Datum des Eingangs: 16.06.2016 / Ausgegeben: 21.06.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4407 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1705 der Abgeordneten Marie Luise von Halem Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/4109 Kinderschutz in Kindertageseinrichtungen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: In einem Artikel in der Zeit vom 3. Mai 2016 mit dem Titel „Abgrund unterm Regenbogen“ berichtet die Autorin über Missstände, die deutschlandweit in einigen Kitas vorgekommen sind. In dem Artikel wird Brandenburg als eines der wenigen Bundesländer genannt, das dazu eine Meldestatistik führt. Das Bundeskinderschutzgesetz sieht seit 2012 klare Regeln vor: Kitaträger müssen die zuständige Aufsichtsbehörde umgehend über "Ereignisse oder Entwicklungen" informieren, "die geeignet sind, das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen". Frage 1: Wie viele Missstände wurden der zuständigen Aufsichtsbehörde seit In- Kraft-Treten der neuen Regelung im Bundeskinderschutzgesetz gemeldet? (Bitte nach Jahr, Art der Meldung und Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln.) zu Frage 1: Im Land Brandenburg gibt es derzeit 1.865 erlaubnispflichtige Einrichtungen der Kindertagesbetreuung. In dem Zeitraum seit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes 2012 bis 2015 (vier Jahre) wurden 160 Meldungen verzeichnet, die meldepflichtige Sachverhalte umfassen und sich auf das Kindeswohl gefährdende Verhalten durch in den Einrichtungen Beschäftigte beziehen, siehe Anlage. Hiermit sind insbesondere unangemessenes Erziehungsverhalten, Isolation und körperliche Züchtigung von Kindern, Aufsichtspflichtverletzungen, sexuelle Übergriffe und Zwangsmaßnahmen gemeint. Bei 51 dieser Vorgänge hat es auch Strafanzeigen gegeben, die zumeist durch Eltern, Träger von Einrichtungen und in Einzelfällen Jugendämter erfolgten. Die erhobenen und in der Tabelle dargestellten Vorwürfe beziehen sich häufig auf komplexe Verhaltensweisen der in den Einrichtungen Beschäftigten und umfassen damit mehrere Grenzüberschreitungen. Nicht aufgeführt sind Meldungen, die das Kindeswohl nur mittelbar betreffen, bspw. im Fall von gemeldeten Sturm- oder Wasserschäden. Neben diesen erfassten Vorkommnissen gibt es Beschwerden mit Fokus auf die vorzufindende Betreuungsqualität und die vorliegenden strukturellen Rahmenbedingungen. Im Jahr 2012 wurden nur 8 Meldungen, die das Kindeswohl betreffen, registriert, im Jahr 2015 gingen bereits 56 Meldungen ein, die 93 Sachverhalte umfassten. Die Meldungen betreffen maximal 3% der Einrichtungen. Da manche Einrichtungen von Meldungen mehrmals betroffen sind, ist eher von einer geringen Prozentzahl der betroffenen Einrichtungen auszugehen. Frage 2: Wie geht die Brandenburger Landesregierung mit den Meldungen um? Welche Konsequenzen werden daraus gezogen? zu Frage 2: Allen eingehenden Meldungen wird vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport im Rahmen seiner Zuständigkeit als Oberste Landesjugendbehörde, die die Aufgaben des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe wahrnimmt, nachgegangen. In der Regel sind damit ein Vor-Ort-Termin in der Einrichtung zur Prüfung der Vorkommnisse sowie eine Beratung des Einrichtungsträgers zum Umgang damit verbunden. Sofern erforderlich, sind entsprechend der rechtlichen Grundlage des SGB VIII nachträgliche Auflagen bis hin zur Tätigkeitsuntersagung und zum Erlaubnisentzug möglich. In Einzelfällen wird bei hoch konflikthaften Einzelfragen oder virulenten Problemlagen seitens der Mitarbeiterinnen der Obersten Landesjugendbehörde ein Angebot zur Sachverhaltsklärung unterbreitet, in welchem komplexe Sachzusammenhänge konstruktiv beraten und Klärungen herbeigeführt werden. In der Auswertung der meldepflichtigen Vorkommnisse werden die zutage tretenden Fortbildungsbedarfe ermittelt und an das Sozialpädagogische Fortbildungswerk Berlin-Brandenburg weitergeleitet. Dabei handelt es sich um Themen zu Fragen der Erziehungsmethoden, um Beschwerdemanagement und auch Erziehungspartnerschaft. Darüber hinaus wird der Umgang mit besonderen Vorkommnissen als regelmäßiges Thema in die Unterausschusssitzungen des Landes-Kinder- und Jugendausschusses eingebracht. Frage 3: Aus welchen Gründen wird die Statistik über die gemeldeten Missstände nicht veröffentlicht? zu Frage 3: Die Oberste Landesjugendbehörde führt keine Statistik über die Meldungen besonderer Vorkommnisse. Ihre primäre Aufgabe besteht darin, das Wohl der Kinder in Einrichtungen zu sichern. Daher dient die im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport geführte Datenbank zu den besonderen Vorkommnissen nicht vorrangig der statistischen Erhebung; es handelt sich um eine Arbeitshilfe zur Strukturierung und Kontrolle der vielfältigen Arbeitsprozesse, mit denen auf besondere Vorkommnisse reagiert wird. Sie ist das Arbeitsinstrument der Erfassung, der Bearbeitung und der Dokumentation der gesetzlich vorgeschriebenen Meldungen gemäß den Meldepflichten nach § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII. Es handelt sich nicht um eine gesetzliche Statistik nach §§ 98 ff. SGB VIII. Eine Veröffentlichung dieser Daten sieht das Gesetz nicht vor. Frage 4: Wie sieht die Landesregierung die Träger der Kinderbetreuungseinrichtungen und die Jugendämter beim Umgang mit Missständen, wie sie im Zeitungsartikel beschrieben werden, gewappnet? In wie weit bietet die Oberste Landesjugendbehörde Unterstützung an? zu Frage 4: Das 2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz bringt Prävention und Intervention im Kinderschutz gleichermaßen voran und stärkt alle Akteure, die sich für das Wohlergehen von Kindern engagieren. Die Träger und die Jugendämter füllen den rechtlichen Rahmen in der Regel kompetent aus und werden dabei bei Bedarf durch Beratung des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport und durch Fortbildungsangebote des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin- Brandenburg (SFBB) unterstützt. Im Hinblick auf die neuen Kinderschutzanforderungen in Einrichtungen liegen den Trägern und den Jugendämtern Handlungsleitlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ) zur Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes im Arbeitsfeld der betriebserlaubnispflichtigen Einrichtungen nach § 45 SGB VIII und ein Orientierungspapier zur Sicherung von Rechten für Kinder in Kindertageseinrichtungen vor. Unter der Federführung des Landes Brandenburg hat der Fachausschuss „Kindertagesbetreuung“ der BAGLJÄ in diesem Jahr ein Empfehlungspapier erarbeitet, das die Kinderschutzkonzepte für das Handeln der Fachkräfte in der Kita selbst in den Blick nimmt und hierbei Träger von Einrichtungen unterstützen möchte, neben dem intervenierenden Kinderschutz insbesondere auch den präventiven Kinderschutz für Einrichtungen zu optimieren. Die BAGLJÄ hat das Empfehlungspapier im Mai dieses Jahres beschlossen. Dieses Material wird im Juni 2016 durch die BAGLJÄ veröffentlicht. Frage 5: Gibt es bei der Obersten Landesjugendbehörde eine Stelle, an die sich „Whistle-Blower“ wenden können, um Missstände in „ihrer“ Kinderbetreuungseinrichtung zu melden? Wenn ja, wo und wie oft wird diese in Anspruch genommen? Wenn nein, warum gibt es diese nicht? Zu Frage 5: Betroffene wenden sich vielfach direkt an die Oberste Landesjugendbehörde . Seit vielen Jahren sind die zuständigen Kolleginnen und Kollegen der Obersten Landesjugendbehörde Ansprechpartner für die Praxis vor Ort in Fällen von Meldungen zu Missständen in den Einrichtungen. Informationszugänge zu Ansprechpartnern finden die Bürgerinnen und Bürger auf der Homepage des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport. Personen, die Vorkommnisse melden wollen, haben hierzu vielfältige weitere Möglichkeiten. Neben der Obersten Landesjugendbehörde sind die Einrichtungsträger und örtlichen Träger der Jugendhilfe in ihrer jeweiligen Zuständigkeit Ansprechpartner sowohl für pädagogische Fachkräfte als auch für Eltern in allen den Kinderschutz betreffenden Belangen. Für die Oberste Landesjugendbehörde ist der Arbeitsaufwand seit der Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes im Jahr 2012 nicht zuletzt durch das erhöhte Beschwerdeaufkommen vorrangig durch Eltern und die in diesem Zusammenhang erfolgte Beratung sowie die Unterstützung der Träger bei der Etablierung eines Beschwerdemanagements nach dem Bundeskinderschutzgesetz erheblich gestiegen. Das deutet darauf hin, dass die Möglichkeiten zur Meldung von Missständen zunehmend wahrgenommen werden. Die Gewährleistungsverantwortung der Einrichtungsträger und örtlichen Träger der Jugendhilfe vor Ort bezieht sich nicht allein auf die Bereitstellung des Angebots, sondern schließt auch qualitative Aspekte zur Sicherstellung der Kindertagesbetreuung – und hierzu zählt bspw. ein Beschwerdemanagement – ein. Daher ist davon auszugehen , dass sich Betroffene insbesondere zur Prüfung, ob ein meldepflichtiges Vorkommnis vorliegt, häufig direkt an die Verantwortlichen vor Ort wenden. Anlage zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1705 Extrakt Vorkommnisse/Meldungen nach §47 SGB VIII gesamt davon Strafanzeigen körperliche Züchtigung (Schlagen, Kneifen, Zerren etc.) Isolation Separieren, Einsperren unangemessen es Erziehungsverhalten (wie Nase schwarz malen, Strafsitzen, Mund zukleben) Zwangsfütterung Zwangsschlafen qufsichtspflichtver - letzung Psychiche Übergiffe, Verbale Übergriffe (Brüllen, Ängstigen, abfällige Äußerungen) Sexuelle Übergriffe unter Kindern Sexuelle Übergriffe, Missbrauch durch Beschäftigte MOL 2012 2013 .'l . O . .% - C ) . , - C l . C :) CZ:1 ' , - C l n . ., 2014 2015 Summe 15 2i 7 6 2 2 1 4 7 0 11 BAR 2012 2013 C \ I 'V - . .l ,zz, 0 C :1 l - O C > .= 2014 2015 Summe 11 4 8 5 4 1 0 - 3 3 0 11 OHV 2012 2013 LO N C ) .z.. O ,D 0 (-=) O ... n 2014 2015 Summe 12 6 1 0 1 0 0 5 1 1 31 Bran- 0 0 0 0 den- 2012 burg 2013 c= -) CN.I ..l C) ,• 0 0 2014 2015 Summe 7 3 2 1 0 1 0 4 1 1 Potsdam 2012 2 2 1 0 0 0 0 1 0 0 0 Anlage zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1705 2013 2014 2015 1 C D d - 0 3 1 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 1 0 0 0 0 0 1 0 2 2 Summe 11 6 1 1 0 0 4 0 1 4 Teltow Fläm. 2012 2013 2014 2015 • d - C C) O N O C J O n — • C D O 0 0 0 C Z > C D C D •— • O 0 0 • f:D M C J C > C D 0 C D 0 x — O C D Summe 10 4 2 2 0 f 0 5 3 1 11 PM 2012 2013 O O O C :) C > C D C > irr 2014 2015 Summe 7 3 3 0 0 0 2 0 0 0 1I OPR 2012 2013 C •% . O CD O CD O C > O n 2014 2015 Summe 2 0 1 0 0 1 0 1 0 0 UM 2012 2013 C D C :) CD O C ) O O (= O crj 2014 2015 Summe 1 0 1 0 0 1 0 0 1 0' 01 HVL c p c ) 2012 2013 C > O O O O O 2014 2015 Summe 17 5 4 5 1 3 4 3 4 0 01 PR I Anlage zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage N 1705 2012 2013 2014 20 15 C D 0 0 0 0 1 0 u 0 0 0 C D C D 0 C :) u 0 0 0 C D 0 0 C D 0 0 0 CD 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 Summe 1 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 Elbe Elster 2012 2013 2014 2015 O 0 CZD 0 C D C N 0 O 0 0 C . .1 0 0 0 0 0 C D 0 0 0 O 0 0 0 0 0 0 0 O 0 C ZD 0 0 0 0 01D o C :) Summe 5 2 2 0 2 0 0 0 0 0 0 LDS 2012 2013 0 ) C g 2014 2015 Summe 18 2 5 3 2 0 4 2 5 2 2 OSL 2012 2013 CD C D O O C D O O C D C ) 2014 2015 Summe 6 3 4 1 0 0 2 0 0 0 2 Cottbus 2012 2013 O O C :) CZ) O O O CD C D C ) O 2014 2015 Summe 6 2 1 1 3 1 2 1 1 2 0 LOS O C), 20._ 2013 V') CD O C :) C ) O O 2014 2015 Summe 23 8 8 0 0 0 4 1 2 4 Anlage zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1705 FF0 2012 2013 0 0 C D. C D 0 0 0 cl, 0 Q = 2014 2015 Summe 3 0 0 0 0 0 2 0 1 0 SPN 2012 0 0 C D 0 2013 • l - • .l . .l 0 C D 0 0 c :, CD 0 2014 2015 Summe 5 1 4 0 3 1 0 0 0 0 01 Gesamtsumme aller Kreise 160 51 54 25 18 12 18 38 27 12 19 Page 1 Page 2 Page 3 Page 4