Datum des Eingangs: 08.07.2016 / Ausgegeben: 13.07.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4591 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1842 der Abgeordneten Inka Gossmann-Reetz SPD-Fraktion Drucksache 6/4398 Maßnahmen zur Verhinderung der Bildung von Bürgerwehren in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Seit Beginn dieses Jahres haben sich in mehreren deutschen Städten sogenannte Bürgerwehren formiert, deren Teilnehmer häufig der rechten Szene zuzuordnen sind. Angesichts dieser Entwicklungen sowie vor dem Hintergrund der gestiegenen Anzahl von Übergriffen und Anschlägen auf Geflüchtete und Flüchtlingsunterkünfte warnte der Chef des Bundeskriminalamts Holger Münch in diesem Zusammenhang bereits Anfang des Jahres vor der Entstehung „rechtsextremer Terrorzellen“ nach Vorbild des NSU (u. a. Online-Berichterstattung der Tagesschau vom 13. Januar 2016). Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Bildung von Bürgerwehren im Land Brandenburg (seit 1990)? zu Frage 1: Über die Gründung von „Bürgerwehren“ wird bei der Polizei des Landes Brandenburg kein statistischer Nachweis geführt. Daher wird im Folgenden auf beispielhafte Einzelfälle eingegangen. Im Hinblick auf gestiegene Eigentumskriminalität in der Grenzregion waren vor allem im Jahr 2014 im Bereich der Polizeidirektion Ost Bestrebungen zur Bildung von „Bürgerwehren“ festzustellen. Dabei wurden in der Öffentlichkeit verschiedene Initiativen von Bürgern aufgezeigt, die in ihrem unmittelbaren Umfeld gemeinsam für die Verhinderung von Eigentumsstraftaten aktiv zu werden gedachten. Zum Teil entstanden daraus Sicherheitspartnerschaften (z. B. in Bleyen-Genschmar). In Lawitz und seit April 2016 auch in Neuzelle bildeten sich Bürgerinitiativen (BI), die beide die Bezeichnung „Bürgerwehr“ zur eigenen Betitelung ablehnen. Beide Initiativen arbeiten mit der Kommune und den örtlichen, polizeilichen Ansprechpartnern zusammen. Aufgrund des Vorhabens, nur vorübergehend Aktivitäten zu entfalten, beabsichtigen beide Initiativen nicht, sich als Sicherheitspartnerschaft im Sinne des Erlasses zur Kommunalen Kriminalitätsverhütung vom 11. Oktober 1995 zu konstituieren. Darüber hinaus traten bzw. treten in verschiedenen Regionen in sozialen Netzwerken (überwiegend in Facebook) selbsternannte „Bürgerwehren “ auf. Teilweise agierten diese in geschlossenen Nutzergruppen und sind somit nicht für jedermann zugänglich. Die virtuellen Aktivitäten dieser Gruppierungen beschränkten sich regelmäßig auf Einträge in den Netzwerken und waren zumeist von kurzer Dauer. Ein persönliches Auftreten in den jeweilig regionalen Aktionsbereichen wurde polizeilich nicht bekannt. Im Jahr 2014 waren in Eisenhüttenstadt erstmalig Bestrebungen festzustellen, eine „Bürgerwehr“ zu gründen. Diese Gruppe agierte als geschlossene Benutzergruppe via Facebook und tritt inzwischen in der Öffentlichkeit nicht mehr in Erscheinung. Im Rahmen von Versammlungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ traten im Mai 2016 einzelne Personen mit T-Shirts mit dem Aufdruck „Bürgerwehr Rathenow“ auf. Überprüfungen ergaben, dass es sich um polizeibekannte Personen aus Rathenow, darunter der Initiator des asylkritischen „Bürgerbündnisses Havelland“, handelte. Der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg liegen aktuell keine Informationen vor, die dazu führen würden, dass eine „Bürgerwehr“ in Brandenburg nachrichtendienstlich beobachtet wird. Dies war auch in der Vergangenheit – soweit recherchierbar – nicht der Fall. Aktivitäten von entsprechenden Initiativen in sozialen Netzwerken werden im Rahmen der Internetauswertung durch die Verfassungsschutzbehörde zur Kenntnis genommen und im Einzelfall bewertet. Bisher konnte nicht festgestellt werden, dass entsprechende Online -Aktivitäten aus dem Internet in das reale Leben übertragen wurden. Frage 2: Welche Maßnahmen verfolgt die Landesregierung, um die Bildung von Bürgerwehren zu unterbinden? Welche Instrumente stehen ihr hierzu zur Verfügung? zu Frage 2: Seitens der Polizei steht bei der Gewährleistung der Sicherheitslage im Land Brandenburg die enge Zusammenarbeit mit den Kommunen und den regionalen Gremien an erster Stelle. Die Kommunen werden regelmäßig über die aktuelle Kriminalitätsentwicklung informiert und die Zusammenarbeit abgestimmt. Initiativen von Bürgern, zur Verbesserung der Sicherheit aktiv zu werden, greift die Polizei auf und setzt gezielt darauf, diese Bürger als Sicherheitspartner aller Bürger vor Ort gewinnen zu können. Bürgerschaftliches Engagement wird polizeilich unterstützt, was jedoch ein Zusammenwirken mit sogenannten „Bürgerwehren“ nicht einbezieht. Eine etwaige Zusammenarbeit findet nicht statt. Insgesamt wird die Polizei in jedem bekannt werdenden Einzelfall die erforderlichen gefahrenabwehrenden bzw. strafverfolgenden Maßnahmen ergreifen, sollten Bestrebungen eine erkennbare Nähe zu bekannten Straftätern bzw. Bestrebungen festgestellt werden, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit darstellen oder selbst Straftaten implizieren. Erst wenn „tatsächliche Anhaltspunkte“ für „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ vorliegen, darf die Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag Informationen sammeln und auswerten. Die etwaige Mitgliedschaft einzelner Extremisten reicht dazu nicht aus. Frage 3: Welche Rolle nehmen hierbei sogenannte ‘Sicherheitspartnerschaften‘ ein? zu Frage 3: Grundlage für Sicherheitspartnerschaften bildet der Erlass zur Kommunalen Kriminalitätsverhütung vom 11. Oktober 1995. Sicherheitspartnerschaften stellen eine wichtige Form des bürgerschaftlichen Engagements für Sicherheit in den Kommunen dar, aus hiesiger Sicht „gelebte rechtsstaatliche Zivilcourage“. Die Sicherheitspartner werden nach Vorschlag der Einwohnerversammlung von der Polizei überprüft und berufen. Eine enge Zusammenarbeit mit der Ordnungsbehörde und der Polizei gehören zu den Grundlagen ihrer Tätigkeit. Die Mitglieder von Sicherheitspartnerschaften handeln im Auftrag der Bürgerschaft, ausgestattet mit Jedermannsrechten , unbewaffnet und ohne hoheitliche Befugnisse. Das Gewaltmonopol des Staates bleibt gewahrt. Frage 4: Welche weiterführenden Maßnahmen plant die Landesregierung zu unternehmen , um die Entstehung von Bürgerwehren und – hieraus unter Umständen resultierend - möglichen „Terrorzellen“ im Land Brandenburg zukünftig zu verhindern? zu Frage 4: Hinweise, dass sich aus „Bürgerwehren“ in Brandenburg Terrorzellen entwickeln, sind der Landesregierung nicht bekannt. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 verwiesen.