Datum des Eingangs: 14.06.2016 / Ausgegeben: 20.06.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4393 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1692 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/4089 Angebot an Berlin zur Übernahme von Geflüchteten durch das Land Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Nach der zur Aktuellen Stunde „Angebot an Berlin zur Übernahme von Geflüchteten durch das Land Brandenburg“ geführten Landtagsdebatte am 27. April 2016 sind einige Fragen offen geblieben. So hieß es einerseits, es sei geplant, sogenannte „C-Flüchtlinge“ (Flüchtlinge, deren Asylverfahren komplizierter sind und nicht schnell entschieden werden können) aus Berlin in der Erstaufnahme im Land Brandenburg unterzubringen. Dem stehen Presseberichte gegenüber (vgl. z.B. den Bericht „Flüchtlinge aus Berlin auch in die Kommunen“ in „Der Prignitzer“ vom 28. April 2016), wonach gemeinsame Überlegungen aktuell nur vorsähen , Menschen mit geringer Bleibeperspektive vorübergehend in Brandenburg unterzubringen. Hinsichtlich der Frage einer möglichen Unterbringung der „Berliner Geflüchteten“ in den Brandenburger Kommunen hat die Landesregierung rechtliche Bedenken vorgebracht ohne diese näher zu erläutern. Im Anschluss an die Landtagsdebatte wurde gegenüber der Presse geäußert, dass 1000 Geflüchtete aus Berlin in den Brandenburger Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen und untergebracht werden sollen. Frage 1: Plant die Landesregierung, ausschließlich Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern aus Berlin in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Brandenburgs unterzubringen? zu Frage 1: Nein. Frage 2: Plant die Landesregierung sogenannte „C-Flüchtlinge“ aus Berlin im Land Brandenburg unterzubringen? Wie bewertet die Landesregierung die Unterbringung von sogenannten „C-Flüchtlingen“ in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Brandenburg im Hinblick auf § 50 Asylgesetz, der vorschreibt, dass in Fällen, die nicht kurzfristig entschieden werden können, eine Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen zu erfolgen hat? Frage 3: Welche Geflüchtete (der „Kategorien A-D“) und wie viele Geflüchtete aus Berlin plant die Landesregierung in der Erstaufnahme des Landes Brandenburg unterzubringen ? zu den Fragen 2 und 3: Ziel der mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 24. Oktober 2015 eingeführten Verlängerung der Aufenthaltshöchstdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung für alle Ausländer von drei auf sechs Monate (§ 47 Absatz 1 Satz 1 Asylgesetz) ist es, eine abschließende und im Ergebnis schnellere Bearbeitung der Asylverfahren noch während des Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu ermöglichen. Eine zwischenzeitliche Weiterverteilung auf die Kommunen ist damit nach Vorstellung des Bundesgesetzgebers regelmäßig nicht mehr erforderlich (vgl. BT-Drucksache 18/6185, S.33, Zu Nummer 15). Die Verpflichtung nach § 50 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 1 Asylgesetz, Ausländer unverzüglich aus der Erstaufnahmeeinrichtung zu entlassen, betrifft - bezogen auf die beabsichtigte Verwaltungsvereinbarung - nicht per se alle Fälle, in denen nicht kurzfristig über den Asylantrag entschieden werden kann, sondern die Sachverhalte, in denen nicht oder nicht kurzfristig über die Unzulässigkeit, Unbeachtlichkeit oder offensichtliche Unbegründetheit eines Antrages entschieden werden kann. Die mit dem Land Berlin vereinbarten Eckpunkte für ein Abkommen nach § 45 Absatz 2 Asylgesetz sehen diesbezüglich vor, dass aus dem Land Berlin bis zu 1.000 räumlich aufenthaltsbeschränkte Asylbegehrende im Land Brandenburg untergebracht werden, bei denen mit einer längeren Verweildauer in der Erstaufnahmeeinrichtung zu rechnen ist. Frage 4: An welchen Standorten der Erstaufnahme sollen die Geflüchteten aus Berlin im Land Brandenburg für wie lange untergebracht werden? zu Frage 4: In den vorgenannten Eckpunkten wurde eine Festlegung auf einen bestimmten Standort nicht getroffen. Die weiteren Verhandlungen zum Abschluss eines entsprechenden Verwaltungsabkommens mit dem Land Berlin werden sich aber auf den Standort der Aufnahmeeinrichtung in der Stadt Zossen, Ortsteil Wünsdorf, konzentrieren . Frage 5: Ab wann sollen die 1000 „Berliner Flüchtlinge“ im Land Brandenburg aufgenommen werden? zu Frage 5: Die Verwaltungsvereinbarung für die vorübergehende Unterbringung von dem Land Berlin zugewiesenen Asylsuchenden soll bis zum Juli 2016 jeweils im Kabinett beschlossen und sodann unterzeichnet werden, so dass sie voraussichtlich im August 2016 in Kraft treten kann. Frage 6: Plant die Landesregierung über die 1000 Geflüchteten hinaus weitere „Berliner Geflüchtete“ im Land Brandenburg aufzunehmen? Wenn ja, wann, wo und wie viele? zu Frage 6: Nein. Frage 7: Welche konkreten rechtlichen Erwägungen und Vorschriften stehen warum einer Unterbringung von Berliner Geflüchteten in den Brandenburger Kommunen entgegen? Frage 8: Unter welchen Voraussetzungen wäre eine Verteilung von „Berliner Flüchtlingen “ auf die Brandenburger Kommunen rechtlich möglich? Sollte dies nicht möglich sein, welche rechtlichen Änderungen müssten auf den Weg gebracht werden, um es zu ermöglichen? zu den Fragen 7 und 8: Grundsätzlich sind nach § 44 Asylgesetz „die Länder“, d.h. jedes Bundesland, verpflichtet, die für die Unterbringung erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten. Erst seit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes können zwei oder mehr Länder vereinbaren, dass Asylbegehrende, die von einem Land entsprechend seiner Aufnahmequote aufzunehmen sind, von einem anderen Land aufgenommen werden. Aus § 45 Absatz 2 und § 46 Absatz 2a Asylgesetz ergibt sich, dass eine derartige Vereinbarung auf das Erstaufnahmeverfahren beschränkt ist. Dagegen lässt es § 50 Asylgesetz nicht zu, dass auch die Folgeunterbringung nach der Erstaufnahme in einem anderen Bundesland erfolgt. Abweichende Regelungen der Länder, die die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch Beschäftigte des Landes Berlin auf dem Gebiet des Landes Brandenburg zum Ziel haben, bedürften eines Staatsvertrages, der zum Zwecke der Transformation in Landesrecht eines förmlichen Gesetzes bedarf. Allerdings müssen Staatsverträge sich nach herrschender Meinung auf einen Gegenstand der (Landes )Gesetzgebung beziehen, es sei denn, die Länder wären durch das Bundesrecht dazu ausdrücklich ermächtigt. Das im Asylgesetz abschließend bundesrechtlich geregelte Erstaufnahmeverfahren enthält keine solche Öffnungsklausel. Anderes als die dort zugelassene Vereinbarung nach § 45 Absatz 2 Asylgesetz kann folglich die dauerhafte Unterbringung außerhalb der Landesgrenze nicht Gegenstand eines Staatsvertrages zwischen einzelnen Bundesländern sein. Mithin wäre eine entsprechende Änderung des Asylgesetzes erforderlich. Frage 9: Inwiefern stellen das Land Berlin und das Land Brandenburg sicher, dass vor einer Verteilung der Geflüchteten aus Berlin im Land Brandenburg besondere persönliche Belange geprüft werden, die einer Verteilung entgegen stehen könnten (familiäre Bindungen, Integrationsmaßnahmen etc.)? zu Frage 9: Die Berücksichtigung familiärer Bindungen erfolgt bereits im Rahmen des Verfahrens zur EASY-Zuweisung. Die Prüfung besonderer persönlicher Belange, die einer vorübergehenden Aufnahme durch ein anderes Bundesland entgegen stehen können, sieht das Asylgesetz für den Abschluss einer Vereinbarung nach § 45 Absatz 2 Asylgesetz nicht vor. Im Rahmen des Eckpunktepapiers haben sich das Land Berlin und das Land Brandenburg darauf verständigt, dass das Land Brandenburg die im Zusammenhang mit der Unterbringung, Versorgung und Betreuung stehenden Leistungen nach dem AsylbLG im Rahmen der Erstaufnahme selbst oder über einen Dienstleistenden erbringt. Weitere Leistungen, die nicht Gegenstand bestehender Unterbringungsverträge im Land Brandenburg sind, wie beispielsweise für Bildungsmaßnahmen (erste Sprach- und Kulturkenntnisse) für Kinder und Jugendliche , erbringt bei Bedarf das Land Berlin.