Datum des Eingangs: 08.07.2016 / Ausgegeben: 13.07.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4590 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1837 der Abgeordneten Isabelle Vandre Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/4384 Kunstaktionen und Banner gegen Neonazis und Rassist_innen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Als die Semperoper im November vergangenen Jahres nach monatelangen, nahezu wöchentlichen Pegida Ansammlungen auf dem Dresdner Theaterplatz vor der Oper Fahnen mit Botschaften wie u.a. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, „Türen auf“ und „Herz auf“ hisste, sowie sich mit Bannern und Videobildern gegen Pegida und deren Inhalte positionierte, erlangte die Semperoper bundesweite Anerkennung und Zuspruch von zivilgesellschaftlich Akteur _innen, die sich gegen Rassist_innen engagieren. Auch die Investitionsbank des Landes Brandenburg bekannte sich Ende Januar diesen Jahres, als Pogida sich am Potsdamer Hauptbahnhof direkt vor der Baustelle des ILB traf, eindeutig zum Bündnis für Brandenburg, welches zur Unterstützung von Geflüchteten gegründet wurde und erteilte damit Pogida und Co. eine Absage. Bundesweit ist diese Art der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Rassismus zum Glück keine neue Aktionsform, sondern wird seit Jahren immer wieder von politisch Verantwortlichen in Kommunen und Land, Kunstschaffenden und anderen Akteur_innen praktiziert. Für Aufsehen sorgten in den vergangenen Monaten jedoch mehrere Fälle, z.B. in Templin und Rathenow, in denen im Rahmen von Veranstaltungen der NPD, des Bürgerbündnisses Havelland und weiteren Akteuren, Banner durch die Polizei entfernt wurden. So wurde am 5. März ein Banner der Stadtverordneten Templins mit deren Botschaft gegen die NPD und für Toleranz vom Historischen Rathaus abgenommen. Medienberichten zur Folge begründete die Polizei dies mit „Deeskalation“. In Rathenow war der Entfernung der Karikatur am 26. April 2016, die „Dem Kayser von Rathenow“ gewidmet gewesen ist, eine Anzeige durch den Mitbegründer des Bürgerbündnisses Havelland, C. K., vorausgegangen. Dieser sah in dem am Kulturhaus Rathenow durch die „Freunde der toten Kinder“ befestigten Banner eine Beleidigung seiner Person. Die Geschäftsführerin des Kulturhauses formulierte unter Berufung auf Artikel 5 des Grundgesetzes, sowie die Kunstfreiheit, ihr Unverständnis über das Agieren der Polizei, die mit Entfernung des Banners auf die Anzeige reagierte. Frage 1: Wie beurteilt die Landesregierung das Agieren der Brandenburger Polizei im Hinblick auf das Entfernen von Transparenten generell? Wie bewertet die Landes- regierung antirassistische Positionierungen durch öffentliche Institutionen in diesem Zusammenhang? zu Frage 1: Transparente stellen eine Möglichkeit zur Bekundung des politischen Willens sowie einer politischen Interessenlage dar. Eine Entfernung durch die Polizei erfolgt lediglich – nach entsprechender Ermessensausübung – bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Anfangsverdacht einer Straftat (z. B. § 185 StGB) oder Ordnungswidrigkeit (z. B. § 118 OWiG) vorliegt. Antirassistische Positionierungen durch öffentliche Institutionen stellen Meinungsäußerungen dar. Die Meinungsfreiheit im Sinne des Art. 5 GG steht jedoch nur Deutschen, Ausländern und inländischen juristischen Personen i. S. des Art. 19 Abs. 3 GG zu. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich lediglich auf die justiziellen Grundrechte wie Art. 101 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG, ansonsten grundsätzlich nicht auf die Grundrechte berufen, da sie lediglich Adressaten und nicht Träger von Grundrechten sind. Frage 2: Wie bewertet die Landesregierung das Entfernen von Bannern seitens der Polizei in folgenden Fällen konkret? Kam es zu Beschlagnahmungen? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte das Entfernen bzw. die Beschlagnahmung jeweils? - 22.01.16: Entfernen zweier Transparente am Gebäude der FHP gegenüber des Landtages im Rahmen einer AfD-Kundgebung (Bitte auch die Rechtsgrundlage des Betretens eines Hochschulgebäudes seitens der Polizei erklären. Lag hierfür das Einverständnis der Fachhochschulleitung vor?) - 18.02.16: Entfernung eines Transparentes über die Großbeerenstraße in Potsdam im Vorfeld einer PoGiDa-Demo - 05.03.16: Veranlassung der Entfernung eines Banner der Stadtverordneten Templins - 26.04.16: Entfernung der Karikatur die „Dem Kayser von Rathenow“ zu Frage 2: - Ereignis am 22. Januar 2106 in Potsdam: Es ist nicht bekannt, wer die in der Fragestellung in Bezug genommenen Transparente, die in der beschriebenen Art und Weise an dem Gebäude der Fachhochschule hingen, beseitigt hat. Die Polizei hat keine Plakate entfernt. Soweit die Polizei das Gebäude betreten hat, geschah dies zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Aus der 1. Etage des Gebäudes der Fachhochschule wurden diverse Gegenstände auf bzw. in Richtung der Teilnehmer der Versammlung der AfD geworfen. Da mit weiteren Würfen von Gegenständen zu rechnen war und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass auch Gegenstände geworfen werden, welche erhebliche Verletzungen hätten verursachen können, wurde das Gebäude betreten. Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt frei zugänglich, so dass das Betreten gem. § 23 Abs. 4 des Brandenburgischen Polizeigesetzes rechtmäßig war. Einer Abstimmung mit der Fachhochschulleitung bedurfte es nicht. - Ereignis am 18. Februar 2106 in Potsdam: Am 18. Februar fand eine Versammlung mit dem genannten Bezug in Potsdam nicht statt. Die Formulierung „im Vorfeld“ deutet auf eine folgende Versammlung von POGIDA am 24. Februar 2016 in der Kirschallee in Potsdam hin. Die Entfernung eines Transparents in diesem Zusammenhang ist weder für den 18. Februar noch für den 24. Februar dokumentiert. Am 17. Februar 2016 wurde ein quer über die Großbeerenstraße (Aufzugsstrecke POGIDA) gespanntes Plakat festgestellt. Dieses war lediglich mit „Drahtstrippen“ befestigt und stellte insofern eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Als die Polizeikräfte vor Ort eintrafen, war das Plakat bereits entfernt. Wer es entfernt hat, ist nicht bekannt. - Ereignis am 5. März 2106 in Templin: Am 5. März 2016 wurde bei den Versammlungslagen in der Stadt Templin festgestellt, dass am Rathaus drei Plakate aufgehängt waren. In Kenntnis der Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen im Gebiet der Stadt Templin (Sondernutzungssatzung) vom 1. Januar 2010 fragten Polizeibeamte bei vor Ort befindlichen Mitarbeitern der Ordnungsamts nach, ob für die Plakatierung eine Genehmigung erteilt worden sei. Nachdem die Mitarbeiter der Stadt Templin mitgeteilt hatten, dass sie keine Sondernutzungserlaubnis erteilt hätten und ihnen auch nichts davon bekannt sei, leisteten die Beamten auf Grund einer entsprechenden Bitte den Mitarbeitern des Ordnungsamtes Hilfe bei der Entfernung der Plakate. - Ereignis am 26. April 2106 in Rathenow: Das Transparent wurde in Folge einer Strafanzeige von C. K. wegen Beleidigung auf Veranlassung der Polizei durch Mitarbeiter des Kulturzentrums entfernt und von der Polizei als Beweismittel sichergestellt (§ 94 Abs. 1 StPO). Frage 3: Erachtet die Landesregierung die unter 2. genannten Fälle als Verstoß gegen Artikel 5 des Grundgesetzes? Welche Rechtsgüterabwägung fand in den einzelnen Fällen statt? zu Frage 3: Die Landesregierung erachtet die Ereignisse vom 22. Januar 2016, 18. Februar 2016 und 5. März 2016 nicht als rechtswidrigen Eingriff in den Schutzbereich des Artikels 5 des Grundgesetzes. Ereignisse am 22. Januar 2016 und 18. Februar 2016: Eine Rechtsgüterabwägung fand nicht statt, weil keine konkurrierenden Situationen vorlagen. Ereignis am 5. März 2016: Die Polizeibeamten haben den Mitarbeitern des Ordnungsamtes der Stadt Templin bei deren Maßnahme und auf deren Bitte Hilfestellung geleistet. Ohnehin erscheint in diesem Zusammenhang fraglich, ob die am Rathaus aufgehängten Plakate einer der dort stattgefundenen Versammlungen zuzurechnen waren und damit am Schutzbereich des Art. 8 GG teilhaben konnten. Die Versammlungsfreiheit ermöglicht in der Regel nicht die Benutzung von dem Veranstalter versperrten Orten. Nach § 6 Abs. 11 der Sondernutzungssatzung Stadt Templin ist im Stadtzentrum (Marktplatzbereich : Am Markt) das Plakatieren unzulässig. Eine Rechtsgüterabwägung war mangels konkurrierender Situationen ebenfalls nicht geboten. Ereignis am 26. April 2016 in Rathenow: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt die Kunstfreiheit (nur) verfassungsimmanenten Schranken. Kollisionen zwischen Verfassungsgütern sind nach Maßgabe der grundgesetzlichen Werteordnung durch Verfassungsauslegung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu lösen. Im Rahmen der insoweit in Betracht kommenden Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 GG) einer möglicherweise beleidigten Person und der Kunstfreiheit hat letztere jedenfalls bei einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung zurückzutreten. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es sich bei der Karikatur „Dem Kayser von Rathenow“ um einen Gegenstand gehandelt hat, der dem Grundrecht auf Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) unterfällt. Ob die Darstellung der betroffenen Person eine Beleidigung darstellt, ist eine Frage des jeweiligen Betrachtungswinkels. Abschließend werden dies gegebenenfalls Gerichte zu entschieden haben. Frage 4: Teilt die Landesregierung die Auffassung der Polizei, dass die Entfernung der Banner im Sinne einer "Deeskalation" notwendig gewesen sei? Bitte nach jeweiliger Aktion aufschlüsseln und begründen. Frage 5 : Auf welcher Grundlage konnten die Transparente jeweils entfernt werden? Bitte nach jeweiliger Aktion aufschlüsseln und begründen. zu Frage 4 und Frage 5: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.