Datum des Eingangs: 21.07.2016 / Ausgegeben: 26.07.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4716 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1860 der Abgeordneten Kathrin Dannenberg Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/4441 Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen (LRS) Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen sollen in Brandenburg zusätzlich gefördert werden, unabhängig davon, ob diese Schwierigkeiten auf individuellen Lernvoraussetzungen oder auf sozialen und erzieherischen Einflüssen innerhalb und außerhalb der Schule beruhen. Frage 1: Wie hoch ist der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit LRS in Brandenburg (bitte nach Schulformen und Schulämtern unterscheiden)? zu Frage 1: Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS) im Land Brandenburg wird nicht erfasst. Es liegt lediglich die Zahl der erteilten Lehrerwochenstunden (LWS) im Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsstörungen LRS vor (siehe nachfolgende Tabelle). Tabelle 1: Anzahl der erteilten Lehrerwochenstunden im Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsstörungen (FöLRS) an Schulen in öffentlicher Trägerschaft in den Schuljahren 2011/2012 bis 2015/2016 nach Schulform und Schulamt/Regionalstelle Schuljahr Schulamt /Regionalstelle Insgesamt Grundschule Oberschule Gesamtschule Gymnasium Fö LRS Fö LRS Fö LRS Fö LRS Fö LRS 2011/2012 Schulamt Brandenburg an der Havel 202,52 166,00 34,52 2,00 0,00 Schulamt Cottbus 319,50 227,50 80,00 11,00 1,00 Schulamt Eberswalde 150,00 81,00 61,00 8,00 0,00 Schulamt Frankfurt (Oder) 315,40 254,40 59,00 2,00 0,00 Schulamt Perleberg 88,00 69,00 14,00 3,00 2,00 Schulamt Wünsdorf 157,00 144,00 11,00 0,00 2,00 Insgesamt 1.232,42 941,90 259,52 26,00 5,00 2012/2013 Schulamt Brandenburg an der Havel 254,68 213,00 39,68 2,00 0,00 Schulamt Cottbus 299,50 211,50 54,50 24,50 9,00 Schulamt Eberswalde 179,00 116,00 59,00 4,00 0,00 Schulamt Frankfurt (Oder) 312,90 245,93 60,97 5,00 1,00 Schulamt Perleberg 100,00 87,00 9,00 4,00 0,00 Schulamt Wünsdorf 173,50 125,00 36,50 8,00 4,00 Insgesamt 1.319,58 998,43 259,65 47,50 14,00 2013/2014 Schulamt Brandenburg an der Havel 274,33 241,50 25,83 6,00 1,00 Schulamt Cottbus 281,50 207,50 59,00 9,00 6,00 Schulamt Eberswalde 156,50 82,00 73,50 0,00 1,00 Schulamt Frankfurt (Oder) 291,63 233,63 58,00 0,00 0,00 Schulamt Perleberg 86,50 68,50 17,00 1,00 0,00 Schulamt Wünsdorf 193,00 153,00 30,00 8,00 2,00 Insgesamt 1.283,46 986,13 263,33 24,00 10,00 2014/2015 Regionalstelle Brandenburg an der Havel 313,82 274,50 36,32 3,00 0,00 Regionalstelle Cottbus 256,00 192,00 43,00 21,00 0,00 Regionalstelle Frankfurt (Oder) 442,84 293,48 138,36 6,00 5,00 Regionalstelle Neuruppin 180,50 156,50 18,00 4,00 2,00 Insgesamt 1.193,16 916,48 235,68 34,00 7,00 2015/2016 Regionalstelle Brandenburg an der Havel 332,83 266,50 47,33 19,00 0,00 Regionalstelle Cottbus 195,00 151,50 22,50 12,00 9,00 Regionalstelle Frankfurt (Oder) 406,98 313,98 93,00 0,00 0,00 Regionalstelle Neuruppin 155,50 125,50 23,00 7,00 0,00 Insgesamt 1.090,31 857,48 185,83 38,00 9,00 Datengrundlage: Schuldatenerhebungen der jeweiligen Schuljahre Anmerkung: Die Schulamtsbereiche in den Schuljahren 2011/2012 bis 2013/2014 sind nicht mit den Bereichen der Regionalstellen in den Schuljahren 2014/2015 und 2015/2016 vergleichbar. *Anteil an den insgesamt erteilten Lehrerwochenstunden. Frage 2: Wie hat sich dieser Anteil in den vergangenen Jahren entwickelt? zu Frage 2: Der Anteil der Schülerinnen und Schüler wird in der Schuldatenerhebung nicht erfasst . Frage 3: Inwiefern sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen das vorgesehene Verfahren (Feststellung durch die Lehrkraft für Deutsch bzw. Lehrkraft für Mathematik unter Einbeziehung der Eltern und der weiteren Lehrkräfte) nicht funktioniert? Frage 4: Inwiefern verzögert sich die Förderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler, weil es bei der Festlegung von Fördermaßnahmen zu zeitlichen Verzögerungen bei der schulpsychologischen Beratung kommt? zu den Fragen 3 und 4: Der Landesregierung sind Fälle, in denen das vorgesehene Verfahren zur Feststellung von besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen gemäß den Verwaltungsvorschriften über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen (VV-LRSR) vom 6. Juni 2011 nicht funktioniert, nicht bekannt. Das Verfahren zur Feststellung besonderer Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen liegt gemäß VV-LRSR in der Verantwortung der Schulen und hier besonders in der Hand der dafür qualifizierten Fachlehrkräfte für Deutsch oder Mathematik . Die an den Schulen bestehenden Förderangebote für Teilleistungsschwächen liegen ebenso in der Verantwortung der Schule. Die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sind gemäß Nummer 3 Absatz 2 der VV-LRSR in die Feststellung besonderer Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben ab Jahrgangsstufe 5 einzubeziehen . Eine Verzögerung der Förderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler aufgrund zeitlicher Verzögerungen bei der schulpsychologischen Beratung ist der Landesregierung nicht bekannt. Frage 5: Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen die Klassenkonferenz bzw. die Jahrgangsstufenkonferenz eine Fortsetzung der Förderung trotz Antrages der Lehrkräfte bzw. des/der Schülers/in abgelehnt hat? zu Frage 5: Der Landesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen die Klassenkonferenz bzw. die Jahrgangsstufenkonferenz einer Fortsetzung der Förderung nicht zustimmte. Frage 6: In welchem Umfang wird in der Grundschule bzw. in der SEK I und der SEK II eine zusätzliche Förderung erteilt? zu Frage 6: Die Schülerinnen und Schüler sind gemäß § 5 der Verordnung über den Bildungsgang der Grundschule (Grundschulverordnung – GV) vom 2. August 2007 durch differenzierende und individualisierende Maßnahmen im Unterricht zu fördern. Differenzierende Lernangebote können auch in Lerngruppen und durch zusätzlichen Förderunterricht gemäß Verwaltungsvorschriften über die Unterrichtsorganisation vom 27. März 2012 in allen weiteren Schulstufen gestaltet werden. Im Rahmen des pauschalen Teils der VZE-Zuweisung ermitteln die staatlichen Schulämter den Bedarf an Lehrerwochenstunden der Schulen für den Unterricht zur zusätzlichen Förderung gemäß VV-LRSR. Die erteilten LWS werden in der Schuldatenerhebung erfasst (siehe Tabelle 1). Frage 7: Wie hoch ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit LRS, denen ein Nachteilsausgleich gewährt wurde (bitte unterscheiden nach Ausweitung der Arbeitszeit, Bereitstellung von technischen und didaktischen Hilfsmittel, Nutzung methodisch-didaktischer Hilfen)? zu Frage 7: Aus dem Grundsatz der Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes folgt unmittelbar ein Anspruch auf Nachteilsausgleich. Er verbietet Benachteiligungen aufgrund einer Behinderung. Durch den Nachteilsausgleich werden die Schülerinnen und Schüler nicht bevorteilt. Entsprechende Maßnahmen sollen die vorhandenen Beeinträchtigungen ausgleichen. Ein Nachteilsausgleich wird weder auf dem Zeugnis vermerkt noch statistisch erfasst. Frage 8: Wie hoch ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit LRS, denen eine Abweichung von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung gewährt wurde (bitte unterscheiden nach stärkerer Gewichtung mündlicher Leistungen und Verzicht auf eine Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung)? zu Frage 8: Die Abweichung von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung gemäß Punkt 5 Absatz 3 der VV-LRSR wird durch die Landesregierung statistisch nicht erfasst . Frage 9: Wie gestaltet sich nach Auffassung der Landesregierung die Zusammenarbeit mit außerschulischen Maßnahmenträgern? Inwiefern werden den Eltern durch die Schulen die erforderlichen Unterlagen zur Festlegung von geeigneten Hilfen im Rahmen des SGB zur Verfügung gestellt? zu Frage 9: Es bedarf einer verstärkten Kooperation und neuer Formen der Zusammenarbeit von Schule, Schulträger und Sozialleistungsträger, um alle Bildungsbereiche als gemeinsames Lernen von jungen Menschen mit und ohne Behinderung auszugestalten und angemessene Unterstützungsbedarfe bereitzustellen. Unberührt davon bleibt der Anspruch von Menschen mit Behinderung auf einzelfallbezogene Unterstützung durch Eingliederungshilfe. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe leisten bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung nach § 35 a SGB VIII i. V. m. § 54 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB XII für Schülerinnen und Schüler mit einer seelischen Behinderung oder von einer solchen Behinderung bedrohte, wenn die nach Schulrecht zu erbringenden Fördermaßnahmen aufgrund der besonderen individuellen Problematik nicht ausreichen, den Schulerfolg des Kindes zu sichern. Die hierzu erforderlichen Zuarbeiten durch die Schule werden in der Regel durch die Sozialleistungsträger von den Schulen erbeten und mit Einverständnis der Eltern zur Verfügung gestellt. Problemlagen diesbezüglich sind der Landesregierung nicht bekannt. Frage 10: Derzeit muss eine Abweichung von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung auf dem Zeugnis vermerkt werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist diese Regelung unrechtmäßig. Wie wird hier die Landesregierung in Zukunft verfahren? zu Frage 10: Das Bundesverwaltungsgericht hat in Bezug auf eine Regelung des Landes Bayern entschieden, dass eine Abweichung von den Grundsätzen der Leistungsbewertung bei Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben auf dem Zeugnis zu vermerken ist (Urteil vom 29. Juli 2015; 6C 35/14). Das Gericht kommt hierbei im Ergebnis zu dem Schluss, dass der im Streit stehende Zeugnisvermerk zwar formell rechtswidrig, jedoch in Anbetracht der faktisch erfolgten – ebenfalls rechtswidrigen – Abweichung von den Grundsätzen der Leistungsbewertung notwendig ist. Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest, dass eine Abweichung von den Grundsätzen der Leistungsbewertung und ein entsprechender Vermerk auf dem Zeugnis einer gesetzlichen Regelung oder Ermächtigung bedürfen. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beabsichtigt die Landesregierung das Brandenburgische Schulgesetz bis zum 1. August 2017 zu ändern. Das Ziel ist, der gegenwärtig durch Verwaltungsvorschriften geregelten schulischen Praxis die notwendige normative Grundlage zu geben.