Datum des Eingangs: 04.08.2016 / Ausgegeben: 09.08.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4846 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1908 des Abgeordneten Danny Eichelbaum der CDU-Fraktion Drucksache 6/4575 Ernennungspraxis bei Richterinnen und Richtern auf Probe in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers Die Personalpolitik der Landesregierung hat in den letzten Jahren bei Richtern und Staatsanwälten im Land Brandenburg zu massiven Protesten geführt. Der vollzogene Stellenabbau in der Justiz in den letzten Jahren ist mit verantwortlich für die überlangen Gerichtsverfahren in Brandenburg. Es fehlen vor allem junge Nachwuchskräfte in der Justiz des Landes Brandenburg. Viele Richterinnen und Richter auf Probe konnten in den letzten Jahren nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fünfjahresfrist gemäß § 12 Abs. 2 DRiG auf Lebenszeit ernannt werden. Gem. § 12 Abs. 2 DRiG ist der Dienstherr verpflichtet, die Ernennung von Richterinnen und Richtern auf Lebenszeit spätestens fünf Jahre nach der Ernennung auf Probe vorzunehmen. Zweck dieser Vorschrift ist es, sowohl den Richterinnen und Richtern ihre gem. Art. 97 Abs. 1 GG zugesicherte Unabhängigkeit zu gewährleisten, als auch den Bürgern ihr Recht auf den gesetzlichen Richter zu gewähren, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Frage 1: In wie vielen Fällen (absolut und prozentual) ist in den vergangenen fünf Jahren die Fünfjahresfrist nach § 12 Abs. 2 DRiG überschritten worden (bitte aufschlüsseln nach Angabe des konkreten Dienstalters der betroffenen Proberichterinnen und -richter und nach Geschlecht)? zu Frage 1: Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 DRiG ist ein Richter auf Probe spätestens fünf Jahre nach seiner Ernennung zum Richter auf Lebenszeit oder unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Staatsanwalt zu ernennen. Die Frist verlängert sich gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 DRiG um die Zeit einer Beurlaubung ohne Bezüge. Entsprechende Zeiten stellen neben der Beurlaubung auch die Elternzeit ohne (Teilzeit-)Tätigkeit dar. In der Zeit zwischen dem 1. Juli 2011 und dem 30. Juni 2016 ist bei 18 von insgesamt 66 Ernennungen einer Proberichterin oder eines Proberichters zur Richterin oder zum Richter auf Lebenszeit bzw. zur Staatsanwältin oder zum Staatsanwalt auf Lebenszeit die Fünfjahresfrist nach § 12 Abs. 2 DRiG überschritten worden. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von 27,3 %. Die 18 Betroffenen weisen folgende nach § 12 Abs. 2 DRiG zu berücksichtigenden Dienstzeiten auf: Zu berücksichtigende Zeiten nach § 12 Abs. 2 DRiG insgesamt weiblich männlich 5 Jahre 5* 4 1 6 Jahre 7 6 1 7 Jahre 2 2 - 8 Jahre 3 2 1 9 Jahre 1 - 1 gesamt 18 14 4 *In einem Fall beruhte die Fristüberschreitung von neun Tagen auf der – mutmaßlich durch Urlaubsabwesenheit – verzögerten Übergabe der Ernennungsurkunde. Frage 2: Welche Gründe gibt es für diese gem. § 12 Abs. 2 DRiG verspätete Ernennungspraxis ? zu Frage 2: Der weit überwiegende Teil der Proberichterinnen und Proberichter wird vor Ablauf der genannten Frist zu Lebenszeitrichterinnen und Lebenszeitrichtern sowie zu Staatsanwältinnen und Staatsanwälten ernannt. Dass Proberichterinnen und Proberichter teilweise nicht innerhalb der Frist des § 12 Abs. 2 DRiG ernannt werden, kann verschiedene Ursachen haben: Die Ernennung einer Richterin auf Probe oder eines Richters auf Probe zur Lebenszeitrichterin oder zum Lebenszeitrichter bedarf einer freien und besetzbaren Planstelle . Entsprechende Planstellen waren zum Zeitpunkt der Einstellung der betroffenen Proberichterinnen und Proberichter jeweils vorhanden bzw. ihr Freiwerden war absehbar . Infolge der zuvor nicht vorhersehbaren Stelleneinsparungen im Rahmen der Personalbedarfsplanungen der letzten Jahre hat sich die Zahl der zur Verfügung ste- henden Planstellen indes reduziert und deckt den jeweiligen Bedarf für zeitgerechte Ernennungen nicht immer ab. Hinzu kommt, dass ausgeschriebene Beförderungsstellen bzw. Stellen, mit denen der Richterwahlausschuss bereits befasst war, und deren Besetzung ein Freiwerden von Stellen im Eingangsamt mit sich brächte, insbesondere vor dem Hintergrund schwieriger Bewerbungsverfahren und Konkurrentenklagen nicht so schnell besetzt werden konnten und können, wie dies vorgesehen war. Schließlich spielen ganz individuelle Gründe der betroffenen Proberichterinnen und Proberichter eine Rolle. So bewerben sich einige Proberichterinnen und Proberichter, die aus verschiedenen Gründen Interesse an einer aus ihrer Sicht örtlich attraktiven Planstelle haben, nur auf ausgewählte Planstellen und nehmen den Proberichterstatus lange Zeit hin, um nicht eine aus ihrer Sicht unattraktive Planstelle antreten zu müssen. Frage 3: Welche rechtlichen und tatsächlichen Nachteile existieren durch die derzeitige Ernennungspraxis für Proberichterinnen und Proberichter? zu Frage 3: Durch die derzeitige Ernennungspraxis verbleiben die betroffenen Proberichterinnen und Proberichter längere Zeit im Proberichterverhältnis, für welches das Gesetz Einschränkungen im Vergleich zum Status einen Lebenszeitrichters vorsieht. So können Richterinnen und Richter auf Probe gemäß § 37 Abs. 1 DRiG auch ohne ihre Zustimmung abgeordnet werden. Ferner besteht die Möglichkeit, sie auch nach Ablauf der dafür im Gesetz vorgesehenen Fristen zu entlassen, wenn sie ein Verhalten an den Tag legen, das bei Richtern auf Lebenszeit eine im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte (§ 22 Abs. 3 DRiG). Das Proberichterverhältnis steht dem Lebenszeitrichterverhältnis zudem nicht in allen Versorgungsbelangen gleich, denn Richterinnen und Richter auf Probe können – abgesehen von Fällen einer dienstbedingten Dienstunfähigkeit – nur in Ausnahmefällen in den Ruhestand versetzt werden (§ 10 BbgRiG, § 28 Abs. 2 BeamtStG). Folgen können sich somit auch für die Hinterbliebenen ergeben (§§ 1 Abs. 2, 30 BbgBeamt VG). Schließlich stehen den langjährigen Proberichterinnen und Proberichtern die Möglichkeiten zur Qualifizierung für weiter-führende Ämter (vgl. ErprobungsAV) nicht offen. Frage 4: Welche Maßnahmen hat die Landesregierung konkret ergriffen, um die Fünfjahresfrist gemäß § 12 Abs. 2 DRiG einzuhalten? zu Frage 4: Das MdJEV schreibt R 1-Stellen zum Zwecke der Ernennung von Proberichterinnen und Proberichtern zu Richterinnen und Richtern auf Lebenszeit regelmäßig mit einer Beschränkung auf diesen Personenkreis aus. Teilweise erfolgt zudem unter Hinweis auf § 12 Abs. 2 DRiG eine Beschränkung des zulässigen Bewerberkreises auf Richterinnen und Richter, welche zumindest vier oder fünf Jahre als Proberichter tätig waren. Ferner werden die sich aus der Stellenführung ergebenden Möglichkeiten zur Besetzung von Planstellen intensiv genutzt. Frage 5: Wie viele Planstellen für Richterinnen und Richter auf Lebenszeit sollen in den nächsten vier Jahren gestrichen werden? (bitte detailliert nach Gerichtsbarkeiten ) zu Frage 5: In Umsetzung der Personalbedarfsplanung der Landesregierung bis zum Jahr 2018 sind für die Jahre 2017 und 2018 bei den Stellen für Richterinnen und Richter auf Lebenszeit derzeit insgesamt 30 kw-Vermerke ausgebracht, die sich wie folgt auf die Gerichtsbarkeiten verteilen: Kapitel Gerichtsbarkeit 2017 2018 04 040 Ordentliche Gerichtsbarkeit 10 16 04 110 Arbeitsgerichtsbarkeit 1 - 04 120 Sozialgerichtsbarkeit - 3 Im Rahmen der Personalbedarfsplanung bis 2020 werden weitere Stelleneinsparungen im Justizressort zu erbringen sein. In welchem Umfang diese den richterlichen Bereich betreffen, steht derzeit noch nicht fest. Frage 6: Wie viele Richterinnen und Richter auf Probe sollen in den nächsten vier Jahren neu eingestellt werden? zu Frage 6: Die Zahl der Neueinstellungen im richterlichen Bereich ist maßgeblich von den Vorgaben der Personalbedarfsplanung bis 2020 abhängig. Unter Berücksichtigung der Ist-Besetzung, der voraussichtlich durch Abgänge und sonstige Fluktuation frei werdenden Planstellen und der zu erbringenden Stelleneinsparungen werden jährlich neu die Einstellungsmöglichkeiten für Richterinnen und Richter auf Probe ermittelt. Da noch nicht feststeht, in welchem Umfang die Stelleneinsparungen in den Jahren ab 2019 den richterlichen Bereich betreffen, kann eine Angabe zur Anzahl der möglichen Einstellungen nicht gemacht werden. Frage 7: Wie viele Richterinnen und Richter auf Probe müssten in den nächsten vier Jahren gem. § 12 Abs. 2 DRiG auf Lebenszeit ernannt werden? zu Frage 7: Bis zum 30. Juni 2020 müssten – vorbehaltlich im Einzelfall entstehender Zeiten nach § 12 Abs. 2 Satz 2 DRiG - 29 Proberichterinnen und Proberichter gemäß § 12 Abs. 2 DRiG zu Lebenszeitrichtern ernannt werden. Frage 8: Wie viele Richterinnen und Richter auf Probe sind im Land Brandenburg tätig? (bitte aufschlüsseln nach den Dienstjahren seit Ernennung) zu Frage 8: Im Land Brandenburg sind am 30. Juni 2016 62 Richterinnen und Richter auf Probe tätig gewesen. Ihre Dienstjahre sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen*. Dienstjahre Anzahl der Proberichter < 1 32 1 6 2 9 3 3 4 0 5 9 6 0 7 2 * Nicht in die Tabelle aufgenommen ist eine seit 16 Jahren beurlaubte Proberichterin . Sie wird auf eigenen Antrag zum 31. Dezember 2016 aus dem höheren Justizdienst ausscheiden.