Datum des Eingangs: 07.07.2016 / Ausgegeben: 12.07.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4578 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1822 der Abgeordneten Gerrit Große Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/4353 Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen außerhalb Brandenburgs Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Die auswärtige Unterbringung stellt in vielerlei Hinsicht ein Problem für die Kinder- und Jugendhilfe dar. Sie schafft eine große Distanz zu den Herkunftsfamilien und den bisherigen Bezugspersonen, was in der Regel fachlich nicht gewollt sein kann. Sie schafft Probleme bei der Aufsicht der auswärtigen Einrichtungen und sie kann auch finanziell problematische Folgen haben. Der mit dem Kinderschutzgesetz ins SGB VIII gekommene § 79a verlangt von den öffentlichen Trägern, Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität sowie geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung zu entwickeln. Auch vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die auswärtige Unterbringung kritisch auszuwerten Ich frage die Landesregierung: Frage 1: Wie viele Kinder, Jugendliche und Jungerwachsene werden insgesamt von den Landkreisen und kreisfreien Städten nach §§ 33, 34, 35 und 35a SGB VIII mit Stand 31.3.2016 auswärtig untergebracht? Wo erfolgt die Unterbringung (nach Bundesländern)? Wie hoch sind die dazugehörigen Kosten? (Bitte getrennt für die jeweiligen Altersgruppen und die Landkreise und kreisfreien Städte angeben) Frage 2: Wie viele der auswärtig untergebrachten Kinder und Jugendlichen sind Mädchen und wie viele sind Jungen? (Bitte Anzahl und Anteile nennen und nach Bundesländern und Alter aufschlüsseln) Frage 3: Wie hoch ist die durchschnittliche Dauer einer auswärtigen Unterbringung? (Bitte für Mädchen und Jungen getrennt angeben) Frage 4: Wie hoch ist der Anteil der auswärtigen Unterbringungen an der Gesamtzahl der jeweiligen Unterbringungen nach §33, 34, 35 und 35a SGB VIII? (Bitte Angabe für die jeweiligen Landkreise und kreisfreien Städte ausweisen) Frage 5: Wie verteilen sich die Kinder und Jugendlichen aus Brandenburg, die auswärtig untergebracht sind, auf die Landkreise und kreisfreien Städte? Vorbemerkungen der Landesregierung: Die Landesregierung sieht in Übereinstimmung mit den allgemein vertretenen fachlichen Auffassungen in der Jugendhilfe eine wohnortnahe Fremdunterbringung im Regelfall für sinnvoll an, um die Kontakte der fremduntergebrachten Kinder und Jugendlichen zum gewohnten Umfeld zu erhalten und eine intensive Elternarbeit zu ermöglichen (§ 1 Abs. 3 SGB VIII). Eine Fremdunterbringung in einem anderen Bundesland sollte nur in begründeten Einzelfällen oder dann erfolgen, wenn eine spezielle Angebotsform oder ein besonderes Hilfearrangement erforderlich ist. zu den Fragen 1 bis 5: In der Statistik der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen, Hilfe für junge Volljährige des Statistischen Landesamtes Berlin-Brandenburg wird nicht erhoben, ob die Unterbringung nach §§ 33, 34, 35 und 35a SGB VIII außerhalb des Landes Brandenburg erfolgt. Aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung liegen diese Daten lediglich den brandenburgischen Jugendämtern vor, die nicht berichtspflichtig sind. Der Landesregierung liegt lediglich die Anzahl der zum Stichtag 31.12.2014 in Pflegefamilien und Heimen von den Jugendämtern in Brandenburg insgesamt untergebrachten Minderjährigen nach §§ 33, 34 und 35 SGB VIII vor: § 1 Tabelle 1: Stationäre Hilfen im Land Brandenburg zum Stichtag 31.12.2014 Landkreis/kreisfreie Stadt Vollzeitpflege § 33 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform § 34 intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung § 35 Brandenburg an der Havel 39 154 20 Cottbus 97 140 – Frankfurt (Oder) 42 146 – Potsdam 64 164 6 Barnim 199 136 2 Dahme-Spreewald 101 187 4 Elbe-Elster 157 93 – Havelland 76 203 11 Märkisch-Oderland 167 279 1 Oberhavel 203 240 4 Oberspreewald-Lausitz 87 139 – Oder-Spree 128 185 – Ostprignitz-Ruppin 147 118 2 Potsdam-Mittelmark 127 178 4 Prignitz 67 48 – Spree-Neiße 108 151 – Teltow-Fläming 182 200 – Uckermark 97 149 – Land Brandenburg 2.088 2.910 54 Quelle: Statistisches Landesamt Berlin-Brandenburg Das Verhältnis von begonnenen und beendeten Hilfen stellt sich für das Jahr 2014 wie folgt dar: § 2 Tabelle 2: Anzahl der begonnenen und beendeten Hilfen/Beratungen im Land Brandenburg 2014 Vollzeitpflege § 33 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform § 34 intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung § 35 begonnene Hilfen 2014 378 1.493 51 beendete Hilfen 2014 364 1.505 67 Quelle: Statistisches Landesamt Berlin-Brandenburg Bezogen auf die Anzahl der Eingliederungshilfen für seelisch behinderte junge Menschen gemäß § 35a SGB VIII sind zum Stichtag 31.12.2014 insgesamt 2.213 Hilfen im Land Brandenburg statistisch ausgewiesen. Es ist jedoch nicht bekannt, wie viele dieser Hilfen im Rahmen einer stationären Unterbringung und wie viele ambulant erfolgen . Frage 6: Wie viele und welche auswärtige Einrichtungen verfügen über einen Raum, in dem Kinder beziehungsweise Jugendliche isoliert untergebracht werden können , wie zum Beispiel einen Timeout-Raum? zu Frage 6: Time-Out-Räume gibt es ausschließlich in Jugendhilfeeinrichtungen, die u.a. mit freiheitsentziehenden Maßnahmen arbeiten. Bundesweit existieren aktuell 14 derartige Jugendhilfeeinrichtungen. Deren Leitungskräfte haben sich im Arbeitskreis GU14+plus zusammengeschlossen. Ob diese Einrichtungen über Time-Out-Räume verfügen, ist nicht bekannt. Im Land Brandenburg gibt es derartige Räume nicht. § 3 Tabelle 3: Jugendhilfeeinrichtungen mit Time-Out-Räumen Bundesland Name der Einrichtung Baden-Württemberg Sozialpädagogische Einrichtung Niefernburg Baden-Württemberg St. Franziskusheim Rheinmünster Baden-Württemberg LBZ St. Anton Baden-Württemberg Jugendeinrichtung Schloss Stutensee Bayern Caritas Mädchenheim Gauting Bayern Rummelsberger Dienste für junge Menschen gGmbH Bayern Evang. Kinder- und Jugendhilfe Würzburg Bayern Kinderzentrum St. Vincent Regensburg Bayern Jugendwerk Birkeneck gGmbH Hallbergmoos Hessen Jugendhilfezentrum Don Bosco Sannerz Niedersachsen Caritas-Sozialwerk Lohne Nordrhein-Westfalen ViaNobis – Die Jugendhilfe I Schloss Dilborn Nordrhein-Westfalen Alexianer Martinistift GmbH Rheinland-Pfalz Jugendheim Mühlkopf Rodalben Quelle: http://www.geschlossene-heime.de Frage 7: Wie viele und welche auswärtigen Einrichtungen regeln in der Eingangsphase Kontakte gegenüber Eltern und Verwandten, zum Beispiel auch durch Verbot der Kontaktaufnahme? Frage 8: Wie viele und welche auswärtigen Einrichtungen haben ein Phasenmodell beziehungsweise einen Stufenvollzug in ihrer pädagogischen Konzeption? Frage 9: Wie viele und welche Träger beziehungsweise Einrichtungen verfügen über eine hauseigene Beschulung? zu den Fragen 7 bis 9: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erhebungen vor. Es ist davon auszugehen, dass diese Daten bei den Heimaufsichten in den jeweiligen Bundesländern vorliegen. Frage 10: Wie viele und welche Träger verfügen über ein Beschwerdemanagement? zu Frage 10: § 45 Abs. 2 SGB VIII sieht als Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis vor, dass die Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten gegeben sein muss. Deshalb ist davon auszugehen, dass alle nach § 45 SGB VIII erlaubten Einrichtungen über ein Beschwerdemanagement verfügen. Die Erfahrungen in der Praxis zeigen aber, dass dies sehr einrichtungsspezifisch ausgestaltet wird und sich deshalb die Möglichkeiten für den Zugang zu den Beschwerdestellen recht unterschiedlich darstellen. Frage 11: Wie organisieren die Landkreise und kreisfreien Städte bzw. das Land die Aufsicht über diese auswärtigen Einrichtungen? zu Frage 11: Die Erteilung der Betriebserlaubnis und die Aufsicht nach §§ 45 ff. SGB VIII über die auswärtigen Einrichtungen liegen in Verantwortung der Aufsichtsbehörden der jeweiligen Länder. Die unterbringenden Jugendämter sind für das Kindeswohl der von ihnen untergebrachten Kinder und Jugendlichen verantwortlich, die örtlich zuständigen Jugendämter werden tätig bei Kindeswohlgefährdung.