Datum des Eingangs: 11.07.2016 / Ausgegeben: 18.07.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4611 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1834 der Abgeordneten Birgit Bessin AfD-Fraktion Drucksache 6/4376 Broschüre zum Umgang mit der AfD – Verletzung des Neutralitätsgebotes an Schulen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: Nach den Landtagswahlen im März 2016 in den drei Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt mit zweistelligen Zustimmungswerten für die Partei AfD veröffentlichte die Amadeu- Antonio-Stiftung kurze Zeit später im April 2016 die Handreichung „Nachfragen, Klarstellen, Grenzen setzen – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“. Nachfolgend der Internetlink zu der Handreichung: https://www.amadeu-antoniostiftung .de/w/files/pdfs/afd-handreichung.pdf. Die Handreichung enthält nach den Worten der Herausgeber „praktische Tipps für Politiker_innen, Journalist_innen und Pädagog_innen, die in ihrem Arbeitsumfeld auf die AfD reagieren müssen“. Die Partei wird in der Handreichung als „ein Problem“ bezeichnet, das Parteisymbol wird in der Handreichung entstellt und verunglimpft. In den weiteren Ausführungen werden unter den Überschriften „Interventions- und Handlungsstrategien in der pädagogischen Arbeit“ sowie „Spezifika im Umgang mit der AfD im schulischen Bereich“ ausführliche Handlungsempfehlungen im Umgang mit der AfD für Lehrer an Schulen beschrieben. Die Handlungsempfehlungen sind inhaltlich gegen die Akzeptanz der AfD als demokratische Partei gerichtet und sollen die Lehrer darin üben, in Diskussionen mit Schülern die Positionen der AfD zu „entlarven“. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft veröffentlichte am 11.05.2016 auf ihrer Homepage die genannte Handreichung der Amadeu Antonio Stiftung mit dem Hinweis, dass diese besonders für Lehrkräfte interessant sei. Ich frage die Landesregierung: Frage 1: Ist die Handreichung in den Schulen des Landes Brandenburg ausgelegt worden und wird sie ausgelegt? Wenn ja, wo konkret und von wann bis wann? Frage 4: Sind der Landesregierung Papiere oder Handreichungen bekannt, in denen gegen die AfD oder gegen andere demokratische Parteien in vergleichbarer Weise gehetzt wird? Wenn ja, bitte angeben: a. Welche? Gegen welche Parteien? b. Wie ist die Landesregierung dagegen vorgegangen? zu den Fragen 1 und 4: Gemäß § 4 des Brandenburgischen Schulgesetzes hat die Schule unter anderem die Freiheit des Gewissens sowie Offenheit und Toleranz gegenüber unterschiedlichen kulturellen, religiösen, weltanschaulichen und politischen Wertvorstellungen, Empfindungen und Überzeugungen zu wahren. Keine Schülerin und kein Schüler dürfen einseitig beeinflusst werden. Hiervon ausgehend hat die Schule im Rahmen der politischen Bildung allgemeine Grundsätze einzuhalten: a) Überwältigungsverbot (Indoktrinationsverbot) Lehrkräfte dürfen Schülerinnen und Schülern nicht ihre oder eine bestimmte Meinung aufzwingen oder diese an der Gewinnung eines selbstständigen Urteils hindern. Vielmehr ist der Unterricht so zu gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung bilden zu können. b) Kontroversität Was in der Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Den Schülerinnen und Schülern ist eine freie Meinungsbildung zu ermöglichen. Die Lehrkräfte haben daher sicherzustellen, dass ein Thema, das in der Öffentlichkeit kontrovers erscheint, auch im Unterricht kontrovers dargestellt und diskutiert wird. c) Schülerorientierung Die Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und die eigene Interessenlage zu analysieren. Sie sollen sich aktiv am politischen Prozess beteiligen, indem sie nach Mitteln und Wegen suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne eigener und übergreifender Interessen zu beeinflussen. Diese Maßgaben bilden den allgemeinen Rahmen (siehe auch Beutelsbacher KonsensFN1). Dieser wird durch das Verbot politischer Werbung gemäß § 47 Absatz 2 des Brandenburgischen Schulgesetzes weiter konkretisiert. Es ist der Landesregierung nicht bekannt, auf welche konkreten Materialien die Schulen im Unterricht zurückgreifen. Soweit die dargestellten Grundsätze eingehalten werden, entscheiden die Schulen im Rahmen der staatlichen Vorgaben (Rahmenlehrpläne) selbst, welche Themen im Unterricht behandelt werden und auf welche Materialien sie sich hierbei stützen. Dies gilt ebenfalls für die Einbeziehung von Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften in den Unterricht. Frage 2: Zu welchen Veranstaltungen wurden Referenten der Amadeu-Antonio- Stiftung in den letzten sechs Monaten eingeladen? Bitte Titel und Inhalt der Veranstaltungen sowie die Namen der Referenten benennen. Frage 3: Fanden in Schulen Zusammenkünfte von Mitgliedern der GEW statt, in denen die Handreichung diskutiert wurde? Wenn ja, wo? Welche Nicht-GEW- Mitglieder waren an den Zusammenkünften beteiligt? zu den Fragen 2 und 3: Der Landesregierung liegen keine solchen Erhebungen vor. FN1 Eine wichtige Referenz ist dabei der „Beutelsbacher Konsens“, der in den 1970er-Jahren formuliert wurde und seither besonders für die formale politische Bildung auf drei zentrale didaktische Leitgedanken verweist: 1) Überwältigungsverbot, 2) Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen, 3) Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren.