Datum des Eingangs: 17.06.2016 / Ausgegeben: 22.06.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4416 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1760 der Abgeordneten Björn Lakenmacher, Barbara Richstein und Danny Eichelbaum CDU-Fraktion Drucksache 6/4184 Übergriffe auf nicht-muslimische Flüchtlinge in Brandenburger Flüchtlingsunterkünften Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Laut Presseberichten ist eine Studie veröffentlicht worden, nach der tausende aus Syrien und dem Irak geflohene Christen in deutschen Flüchtlingsheimen Gewalt und Drohungen ausgesetzt sind. Muslimische Flüchtlinge und Sicherheitspersonal sollen für die Übergriffe verantwortlich sein. Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben anhaltende Gewalt gegen Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten in deutschen Flüchtlingsunterkünften beklagt. In der Studie werden 231 Fälle aus Deutschland dokumentiert, die von Diskriminierung über Körperverletzung bis hin zu sexuellen Übergriffen und Todesdrohungen gehen. Der Iraner R. F. berichtete von Provokationen, Schikanen und Todesdrohungen in einer Brandenburger Unterkunft. Frage 1: Wie viele und welche tätlichen Angriffe und Straftaten sowie Diskriminierungsvorfälle auf christliche Flüchtlinge sowie zum Christentum konvertierte und andere nicht-muslimische Flüchtlinge in bzw. im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften im Land Brandenburg sind der Landesregierung seit Beginn des Jahres 2015 bekannt (bitte aufschlüsseln nach Landkreisen und kreisfreien Städten sowie Flüchtlingsunterkünften )? Frage 2: Wie viele dieser Angriffe und Straftaten sowie Diskriminierungsvorfälle hatten einen politisch oder religiös motivierten Hintergrund? Frage 4: Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über politische und religiöse Motive der Täter vor? Frage 7: In Bezug auf welche Vorschriften des Strafgesetzbuches wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet? Frage 8: In wie vielen Fällen kam es zur Einstellung, zur Anklage und zu einer Verurteilung der Täter? zu den Fragen 1, 2, 4, 7 und 8: Im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen der politisch motivierten Kriminalität“ (KPMD-PMK) werden u. a. Straftaten gemeldet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen ihrer Religion oder Weltanschauung gerichtet sind. Wie in der folgenden Übersicht aufgeführt, sind im Berichtszeitraum (1. Januar 2015 bis zum 24. Mai 2016) drei politisch-motivierte Straftaten zum Nachteil von nicht-muslimischen Flüchtlingen mit Tatort innerhalb einer Flüchtlingsunterkunft registriert worden. Politisch motivierte Straftaten zum Nachteil nicht-muslimischer Flüchtlinge lfd. Nr. Jahr Monat Delikt (§) Tatort Landkreis Verfahrensstand 1 2015 Juli 223 Fürstenwalde/Spree Oder-Spree Anklageerhebung zum AG 2 2015 Dezember 241 Guben Spree-Neiße Ermittlungen dauern an 3 2016 Mai 223 Oranienburg Oberhavel Ermittlungen dauern an Quelle: KPMD-PMK Aufgrund der polizeilich vorliegenden Sachverhaltsschilderungen wird bei der Tatausübung gezielt verbal auf die religiöse Zugehörigkeit des jeweils Geschädigten Bezug genommen. Das Glaubensbekenntnis als tatauslösendes Motiv wird durch die Geschädigten/Opfer jedoch selten angegeben. Eine umfassende Sachverhaltsbewertung wird somit deutlich erschwert. Das Tatmotiv kann dann nur im Rahmen weiterführender Ermittlungen erschlossen werden. Frage 3: Welche Staatsangehörigkeit haben die Täter dieser Angriffe und Straftaten sowie Diskriminierungsvorfälle? Welcher Religionsgemeinschaft gehören sie an? Wie viele der Täter gehören zum Sicherheitspersonal? zu Frage 3: Im Sinne der Frage kann die Landesregierung die Aussage treffen, dass alle vorgenannten Sachverhalte geklärt und insgesamt sechs Tatverdächtige ermittelt wurden. Die Staatsangehörigkeit der Täter schlüsselt sich wie folgt auf: Russische Förderation: ein Tatverdächtiger Afghanistan: ein Tatverdächtiger Pakistan: zwei Tatverdächtige Iran: zwei Tatverdächtige Zu zwei Personen ist die Religionszugehörigkeit gegenwärtig nicht bekannt. Vier Personen sind islamischen Glaubens. Keine dieser als Tatverdächtige ermittelten Personen gehört dem Sicherheitspersonal an. Frage 5: Gibt es Hinweise darauf, dass die Übergriffe auf christliche und nichtmuslimische Flüchtlinge systematisch oder geplant erfolgen und wenn ja, welche Gruppierungen stehen dahinter? zu Frage 5: Aufgrund des geringen Fallzahlenaufkommens in diesem Teilbereich der Politisch motivierten Kriminalität liegt kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Übergriffe auf christliche und nicht-muslimische Flüchtlinge systematisch oder geplant erfolgen. Frage 6: Welche polizeilichen Maßnahmen wurden im Zuge dieser Übergriffe durchgeführt ? Welche Probleme stellen sich bei der Ermittlung und Klärung des Sachverhalts ? zu Frage 6: Die Polizei des Landes Brandenburg handelte umfänglich im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages. Bei den in Rede stehenden Sachverhalten erfolgten die Aufnahme von Strafanzeigen, Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen sowie weitergehende Ermittlungsmaßnahmen. Im Fall der Bedrohung gemäß § 241 StGB wurde darüber hinaus gegenüber dem Tatverdächtigen eine Gefährderansprache durchgeführt . Zur Verhinderung von Straftaten werden eine verstärkte polizeiliche Streifentätigkeit im Bereich von Flüchtlingsunterkünften und die Sensibilisierung der Betreiber und des Wachpersonals hinsichtlich religiöser Konflikte vorgenommen. Nach Einzelfallprüfung wird in Absprache mit der ZABH oder der dafür zuständigen Ausländerbehörde durch die Polizei eine getrennte Unterbringung vorgeschlagen. Über die weitere strafrechtliche Verfahrensweise hat die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Probleme bei der Ermittlung und Klärung der Sachverhalte sind nicht bekannt. Frage 9: Welche Maßnahmen werden in Flüchtlingsunterkünften zum Schutz christlicher Flüchtlinge getroffen? zu Frage 9: Landkreise und kreisfreie Städte bleiben auch nach der Novellierung des Landesaufnahmegesetzes (LAufnG) zum 1. April 2016 für die Aufnahme und vorläufige Unterbringung Asylsuchender und ausländischer Flüchtlinge zuständig. Die Gewährleistung einheitlicher Mindestbedingungen der vorläufigen Unterbringung ist gem. § 10 Abs. 3 LAufnG durch Rechtsverordnung, welche durch das MASGF gegenwärtig erarbeitet wird, zu regeln. Bis zur Rechtskraft einer entsprechenden Verordnung bleiben die mit Runderlass des MASGF vom 8. März 2006 aufgestellten Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung nach der Erstattungsverordnung zum Landesaufnahmegesetz in Kraft. Demnach ist bei der Unterbringung Asylsuchender in Übergangswohnheimen, wie auch in anderen Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung, nach Möglichkeit den nationalen, ethnischen, kulturellen und religiösen Eigenheiten der aufzunehmenden Personen Rechnung zu tragen und sich daraus ergebenden möglichen Konfliktpotentialen frühzeitig entgegenzuwirken. Zu den Teilantworten c, d und e der Religionszugehörigkeit betreffend ist auszuführen, dass Fragen zur Glaubenszugehörigkeit bei der Einstellung grundsätzlich nicht erörtert werden, da diese kein Einstellungsmerkmal darstellen. a) Wird die Religionszugehörigkeit bei der Erstaufnahme erfasst? zu Frage 9 a): Ja, allerdings handelt es sich hierbei um eine freiwillige Angabe. b) Werden Opfer von tätlichen Angriffen, Straftaten und Diskriminierung getrennt untergebracht , um insbesondere ihre Aussagebereitschaft zu erhöhen? zu Frage 9 b): Kommt es in der Erstaufnahmeeinrichtung oder in den ihr zugeordneten Außenstellen zu Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern veranlasst die ZABH gemeinsam mit dem Betreiber in der Regel die getrennte Unterbringung durch Verlegungen in andere Wohnheime der Erstaufnahmeeinrichtung oder die Verteilung in die Kommunen. Gem. § 7 Abs. 1 LAufnG kann aus Gründen des öffentlichen Interesses , insbesondere der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder humanitären Gründen oder auf Antrag der aufgenommenen Person, eine landesinterne Umverteilung in einen anderen Landkreis/kreisfreie Stadt erfolgen. Über die Umverteilung entscheidet die für die aufgenommene Person zuständige Ausländerbehörde im Einver- nehmen mit der Ausländerbehörde, zu der die Umverteilung erfolgen soll. Das Einvernehmen zur Umverteilung ist insbesondere zu erteilen zur Beseitigung einer Gefahrenlage , die insbesondere von Familienangehörigen oder anderen Personen aus dem persönlichen Umfeld ausgeht und die einen Umzug in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Ausländerbehörde erfordert. Darüber hinaus liegen dem MASGF keine Kenntnisse vor. c) In wieweit werden nicht-muslimische Übersetzer eingesetzt? zu Frage 9 c): Über die Religionszugehörigkeit der in der Erstaufnahmeeinrichtung eingesetzten Dolmetscher liegen keine Informationen vor. d) Wie hoch ist der Anteil des muslimischen Wachpersonals in den Flüchtlingsunterkünften ? Wird darauf hingewirkt, dass der Anteil des nicht-muslimischen Wachpersonals erhöht wird? Wird das Wachpersonal regelmäßig im Hinblick auf religiöse Konfliktsituation in den Flüchtlingsunterkünfte geschult? zu Frage 9 d): Über die Religionszugehörigkeit des in der Erstaufnahmeeinrichtung eingesetzten Wachpersonals liegen keine Informationen vor. Das Wachschutzunternehmen wurde vertraglich verpflichtet, das von ihm eingesetzte Personal mindestens einmal jährlich weiterzubilden. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf den Grundsätzen der interkulturellen Kommunikation und der Konfliktvermeidung. e) Gibt es in den Flüchtlingsunterkünften Vertrauenspersonen christlichen Glaubens? zu Frage 9 e): Die explizite Benennung einer christlichen Vertrauensperson ist in der Erstaufnahmeeinrichtung bisher nicht erfolgt.