Datum des Eingangs: 08.07.2016 / Ausgegeben: 13.07.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4588 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1833 der Abgeordneten Andrea Johlige Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/4375 Berichterstattung über sogenannte Reichsbürger in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: In der ARD-Sendung Kontraste vom 9.6.2016 wird ein Mitarbeiter des Brandenburger Verfassungsschutzes zitiert, dass die Szene sich zunehmend radikalisiere. Er sagt in der Sendung: „Wir beobachten mit großer Sorge, dass im Reichsbürgermilieu Waffen eine große Rolle spielen. In der Vergangenheit hat die Polizei bei verschiedenen Hausdurchsuchungen Waffenfunde gemacht , auch große Mengen an Munition gefunden. Und es ist nicht auszuschließen, dass Reichsbürger Waffen einsetzen, um die Gesellschaft in die Richtung zu drängen , die sie sozusagen aus ihren Theorien ableiten.“ In der Drucksache 6/3298, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Sogenannte Reichsbürger in Brandenburg “ vom 13.1.2016 ist von solchen alarmierenden Tendenzen keine Rede. Im Bericht ist ebenfalls von Kontakten der Reichbürger zur AfD gesprochen. Außerdem wird berichtet, dass die Existenzgründung eines Militaria-Ladens in Cottbus, der einer sogenannten Reichsbürgerin gehört, durch das Land gefördert wurde. Vorbemerkung: Im Rahmen seines Unterrichtungsauftrags befasst sich der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg seit vielen Jahren mit dem „Reichsbürger“- Milieu und pflegt einen intensiven Austausch mit den Kommunal-, Polizei- und Finanzbehörden sowie den Gerichten des Landes. Seit Beginn des Jahres 2016 häufen sich die Hinweise auf eine deutlich zunehmende Aggressivität des Milieus im kommunalen Bereich sowie der Justiz. Beleidigende Schreiben an Verwaltungsmitarbeiter und aggressive „Auftritte“ in den Ämtern zeugen von einem abgrundtiefen Hass des „Reichsbürger“-Milieus auf das politische System und seine Repräsentanten . Aktuell lässt sich eine deutliche Radikalisierung von zwei „Reichsbürger“- Gruppierungen erkennen, die vom Verfassungsschutz des Landes Brandenburg als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eingeschätzt werden. Die moralische und politische Rechtfertigung und Verteidigung des historischen Nationalsozialismus bildet mittlerweile ein herausragendes Motiv dieser Bestrebungen . Zudem orientiert sich das „Reichsbürger“-Milieu im Zuge der rechtsextremistisch beeinflussten „Anti-Asyl-Kampagne“ vermehrt an völkischem Gedankengut . Mit völkisch ist die Orientierung an einer Bluts- und Abstammungsgemeinschaft gemeint. Der Erfahrung nach erhöht ein solches Konglomerat an ideologischen Auf- fassungen bei einzelnen Personen oder kleinen und marginalen Gruppen den politischen Handlungsdruck, durch Gewalt die eigene politische Machtlosigkeit zu überwinden und gesellschaftliche Reaktionen zu provozieren. Sowohl der Bericht des politischen Magazins „Kontraste“ in der ARD am 09. Juni 2016 als auch ein vorangegangener Bericht mit dem Titel „Ein Volk, viele Reiche, noch mehr Führer“ auf „ZEIT online“ vom 20. April 2016 bündeln und veranschaulichen diese konkreten Befürchtungen des Brandenburger Verfassungsschutzes, einiger anderer Landesverfassungsschutzämter und des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das Interview mit dem Magazin „Kontraste“ bezieht sich auf diese ideologischen Zusammenhänge und die Tatsache, dass es in den vergangenen Monaten Gerichtsprozesse gab, bei denen u. a. „Reichsbürger“ zu Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie Gerichtsvollzieher angegriffen („Reichsbürger“ aus Meißen, Dresden, Zwickau und Spremberg), teilweise illegale Waffen besaßen (Zwickau) oder versucht hatten, sich Waffen zu beschaffen (Nordrhein-Westfalen). In Hessen hatte die Polizei im Juli 2015 bei einem Reichsbürger mehrere tausend Schuss Munition, zahlreiche Lang- und Kurzwaffen und viele weitere Gegenstände, die zum Teil unter das Kriegswaffen-Kontrollgesetz fallen, gefunden. Frage 1: Wann und wo fanden die Hausdurchsuchungen, von denen im Bericht die Rede ist, statt und welche Waffen und Munition in welchen Mengen wurden gefunden ? Welche Delikte wurden den Personen vorgeworfen und welchen Bezug gab es dabei zum Reichsbürgermilieu bzw. zu Gruppierungen des Milieus? (Bitte aufschlüsseln nach Datum, Ort, Delikt, Waffenfund, Bezug zum Reichsbürgermilieu /Gruppierung und Stand des Verfahrens aufschlüsseln!) zu Frage 1: Über Hausdurchsuchungen und Waffenfunde außerhalb des Landes Brandenburg kann keine Auskunft gegeben werden. In Brandenburg wurden wie nachstehend aufgeführt in den letzten Jahren u. a. sowohl legale als auch illegale Waffen bei Reichsbürgern festgestellt. Exekutivmaßnahmen gegen den Verein „Deutsches Polizeihilfswerk (DPHW)“ am 27. Februar 2013 in den Ländern Sachsen und Brandenburg (Spremberg) In einem von der Staatsanwaltschaft Dresden geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung wurden in den Ländern Sachsen und Brandenburg zeitgleich insgesamt neun Durchsuchungsbeschlüsse, davon einer im Landkreis Spree-Neiße in Spremberg, vollstreckt. Der Verein „Deutsches Polizeihilfswerk“ (DPHW) gründete sich Mitte des Jahres 2012, bezeichnete sich selbst als Bürgerwehr, stellte sich der Öffentlichkeit sichtbar in eigener (polizeiähnlicher ) Uniform dar und wirkte vor allem verhindernd im Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen von Gerichtvollziehern. Im Rahmen der Durchsuchungen konnte eine Vielzahl von Beweismitteln (u. a. Uniformen, Mitgliedsausweise, - anträge, Vereinsunterlagen, Datenträger und Mobiltelefone) beschlagnahmt werden. Im Durchsuchungsobjekt in Spremberg wurden u. a. 64 Mitgliedsanträge, Schulungsunterlagen , Uniformen, Messer, Tonfa, Zuführketten und Einwegfesseln sichergestellt . Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses und Verstoß gegen das Waffengesetz am 04. Juni 2014 in Schöneiche (Brandenburg) In einem von der Staatsanwaltschaft Berlin durchgeführten Verfahren wegen Volksverhetzung erfolgte am 04. Juni 2014 in Schöneiche eine Durchsuchung bei einem 50-Jährigen Mann, welcher sich selbst als „Reichsbürger“ bezeichnet. Auf dem etwa 1500 Quadratmeter großen Grundstück wurden mit Unterstützung zweier Sprengstoffspürhunde zwei Gewehre und eine Zwille aufgefunden und beschlagnahmt. Vorläufige Festnahme eines „Reichsbürgers“ und Beschlagnahme eines Bajonetts am 29. Januar 2016 in Senftenberg Am 29. Januar 2016 fand eine Versammlung des Brandenburger PEGIDA – Ablegers „BraMM“ in Senftenberg störungsfrei statt. Im Vorfeld der Versammlung wurde ein „Reichsbürger“ wegen Vorliegens eines Erzwingungshaftbefehls vorläufig festgenommen und das von ihm mitgeführte Bajonett beschlagnahmt. Frage 2: Gibt es weitere Erkenntnisse der Landesregierung zum Waffenbesitz durch sogenannte Reichsbürger? Wenn ja, bitte aufschlüsseln nach Ort und Bezug zum Reichsbürgermilieu/Gruppierung! zu Frage 2: Es wird auf den Bericht des Fernsehmagazins „Kontraste“ verwiesen. Dort wurde am Beispiel Cottbus ein entsprechender Zusammenhang zur Gruppierung „Freistaat Preußen“ für die Öffentlichkeit dokumentiert. Ferner gab es einen anonymen Hinweis zu Schießübungen im Milieu der „Exilregierung Deutsches Reich“ in Brandenburg. Der Hinweis konnte allerdings bislang nicht bestätigt werden. Frage 3: Welche weiteren Anhaltspunkte hat die Landesregierung für die im Bericht angesprochene Radikalisierung der Szene? zu Frage 3: Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 4: Liegen der Landesregierung Informationen zu Kontakten, gemeinsamen Aktivitäten bzw. der Zusammenarbeit sogenannter Reichsbürger mit der AfD vor? Wenn ja, bitte beschreiben, welcher Art diese sind! zu Frage 4: Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) fällt nicht unter den Beobachtungsauftrag des Brandenburger Verfassungsschutzes. Frage 5: Hat die Landesregierung seit der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage „Sogenannte Reichsbürger in Brandenburg“ in Drucksache 6/3298 neue Erkenntnisse zum Reichsbürgermilieu im Sinne der damaligen Fragestellung der Fragen 1 bis 6 erlangt? Wenn ja welche? zu Frage 5: Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 6: Wie stellt sich der im Bericht angesprochene Fall der Existenzgründung eines Militaria-Ladens einer sogenannten Reichsbürgerin in Cottbus aus Sicht der Landesregierung dar? In welcher Höhe wurde diese Existenzgründung durch das Land gefördert und gibt es weitere bekannte Fälle, bei denen Personen des Reichsbürgermilieus Fördermittel des Landes erhalten haben? zu Frage 6: Die in Rede stehende Unternehmensinhaberin wurde im Jahr 2010 in der Gründungswerkstatt „Zukunft Lausitz“ in Cottbus bei der Vorbereitung ihrer Selbständigkeit beraten. Zu diesem Zeitpunkt war sie den „Reichsbürgern“ nicht verbunden . Eine Bezifferung der Aufwendungen für genau diesen Fall der Gründungsunterstützung durch die Gründungswerkstatt ist nicht möglich, weil durch das Personal der Gründerwerkstatt erbrachte Leistungen nicht kostenstellenartig auf einzelne Gründerinnen und Gründer umgelegt werden können. Es sind keine Fälle einer Existenzgründungsförderung von Anhängern der Reichsbürgerbewegung bekannt. Frage 7: Wie schätzt die Landesregierung die sogenannte Reichsbürgerbewegung aktuell ein? Geht von dieser eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aus? Wie beurteilt die Landesregierung das Wirken der sogenannten Reichsbürger und wie schätzt die Landesregierung die Gewaltbereitschaft der Anhänger ein? zu Frage 7: Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung, die Bewertungen in den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2012 bis 2014 sowie auf das im Jahr 2015 veröffentlichte Handbuch „Reichsbürger“ – Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung (demos) - wird verwiesen.