Datum des Eingangs: 25.07.2016 / Ausgegeben: 01.08.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4779 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1893 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher und Marie Luise von Halem Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/4509 Nachfrage zur Kleinen Anfrage "Angebot an Berlin zur Übernahme von Geflüchteten durch das Land Brandenburg“ Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerinnen In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage Nr. 1692 „Angebot an Berlin zur Übernahme von Geflüchteten durch das Land Brandenburg“ vertritt die Landesregierung die Rechtsauffassung, dass sich aus den §§ 45 Absatz 2 und 46 Absatz 2a Asylgesetz (AsylG) ergebe, dass sich eine Vereinbarung zwischen Brandenburg und Berlin zur Aufnahme von „Berliner Flüchtlingen“ auf das Erstaufnahmeverfahren beschränke und § 50 Asylgesetz es nicht zulasse, dass auch die Folgeunterbringung in einem anderen Bundesland erfolgt. Zudem könne eine dauerhafte Unterbringung außerhalb der Landesgrenze nicht Gegenstand eines Staatsvertrages sein. Die Frage, welche „Berliner Geflüchtete“ der „Kategorie A bis D“ in der Erstaufnahme im Land Brandenburg untergebracht werden sollen, wird nicht beantwortet. Zudem geht aus der Antwort auf die Kleine Anfrage hervor, dass Bildungsmaßnahmen für geflüchtete Kinder und Jugendliche „aus Berlin“ lediglich das Land Berlin „bei Bedarf“ erbringt. Es besteht daher Nachfragebedarf. Frage 1: Welche Geflüchtete der „Kategorie A bis D“ aus Berlin plant die Landesregierung in der Erstaufnahme des Landes Brandenburg unterzubringen ? zu Frage 1: Es wird auf die Antwort der Landesregierung zu den Fragen 2 und 3 der Kleinen Anfrage 1692 (Drucksache 6/4393), letzter Absatz, verwiesen. Eine Festlegung auf Ka- tegorien entsprechend den in den Ankunftszentren gebildeten Clustern A, B, C und D ist in den noch andauernden Vertragsverhandlungen derzeit nicht vorgesehen. Frage 2: Stellt die Landesregierung sicher, dass „Berliner Flüchtlinge“, für die eine Mitteilung im Sinne des § 50 Absatz 1 AsylG des Bundesamtes erfolgt , unverzüglich aus der Erstaufnahme entlassen werden und „Berliner Flüchtlinge“, für die eine solche Mitteilung bereits erfolgt ist, erst gar nicht in der Erstaufnahme im Land Brandenburg untergebracht werden? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 2: Ja, das mit Berlin zu vereinbarende Verfahren der Aufnahme und Rücknahme der Asylsuchenden wird dies sicherstellen. Frage 3: Innerhalb welchen Zeitraums ist regelmäßig mit einer Mitteilung des Bundesamtes im Sinne des § 50 Absatz 1 AsylG zu rechnen? zu Frage 3: Eine generelle Aussage ist hierzu aufgrund der Zuständigkeit des Bundesamtes und wegen der Vielzahl von Fallgestaltungen nicht möglich. Auch können zur Beantwortung der Frage keine Erfahrungswerte herangezogen werden, weil Brandenburg insoweit bisher nur über Erfahrungen mit der Außenstelle des Bundesamtes in Eisenhüttenstadt verfügt, für die aus Berlin übernommenen Asylsuchenden aber die Außenstelle Berlin des BAMF zuständig ist. Frage 4: Plant die Landesregierung bei der Unterbringung von „Berliner Flüchtlingen “ in der Erstaufnahme Brandenburgs überwiegend mit a. einem Unterbringungszeitraum von bis zu 6 Monaten, b. einem Unterbringungszeitraum von 6 Monaten oder c. einem Unterbringungszeitraum bis zum Abschluss des Asylverfahrens ? zu Frage 4: Die Antwort a. ist zutreffend, jedoch ist die Dauer der Unterbringung primär abhängig von der Entscheidung des Bundesamtes. Darüber hinaus sollen in den laufenden Vertragsverhandlungen 6 Monate als Höchstdauer des Aufenthalts in Brandenburg vereinbart werden. Frage 5: Gemäß § 45 Absatz 2 Asylgesetz können zwei oder mehr Länder vereinbaren , dass Asylbegehrende, die von einem Land entsprechend sei- ner Aufnahmequote aufzunehmen sind, von einem anderen Land aufgenommen werden. Dies ermöglicht zum Beispiel eine Vereinbarung über die Abweichung von der Quote gemäß § 45 Asylgesetz (z.B. Brandenburg ist für die Aufnahme von Flüchtlingen nach der Quote plus 1000 Flüchtlinge zuständig, für die das Land Berlin zuständig wäre), sodass das Land Brandenburg von vornherein für Flüchtlinge, die eigentlich dem Land Berlin zugewiesen würden, zuständig wäre, und zwar für die Erstaufnahme und die Verteilung auf die eigenen Kommunen . Zudem schließt eine „Vereinbarung“ im Sinne des § 45 Absatz 2 Asylgesetz schon vom Wortlaut („Vereinbarung“) den Abschluss eines Staatsvertrages ein. Ein Staatsvertrag, der die dauerhafte Unterbringung von „Berliner Flüchtlingen“ im Land Brandenburg und seinen Kommunen regelt, wäre auch möglich, da es sich bei der Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen um eine Landesaufgabe handelt (siehe z. B. das Landesaufnahmegesetz). Hält die Landesregierung diese andere Rechtsauffassung, die der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von Juristen bestätigt wurde (vgl. auch Hummel, „Länderkooperationen bei Schaffung und Unterhaltung von Aufnahmeeinrichtungen für Ausländer“, DVBl 2008, S. 84 (92) und die entsprechende Auffassung der Stadt Hamburg: http://www.hamburg.de/fluechtlinge-fragenantworten /#anker_5), für rechtlich vertretbar? Wenn nein, warum nicht? Unterstellt, die Rechtsauffassung wäre vertretbar, wäre eine Vereinbarung über die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen in einem anderen Bundesland dann möglich? zu Frage 5: Die Landesregierung vertritt hierzu eine andere Rechtsauffassung. Eine Vereinbarung nach § 45 Abs. 2 des Asylgesetzes ermöglicht gerade nicht, wie in Satz 2 der Frage behauptet, „eine Vereinbarung über die Abweichung von der Quote gemäß § 45 Asylgesetz…“, denn die Aufnahmequote nach § 45 Abs. 1 wird, wie der Gesetzgeber in § 45 Abs. 2 Satz 3 AsylG eindeutig klargestellt hat, durch eine solche Vereinbarung nicht berührt. Folglich wird das Land auch nicht für die dauerhafte Unterbringung der aus Berlin aufgenommenen Asylsuchenden, also für Erstaufnahme und Folgeunterbringung in den Kommunen, zuständig. Die Landesregierung vertritt vielmehr die Auffassung, dass die Kooperationsmöglichkeit der Länder sich nur auf die Erstaufnahme erstreckt. Insoweit wird auf die Antworten zu den Fragen 7 und 8 der Kleinen Anfrage 1692 (Drucksache 6/4393) verwiesen. Eine grundlegend andere Auffassung ist weder der zitierten Antwort der Stadt Hamburg auf häufig gestellte Fragen von Flüchtlingen noch der in einer juristischen Fachzeitschrift im Jahr 2008 vertretenen Rechtsauffassung zu entnehmen. Unter der genannten Quelle im Internet vertritt auch Hamburg die Auffassung, dass eine Unterbringung von Flüchtlingen außerhalb des zuständigen Bundeslandes nur im Rahmen des Erstaufnahmeverfahrens möglich ist. Es heißt dann zwar weiter, dass bei einer sich anschließenden Folgeunterbringung ein Staatsvertrag erforderlich wäre, um Hamburgischen Behörden und Dienststellen polizeirechtliche Befugnisse auf dem Gebiet eines anderen Landes zu verleihen. Zugleich wird eingeräumt, dass „eine dauerhafte externe Unterbringung dem Aufenthaltsrecht und der dort vorgesehenen gleichmäßigen Verteilung der Flüchtlinge auf Deutschland“ widerspräche. Auf die sich daraus ergebenden "Probleme bei der Zuständigkeit für soziale Leistungen (z.B. Kosten der Unterkunft, Kita-Platz, Beschulung von Kindern und Jugendlichen) und Dienste (zum Beispiel Jobcenter)…, die die örtliche Zuständigkeit am Aufenthaltsort der Berechtigten festmachen“, wird besonders hingewiesen. Die dauerhafte Unterbringung von Geflüchteten in anderen Bundesländern setze zudem die Zustimmung der Kommunen vor Ort voraus, die nicht ersichtlich sei, weshalb eine dauerhafte "auswärtige Unterbringung" derzeit keine realistische Option darstelle, einen nennenswerten Beitrag zur Lösung der Unterbringungspflicht der Stadt Hamburg zu leisten. Der zitierte Fachaufsatz befasst sich vor allem mit verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Thema, jedoch nicht mit den Rechtsfolgen , die sich insbesondere an den Ort des "gewöhnlichen Aufenthalts" des Flüchtlings knüpfen wie den Übergang von behördlichen und gerichtlichen Zuständigkeiten. Diese können, soweit bundesgesetzlich abschließend geregelt, nach Auffassung der Landesregierung nicht durch Verwaltungsvereinbarung oder Staatsvertrag geändert werden. Frage 6: Hält die Landesregierung eine Klarstellung der Bundesgesetzgebung, dass auch eine Vereinbarung über die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen in einem anderen Bundesland möglich ist, für rechtspolitisch sinnvoll? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 6: Ob eine solche Klarstellung rechtspolitisch sinnvoll wäre oder nicht, kann nach Auffassung der Landesregierung dahingestellt bleiben. Auch eine bundesgesetzliche Klarstellung würde nichts daran ändern, dass eine Vereinbarung über die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen in einem anderen Bundesland der Zustimmung der Kommunen bedürfte. An die Unterbringung in einem anderen Bundesland und dem daraus folgenden „gewöhnlichen Aufenthalt“ einer Person knüpfen sich eine Vielzahl von Rechtsfolgen, die erwarten lassen, dass von einer solchen Möglichkeit ohnehin kaum Gebrauch gemacht werden dürfte. Frage 7: Plant die Landesregierung, auf eine entsprechende Klarstellung der Bundgesetzgebung hinzuwirken? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 7: Nein, weil hierfür kein Erfordernis gesehen wird. Frage 8: Werden den geflüchteten Kindern und Jugendlichen „aus Berlin“ in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Brandenburg anders als den „Brandenburger Geflüchteten“ keine Bildungsmaßnahmen angeboten, sollte Berlin keinen entsprechenden Bedarf sehen? Frage 9: Sieht das Land Berlin einen Bedarf, Bildungsmaßnahmen für geflüchtete Kinder und Jugendliche auch in der Erstaufnahme des Landes Brandenburg anzubieten? Frage 10: Warum hat die Landesregierung den wesentlichen Aspekt von Bildungsangeboten für „Berliner Geflüchtete“ nicht zum Teil der Vereinbarung mit dem Land Berlin gemacht? zu den Fragen 8 bis 10: Das Angebot an erforderlichen Bildungsmaßnahmen für die in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Brandenburg untergebrachten Kinder und Jugendlichen aus Berlin ist Gegenstand der laufenden Vertragsverhandlungen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 der Kleinen Anfrage 1692 (Drucksache 6/4393) verwiesen.