Integrationskurse – Deutsch als Zweitsprache" ist die Grundlage des Sprachunterrichts in den Integrationskursen. Das Rahmencurriculum zeigt Lebensbereiche auf, in denen sich Migranten in Deutschland bewegen. Anhand einer umfassenden Liste von Lernzielen beschreibt es, wie sie sprachlich handeln können müssen, um den Herausforderungen des Alltags zu begegnen. Das "Rahmencurriculum für Integrationskurse – Deutsch als Zweitsprache" wurde vom Goethe-Institut im Auftrag des Bundesministeriums des Innern (BMI) erarbeitet und ist als Download verfügbar: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Integrationskurse/ Kurstraeger/KonzepteLeitfaeden/rahmencurriculumintegrationskurs .html?nn=1367386 Frage 5: Wie bewertet die Landesregierung das im Land Brandenburg insgesamt bestehende Angebot an Sprachkursen für geflüchtete Menschen im Verhältnis zur Nachfrage/zum Bedarf? zu Frage 5: In Brandenburg gibt es für Flüchtlinge drei Zugänge zur Teilnahme am Integrationskurs: für anerkannte Asylsuchende klassisch durch Zuweisung der Jobcenter bzw. Ausländerbehörden, für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive aus den Herkunftsländern Syrien, Irak, Iran und Eritrea wurden die Integrationskurse im Oktober letzten Jahres geöffnet, für Flüchtlinge, die nach wie vor nicht an den bundesfinanzierten Integrationskursen teilnehmen dürfen, wurde das ESF-Landesprogramm „Deutsch für Flüchtlinge“ aufgelegt. Mit diesen drei Angeboten haben in Brandenburg alle Flüchtlinge einen Zugang zu Integrationskursen. Alle drei Gruppen können in demselben Kurs unterrichtet werden . Das kann perspektivisch im Flächenland ein kontinuierliches Angebot auch bei schwankenden Flüchtlingszahlen erleichtern. Der Bund hat die Mittel für Integrationskurse deutlich ausgeweitet. In diesem Jahr stehen bundesweit 559 Millionen Euro für Integrationskurse zur Verfügung. Damit sind 300.000 Neueintritte möglich. Es wird geschätzt, dass davon etwa zwei Drittel auf Flüchtlinge entfallen werden. Nach dem Königsteiner Schlüssel hat Brandenburg einen Anteil von rund 3 Prozent. Das wären 9.000 Integrationskursplätze gesamt, davon 6.000 für Flüchtlinge. Die Mittel sind bundesweit nicht weiter kontingentiert, so dass die Anzahl der Plätze für Bran- denburg hiervon abweichen kann. Im letzten Jahr gab es in Brandenburg 1.724 Neueintritte in Integrationskurse. Das zeigt, dass gegenwärtig die große Herausforderung darin besteht, die Zahl der Kursplätze deutlich auszuweiten. Zahlreiche Träger haben sich neu als Integrationskursträger vom BAMF zertifizieren lassen. Die Hauptrekrutierung von Teilnehmenden für die Sprachkurse erfolgt bisher überwiegend durch enge Kooperationen der Integrationskursträger mit den Trägern der Gemeinschaftsunterkünfte . Angesichts von rechtlichen Zugangsschranken und begrenzten finanziellen Ressourcen war das bisher auch ausreichend. Durch die Öffnung der Kurse für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive und die Aufstockung der Bundesmittel sowie der Mittel für das Landesprogramm ergibt sich eine andere Situation. Die Mittel für die Integrationskurse des Bundes würden gegenwärtig für alle anerkannten Flüchtlinge und diejenigen mit guter Bleibeperspektive in Brandenburg ausreichen. Für eine Ausweitung der Kurskapazitäten ist es erforderlich, dass der tatsächliche Bedarf und das Angebot an Sprachkursen regional besser aufeinander abgestimmt und „weiße Flecken“ bei den Angeboten identifiziert werden. Für die Träger dürfte es schwierig sein, auch die dezentral in Wohnungen untergebrachten Flüchtlinge zu erreichen. Zudem haben sie keine Übersicht über den Gesamtbedarf und die fortlaufende Entwicklung . Flüchtlinge sollten daher möglichst umgehend nach der Verteilung auf die Kommunen von diesen Informationen zu Integrationskursangeboten erhalten.