Datum des Eingangs: 06.07.2016 / Ausgegeben: 11.07.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4568 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1841 der Abgeordneten Bettina Fortunato Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/4391 Pflegeberufeausbildung Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller Seit Jahren bestehen deutschlandweit in der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus und in der ambulanten und stationären Versorgung von pflegebedürftigen Menschen gravierende Mängel. Hauptgründe sind personelle Unterbesetzung, Arbeitsüberlastung und schlechte Bezahlung. Die Bundesregierung plant eine Reform der Pflegeausbildung. Das neue Pflegeberufegesetz sieht vor, die bisherigen drei Ausbildungen in der Altenpflege , der Gesundheits- und Krankenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer dreijährigen gemeinsamen Ausbildung zusammenzulegen . Das soll den Beruf attraktiver machen, die Flexibilität in der Arbeit erhöhen und neue berufliche Perspektiven eröffnen. Insbesondere Altenpflegerinnen, Altenpfleger und Altenpflegeschulen, aber auch Kinderkrankenschwestern wenden sich gegen die Vereinheitlichung der Ausbildung. Frage 1: Wie viele Pflegekräfte fehlen bereits heute in der Altenpflege und in den Krankenhäusern (bitte Auflistung nach Pflegefachkräften und Pflegehilfskräften ) in Brandenburg? zu Frage 1: Die folgende Tabelle enthält die aktuellen Brandenburger Arbeitsmarktdaten der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Stand Mai 2016. Der Tabelle ist zu entnehmen, wie viele Personen der genannten Berufsgruppen in Brandenburg arbeitslos gemeldet sind und wie viele offene Arbeitsstellen, die bei der BA gemeldet sind, dem gegenüberstehen . Beruf/Berufsgruppe Anforderungsni - veau Arbeitslose Gemeldete Arbeitsstellen Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege , Krankenpflegehilfe, Rettungsdienst , Geburtshilfe Helfer 214 37 Fachkraft 167 313 Altenpflege Helfer 1.673 369 Fachkraft 101 423 Die Übersicht zeigt, dass jeweils im Fachkraftbereich beider aufgelisteten Berufsgruppen die Anzahl der gemeldeten offenen Stellen die der arbeitslos gemeldeten Fachkräfte übersteigt. Anders sieht es bei den Hilfskräften aus. Hier überwiegt die Anzahl der arbeitslos gemeldeten Personen. Die Zahlen weisen auf einen Fachkräftemangel bei den genannten Berufsgruppen hin. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass nicht alle offenen Stellen der BA gemeldet werden. Frage 2: Wie viele Altenpfleger/innen, Gesundheits- und Krankenpfleger/innen und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen werden in Brandenburg derzeit ausgebildet? zu Frage 2: Zum Stichtag 30.11.2015 befanden sich in Brandenburg 1.728 Auszubildende in der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung, 90 Auszubildende in der Gesundheitsund Kinderkrankenpflegeausbildung und 1.702 Auszubildende in der Altenpflegeausbildung . Frage 3: Welche Einrichtungen an welchen Standorten mit welchen Kapazitäten stehen für die Pflegeausbildung in Brandenburg derzeit zur Verfügung? zu Frage 3: In Brandenburg bestehen an 22 Standorten (Bad Saarow, Beelitz, Bernau, Brandenburg , Cottbus, Eberswalde, Eisenhüttenstadt, Frankfurt, Klettwitz, Kleinmachnow, Lübben, Lübbenau, Luckenwalde, Neuruppin, Oranienburg, Paulinenaue, Perleberg, Potsdam, Prenzlau, Pritzwalk, Straußberg, Treuenbrietzen) insgesamt 18 staatlich anerkannte Gesundheits- und Krankenpflegeschulen, 3 staatlich anerkannte Gesundheits - und Kinderkrankenpflegeschulen sowie 18 staatlich anerkannte Altenpflegeschulen . Diese Schulen verfügen aufgrund ihrer räumlichen, sächlichen und personellen Ausstattung über eine berufsrechtlich anerkannte Gesamtkapazität von 4.620 Ausbildungsplätzen (davon 2.214 in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie Gesundheits - und Kinderkrankenpflege und 2.406 in der Altenpflege). Eine Übersicht über die einzelnen Schulen und Standorte ist auf der Internetseite www.service.brandenburg.de (unter Adressen/weitere Verzeichnisse /Gesundheitswesen, Ausbildungsstätten für Fachberufe) abzurufen. Frage 4: Wie hat sich die Zahl der Ausbildungseinrichtungen für Alten-, Kinderkranken - sowie Gesundheits- und Krankenpflege in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? zu Frage 4: Im Jahr 2005 bestanden in Brandenburg 15 staatlich anerkannte Gesundheits- und Krankenpflegeschulen, 3 staatlich anerkannte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegeschulen und 13 staatlich anerkannte Altenpflegeschulen1. Frage 5: Wie hat sich die Anzahl der Schüler/innen in den vergangenen zehn Jahren in den Bildungsgängen Gesundheits- und Krankenpflege sowie Altenpflege entwickelt? zu Frage 5: Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den jeweiligen Bildungsgängen ist der nachfolgenden Tabelle (Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) zu entnehmen: Ausbildungsgang 200 6 200 7 200 8 200 9 201 0 201 1 201 2 201 3 201 4 201 5 Gesundheitsund Krankenpflege 1.89 0 1.85 1 1.76 8 1.78 6 1.86 5 1.92 4 1.85 4 1.70 6 1.66 6 1.72 8 Gesundheitsund Kinderkrankenpflege 59 56 41 64 55 56 42 35 67 90 Altenpflege k.A. 962 1.04 7 1.29 8 1.41 8 1.46 5 1.47 8 1.63 2 1.71 6 1.70 2 Frage 6: Wie schätzt die Landesregierung den Bedarf an Fachkräften für die pflegerische Versorgung im Krankenhaus und in der ambulanten und stationären Versorgung von pflegebedürftigen Menschen für die nächsten 5 bis 10 Jahre ein? zu Frage 6: Fachkräftebedarf insgesamt: Zwischen Dezember 2013 und Dezember 2014 wurde durch das Institut für sozialökonomische Strukturanalysen (SÖSTRA) und das Institut für Medienforschung und Urbanistik (IMU) eine Einrichtungsbefragung zur Situation in ausgewählten Gesundheitsfachberufen in Berlin-Brandenburg durchgeführt2. Für die Gesundheits- und Krankenpflege kommt die Analyse zu dem Ergebnis, dass eine deutliche Steigerung des Beschäftigtenbestandes zu erwarten ist. In Brandenburg entsteht insgesamt bis 2020 ein Fachkräfteneubedarf von 4.900 bis 8.000 Beschäftigten und bis 2030 von weiteren 6.700 bis 9.800 Beschäftigten. Für die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege ist der Analyse zufolge mit einer schwachen Nachfrage nach Fachkräften für die Zeit bis 2030 zu rechnen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass die Bestandsentwicklung und die Fluktuation wesentlich stärker von strukturellen Rahmenbedingungen beeinflusst werden und insofern die Entwicklungsprognosen nur plausible Trends abbilden. Für die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege wird im Zeitraum bis 2030 in Berlin und Brandenburg insgesamt ein Neubedarf an Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger /innen in der Größenordnung von 800 bis 1.200 Beschäftigten prognostiziert. Für die Altenpflege ist ein enormer Fachkräftebedarf zu erwarten, so die Analyse. In Brandenburg entsteht insgesamt bis 2020 ein Fachkräfteneubedarf von 5.200 Beschäftigten und bis 2030 von weiteren 7.800 Beschäftigten. Fachkräftebedarf in der ambulanten und stationären Versorgung von pflegebedürftigen Menschen: Die Anzahl pflegebedürftiger Menschen nach SGB XI wird sich nach einer Status- Quo- Projektion, die von alters- und geschlechtsspezifisch- gleichbleibender Pflegeprävalenz ausgeht, in Brandenburg in den nächsten zehn Jahren wie folgt entwickeln : Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 Insge - samt 102.9 53 106.6 11 110.2 77 113.4 98 116.2 95 119.2 68 122.9 10 126.1 86 128.8 34 130.9 11 133.2 09 136.0 84 138.2 07 139. 852 Bei gleichbleibender Inanspruchnahme von Pflegedienstleistungen durch pflegebedürftige Menschen und einem gleichbleibendem Anteil an Pflegefachkräften in Pflegediensten und -einrichtungen, ergäben sich folgende Fachkräftebedarfe: Jahr 201 3 201 4 201 5 201 6 201 7 201 8 201 9 202 0 202 1 202 2 202 3 202 4 202 5 202 6 Altenpflege 6.05 0 6.29 6 6.54 8 6.76 7 6.96 1 7.17 0 7.43 4 7.68 1 7.88 1 8.03 9 8.21 4 8.44 9 8.63 6 8.78 6 Gesundheitsund Krankenpflege 5.40 1 5.61 8 5.84 0 6.03 4 6.20 4 6.38 7 6.61 7 6.82 9 7.00 2 7.13 7 7.28 7 7.48 3 7.63 5 7.75 4 Gesundheitsund Kinderkrankenpflege 431 448 466 481 495 509 527 544 558 568 580 595 607 616 Dieser Prognose folgend müsste ausgehend vom Jahr 2013 die Anzahl der Altenpflegekräfte in Pflegediensten und -einrichtungen bis 2026 um rund 2.700 Beschäftigte , die Anzahl der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte um rund 2.300 Beschäf- tigte und die Anzahl der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegekräfte um 185 Beschäftigte steigen. Frage 7: Welche Kapazitätsentwicklung an den Ausbildungseinrichtungen wäre aus Sicht der Landesregierung im Land Brandenburg nötig? zu Frage 7: Die derzeitigen Ausbildungskapazitäten an den staatlich anerkannten Ausbildungsstätten werden abgesehen von der Ausbildung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nicht vollständig ausgeschöpft. Eine Kapazitätserhöhung ist bei Vorliegen der entsprechenden räumlichen, sächlichen und personellen Voraussetzungen möglich . Im Bereich der Altenpflege kann nur ein Teil der von den Ausbildungsbetrieben angebotenen Ausbildungsplätze besetzt werden. Die Verbesserung der Attraktivität der Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen in der Pflege gehört daher zu den zentralen Zielen der Brandenburger Pflegeoffensive. Frage 8: Wie bewertet die Landesregierung den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf? zu Frage 8: Mit dem Gesetzentwurf wird die Dreigliederung der Pflegeausbildung in Gesundheitsund Kinderkrankenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Altenpflege aufgehoben und grundsätzlich neu strukturiert. Eine generalistisch ausgerichtete Pflegeausbildung ist in vielen anderen europäischen Ländern Standard. Sie wird den Anforderungen des demographischen Wandels und den veränderten Versorgungsbedarfen und -strukturen eher gerecht als die bisherige spezialisierte Pflegeausbildung. Im Krankenhaus müssen zunehmend ältere, oftmals dementiell und/oder mehrfach erkrankte Menschen gepflegt werden. Zugleich steigt in stationären Pflegeeinrichtungen und bei ambulanten Pflegediensten der Bedarf an behandlungspflegerischen Kompetenzen. Diesen Anforderungen wird eine generalisierte Ausbildung grundsätzlich besser gerecht. Obgleich der Gesetzentwurf an vielen Stellen der Nachbesserung bedarf, liegen die Vorteile klar auf der Hand: Einheitliche Finanzierung mit Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung – damit werden endlich Ausbildungsvergütungen in der Pflege flächendeckend auf tariflichem Niveau gezahlt werden. Leichterer Wechsel zwischen den einzelnen Pflegebereichen Einführung eines Pflegestudiums als Ergänzung zur beruflichen Pflegeausbildung Mittelfristige Verbesserung der Bezahlung und der Beschäftigungsbedingungen , insbesondere in der Altenpflege durch einen Wettbewerb zwischen den Branchen und deren Arbeitgebern um die Pflegefachkräfte Frage 9: Welchen Änderungsbedarf sieht die Landesregierung? zu Frage 9: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist in erster Lesung im Bundesrat beraten worden. Das Verfahren war mit Blick auf die Fristen hoch problematisch und der Bedeutung des Vorhabens nicht angemessen. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist das vorgesehene Inkrafttreten zum 01.12.2018, das aus Sicht der Länder insbesondere wegen der neuen Finanzierung und den dafür notwendigen Vorbereitungen nicht umsetzbar ist. Hinzu kommt, dass die entsprechende Verordnung bislang auch nicht im Entwurf vorliegt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung entgegen früherer Zusagen die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung nicht zum Bundesratsverfahren vorgelegt . Die nunmehr vorliegenden Eckpunkte schaffen nur bedingt Klarheit über die konkrete Ausgestaltung der generalistischen Ausbildung. Aus Sicht der Landesregierung kann damit noch nicht hinreichend bewertet werden, ob die Absicht auch fachlich gut umgesetzt wird und die bisherigen Ausbildungen und die dort zu vermittelnden Kompetenzen angemessen abgebildet werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Umsetzung der Struktur-Qualitätsanforderungen gemäß der Qualitätssicherungs -Richtlinie für Früh- und Reifgeborene des Gemeinsamen Bundesauschusses für die Ausbildungsanteile der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Sollte durch die Reform der Pflegeberufe der Bedarf an neu ausgebildeten Gesundheits - und Kinderkrankenpflegekräften in quantitativer und in qualitativer Hinsicht nicht gedeckt werden können, wird es unmöglich werden, die Anforderungen der Richtlinie zu erfüllen. Damit wäre die frühkindliche Versorgung in Brandenburg gefährdet . Ein weiteres Problem stellen die vorgesehenen Pflichteinsätze in der Kinderkrankenpflege für alle Auszubildenden dar. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die notwendigen Kapazitäten flächendeckend zur Verfügung stehen. Daher ist absehbar, dass es zu Engpässen bei dem pädiatrischen Pflichteinsatz kommen wird.